Auflösung: Es begann mit einem Caféchen

Herford. Gesucht war beim Mittwochrätsel vom 9. September die Steinstraße in der Radewig mit Blick vom Gänsemarkt Richtung Steintor. Holger Hillmann schreibt: Café Jach kenne ich nur an dem derzeitigen Standort am Gänsemarkt, für mich waren die Häuser im Hintergrund entscheidend. Das Haus auf der linken Seite mit der Fassadenwerbung war zu meiner Jugendzeit die Kneipe ,Grüner Wenzel, davor der Parkplatz und in dem Eckhaus davor war jahrelang ein Restaurant. Vor dem Restaurant war dort früher auch Spielzeug Stolte, im Keller mit Eisenbahn und Wiking-Schaukasten. Manchen Nachmittag hab ich dort verbracht wenn es Neuigkeiten gab." Ulrich Stille schreibt: Ein interessanter Blick vom Gänsemarkt in die Steinstraße, damals eine Einkaufstraße, die zu den Hauptverkehrsadern der Stadt gehörte. Das Foto dürfte Anfang der 60er Jahre entstanden sein, denn links hinter dem markanten Opel Olympia-Rekord ist der nicht weniger markante Ford Taunus 17M, die &bdquo;Badewanne", zu erkennen, der ab 1960 gebaut wurde. Er steht vor dem Haus, in dem lange die &bdquo;Nordsee" für frischen Fisch sorgte. Später verkaufte hier Werner Stolte zu meiner gelegentlichen Freude Spielwaren und dann folgte irgendwann die Pizzaria Pinocchio. Demnächst soll es dort Sushi geben. Links im Hintergrund ist das Gebäude vom Gasthaus &bdquo;Zum grünen Wenzel" zu erkennen und dahinter fällt der Blick auf das ehemalige Restaurant &bdquo;Steintor". Das dunkle Dach auf der rechten Seite gehört zum Kolonialwarenladen von Heinrich Hoppe, den ich immer gern besucht habe. Hier hingen in dem etwas dämmrigen Laden bei Herrn Bremer die braunen Kandiszuckerkristalle an langen Bindfäden über dem Tresen. Es gab große Holzfässer und viele hölzerne Schubläden, in denen Lebensmittel gelagert waren, die oft in Zeitungspapier verpackt über den Ladentisch an den Kunden gingen. Interessant war für mich nebenan auch Foto Klotz und immer das Schaufenster von Elektronik Meyer-Arend. Der Laden wurde schon 1928 gegründet und besteht noch heute mit Radio- und Fernsehtechnik sowie gutem Service in dritter Generation unter Leitung von Frederik Führer. Benachbart war die Konditorei mit Café von Bäckermeister Limberg. 1961 wurde das Café von Gunther Jach und seiner Frau übernommen, wie der Namenszug auf dem Foto zeigt. Das Café Jach wechselte dann 1979 seinen Standort auf die gegenüberliegende Seite am Gänsemarkt, wo man es bis heute findet. Neben Café Limberg stand einmal das Geschäftshaus von Christian Röckemann, das durch seine besondere Art Déco-Figur in der Giebelfassade auffiel. Leider wurde das Haus im Bombenkrieg stark beschädigt und Ende der 50er Jahre abgerissen. Vielleicht zeigt das Foto noch letzte Arbeiten an der Straße und dem Bürgersteig nach dem Abriß des Gebäudes. Isolde Schure: Auf dem Foto rechts ziemlich hinten war einer der Eingänge und Zufahrten zum Stadt und Kreiskrankenhaus Herford. So hieß es noch 1967/68, als ich hier als Pflegevorschülerin täglich lang ging und meine praktischen Einsätze hatte. Auf verschiedenen Stationen &bdquo;Frauen Alt", &bdquo;Kleine Männer" oder Kinderstation schnupperte ich Krankenhausluft. Einzelne Gebäude waren unterirdisch miteinander verbunden. Einmal die Woche mussten wir im Keller frische Wäsche für die Station holen. Dann starteten wir unsere Wettrennen auf der Trage bergauf, bergab die Gänge entlang. Mit Pulsuhr, damals noch eine Sanduhr stoppten wir die Zeit. Trotz dem Elend, welches wir hier oft erlebten, behielten wir unsere Fröhlichkeit. Es gab auch eine Isolierstation. 