Wie Baumpfleger auch große Bäume vor Stürmen schützen

Bad Driburg/Kreis Höxter. Orkan Sabine ist gerade durch, da kündigt sich mit Victoria für Sonntag und Montag bereits der nächste kapitale Sturm an. In Fällen wie diesen warnt der Wetterdienst davor, sich im Freien aufzuhalten, vor allem weil große Äste herabfallen und Bäume entwurzelt werden können. Ein Naturphänomen, vor dem es keinen gänzlichen Schutz gibt. Aber mit etwas Aufwand lässt sich die Sturmgefahr deutlichen reduzieren und mehr Sicherheit für Menschen und Bäume schaffen. Ein Besuch an einem Ort, wo besonders viele Bäume stehen, im Gräflichen Park Bad Driburg: Schneeflocken mischen sich in den Regen, die Kabine des roten Hubsteigers in gut 20 Metern Höhe wackelt bedenklich. Nicht von den Windböen, sondern der beständigen, kraftvollen Armbewegung von Paul Sorby. Er hat seine Teleskop-Säge voll ausgefahren und sägt in etwa vier Metern einen kleinen vertrockneten Ast ab. Ein paar kräftige Züge und Zweig saust in die Tiefe. Sorby schaut nicht hinterher, sondern sofort wieder prüfend in die Höhe. Auf der Suche nach dem nächsten Ast, der vielleicht einmal zur Gefahr werden könnte. Unten schaut Gartendirektor Heinz-Josef Bickmann der Arbeit seines Baumpflegers zu. Ausnahmsweise. &bdquo;Er weiß, was er tut und macht seine Arbeit sehr gut", sagt Bickmann, der selbst viele Jahre die teils mehr als 200 Jahre alten, wertvollen Bäume geschnitten und gepflegt hat. Mit viel Hingabe, ja Liebe, wie man bei jedem seiner Worte spürt. &bdquo;Mit Bäumen ist es wie bei der Erziehung der Kinder. Sie brauchen von Anfang an die richtige Fürsorge, dann gedeihen sie gut", sagt der 58-Jährige aus Überzeugung. Baumschnitt für Sicherheit Rund 1.000 Bäume wachsen im 64 Hektar großen Gräflichen Landschaftspark. Die Eiche wächst hier genauso wie die Platane oder Robinie, der Baum des Jahres 2020. Zweimal im Jahr wird jeder, der an einem Weg steht, einzeln begutachtet und gepflegt, berichtet Bickmann, der seit 39 Jahren im Gräflichen Park arbeitet. Eine Aufgabe, die fast ausschließlich Paul Sorby übernimmt. Der hat seinen Hubsteiger inzwischen fast vollständig auf 24 Meter Höhe ausgefahren. Wind und Wetter lassen ihn kalt. Er ist Engländer, war 25 Jahre beim Militär. Das ermöglicht jedem, der solange dient, auch eine Ausbildung. Sorby wollte unbedingt Baumpfleger werden und wurde – wie passend – von der gräflichen Familie für die Pflege des englischen Landschaftsparks engagiert. Der regelmäßige Pflegeschnitt ist notwendig, um einerseits die Bäume gesund und formschön wachsen zu lassen, andererseits, um die Verkehrssicherheit vor allem bei Stürmen zu gewährleisten. &bdquo;Wenn der Sturm so stark bläst wie bei Sabine, dürfen maximal kleine Äste herunterfallen", sagt Gartendirektor Bickmann und hebt zur Demonstration zwei etwa fingerdicke Äste auf. Stürzen große, armdicke Äste herab, könne das für die Menschen darunter lebensgefährlich werden. Gefährliche Äste erkennen Im Allgemeinen sind es kranke, trockene oder tote Äste, die einem Sturm nicht standhalten. &bdquo;Die müssen unbedingt rausgeschnitten werden", betont Bickmann. Man erkennt sie im Winter an aufgerissener oder abgeplatzter Rinde, im Sommer an sehr kleinen oder braunen Blättern. Oft sind die zu entfernenden Äste nur aus nächster Nähe zu erkennen, weshalb Paul Sorby im Gräflichen Park jeden Baum sehr intensiv von allen Seiten begutachtet. Sorby entfernt – ähnlich wie beim Obstbaumschnitt – auch nach innen wachsende Triebe oder Äste, die übereinander wachsen. Damit formt er den Baum nicht nur, sondern stärkt die anderen Äste, die damit Stürmen besser standhalten können. Wie lange er pro Baum braucht? &bdquo;Sehr unterschiedlich", sagt er. Je nach Pflegeaufwand kann es mal in anderthalb Stunden geschafft sein, mal braucht er einen halben Arbeitstag. Dabei muss er die abgesägten Äste unten um den Baum gar nicht wegräumen. Das erledigen die anderen zehn Mitarbeiter des Gärtnerteams im Gräflichen Park, die nach jedem Sturm den Park in Handarbeit reinigen müssen. Auch Boden und Wurzeln sind entscheidend Trotz aller Pflege sind beim Sturm Sabine am vergangenen Montag mehrere, zum Gräflichen Park gehörende Ahornbäume auf die Brunnenstraße gefallen. Sie haben Autos demoliert und einen Schaden von rund 70.000 Euro angerichtet. Bis Mittwochnachmittag war die Straße gesperrt. &bdquo;Dass Bäume bei Sturm umkippen, lässt sich nie vollständig verhindern. Hier handelte es sich um ein naturbelassenes Wäldchen", erklärt Bickmann. Aber auch das soll nach dieser Erfahrung zeitnah durchforstet werden. Untergrund, Verfassung des Baumes und das Auftreffen der Orkanböe können zur Gefahr für das Gewächs werden. Wenn der Untergrund durch Fahrzeuge stark verdichtet wurde und damit über viele Jahre das Wurzelwachstum hemmt, kann das irgendwann zum Problem werden. Das Gleiche gilt beispielsweise auch bei Baggerarbeiten zu nah am Stamm, bei denen größere Wurzeln zerstört wurden. Das kann auch Jahrzehnte später noch zum Sturmschaden führen. Zudem haben Trockenheit und diverse Baumkrankheiten viele Bäume in den vergangenen Jahren sehr geschwächt, erinnert Bickmann. Dabei geht es den Bäumen im Gräflichen Park aufgrund des sehr hohen Grundwasserspiegels vergleichsweise gut, berichtet der Gartendirektor. Er hofft, dass &bdquo;seine" Bäume auch den kommenden Sturm gut überstehen und keiner Schaden nimmt. Das gilt für alle, denn einen Lieblingsbaum hat er nicht. Es ist ein bisschen wie mit den eigenen Kindern.

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