1953, als hier meine Mutter, eine DRK Schwester, verstarb, wurden ihre Sachen vor Ort verbrannt, um eine weitere Verbreitung ihrer Infektionskrankheit zu vermeiden. Es gab noch keine zuverlässige Sterilisations- und Desinfektionsmöglichkeit für diese Keime. Konditormeister Gunther Jach, der zusammen mit seiner Frau Helga in den 1960er Jahren ihr Café an der Steinstraße betrieben haben, weiß, wer noch in der Straße, die damals eine Durchgangsstraße war, Geschäfte betrieben hat. Jach meint, dass das Foto in den 1960er Jahren entstanden ist. Vor seinem Haus könnte es einen Wasserrohrbruch gegeben haben, daher die Baustelle. An das Café Jach ganz rechts im Bild schließen sich nach Jachs Erinnerung seinerzeit in Richtung Steintor an: Herrenfriseur Falke, eine Filiale der Wein- und Spirituosenhandlung Kupitz, das Sanitätshaus Böker, das Scheren- und Messergeschäft Meissner, das Fachgeschäft für Handwerkerbedarf Mönkemöller, das später zur Berliner Straße gezogen ist und so Platz für das Radiogeschäft Meyer-Arendt machte, das Privathaus der Familie Schnieder, die eine Kesselschmiede an der Engerstraße betrieb, die Schnapsbrennerei Osthoff, Feinkost-Hoppe, die Fleischerei Koch und ein Reformhaus. In der Bildmitte ist die Kneipe Steintor zu erkennen. Dann folgt Textilien-Stefeder. Auf der linken Straßenseite beginnt es links mit Elektro-Störmer im Fachwerkhaus (später Fachwerkstübchen). Hier hat man damals noch Motoren mit Kupferdraht von Hand gewickelt. Dann folgen Feinkost Ortgiese, Schuhmacher Horstmann im Haus von Schmiedemeister Quest, das Fischgeschäft Nordsee und ein Blumengeschäft. Nach der Lücke, heute ein Parkplatz, folgte die Gaststätte Grüner Wenzel. Die Eheleute Jach haben ihr Café 1961 an der Steinstraße eröffnet. Im kommenden Jahr will man in der Radewig 60-jähriges Bestehen des inzwischen von der nächsten Generation geführt Cafés feiern. Gunther und Helga Jach waren Ende des Krieges aus Hinterpommern mit ihren Familien in den Westen geflüchtet. Gunther Jachs Vater hatte über Geschäftsbeziehungen nach Westdeutschland die Autosattlerei am Neuen Markt in Herford übernommen. Gunther Jach ging in Herford in die Konditoren-Lehre. In Flensburg glaubten Gunther und Helga Jach, die er auf seiner Wanderschaft kennengelernt hatte, ein Geschäft für eine Konditorei gefunden zu haben. Doch der Besitzer zog das Angebot zurück, weil er das Ausbrechen eines dritten Weltkriegs nach dem Mauerbau befürchtete. So ging es zurück nach Herford und man hatte 1961 die Chance, die Bäckerei Limberg mit einem &bdquo;kleinen Caféchen" mit 30 Sitzplätzen an der Steinstraße 26 zu übernehmen. Als man sich Jahre später über die Höhe der Pacht uneins wurde, ging es mit dem Café auf die andere Straßenseite. Die Jachs hatten die Gaststätte Zum Adler am Gänsemarkt, die über eine Kleinanzeige angeboten worden war, gekauft. Am 1. Februar 1979 wurde Neueröffnung gefeiert. Hier wurde auch eine Außengastronomie möglich, nachdem die Autos aus dem Quartier verbannt wurden. Jach erinnert sich gern an die Zeit, als in der Steinstraße ein Fachgeschäft am anderen zu finden war und die Kaufleute sich in der Gemeinschaft Radewig zusammenfanden.

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