
Herford. Eine der bekanntesten Adressen von London ist die Fleet Street. Ihren Ruf verdankt sie den dort arbeitenden Zeitungsmachern, die die Straße im vergangenen Jahrhundert zum Sinnbild und Synonym für die weltbekannte britische Regenbogenpresse werden ließ. Ganz so schrill und lautstark kamen die heimischen Blätter ihren Lesern in Herford nicht.
Weil es bis 1967 mit der Westfälischen Zeitung und der Freien Presse noch zwei eigenständige Vorgängerzeitungen der heutigen Neuen Westfälischen gab und diese beiden (1967 fusionierten) Ausgaben ihren Sitz beidseits eines Torbogens der Hämelinger Straße hatten, hieß diese nach dem Neustädter Apotheker Hämeling benannte und im Mittwochrätsel der vergangenen Woche gezeigte Straße im Volksmund „Fleet Street".

„Der Torbogen war die Einfahrt zur Firma Rühl, der heutigen Stadtbücherei", wusste NW-Leser Klaus Berg, der kurz nach Übermittlung seiner Informationen vergangenen Donnerstag unerwartet gestorben ist. Berg wurde 84 Jahre alt.
1960 war er als Volontär bei der Westfälischen Zeitung eingestiegen, um sich einen Namen als Sportreporter zu machen – mit einem bis zuletzt fabelhaften Gedächtnis. Auch an Namen von Akteuren konnte sich der Redakteur erinnern. Wie er am Foto vom Mittwochrätsel bewies: „Die Person rechts auf dem Bild ist Hans-Hermann Heitbrink. Der war bei der Westfälischen Zeitung zweiter Mann unter Erwin Thomas. Als dessen Stelle neu besetzt wurde, entschied sich die Chefredaktion für eine Doppelspitze mit Hellmut Schlüter und Horst Albers (später Lokalchef der NW, d. Red)."
Klaus Berg war von 1955 bis 1960 als fest angestellter Sportmitarbeiter bei der Freien Presse aktiv gewesen und berichtete aus dem Kreis Herford. Seine Aufgaben beschränkten sich nicht nur auf das Schreiben oder Fotografieren. Von der Hämelinger Straße ging es an Sonntagen per Fahrrad hinaus in die Herforder Kneipenwelt. „Für ein paar Mark verteilten wir mit Schreibmaschine beschriebene Blätter, auf denen die Sportergebnisse des Wochenendes standen. Die wurden uns förmlich aus den Händen gerissen", erinnerte sich Berg.
Reinhard Gebhardt: „Sonntags ab 18 Uhr wurden immer die Fußballergebnisse im Fenster ausgehängt. Schon vorher standen die ersten Leute da, um zu sehen wie ihr Verein gespielt hat. Ich war damals acht Jahre alt. Die Nachbarn waren von der Westfälischen Zeitung und der Elektrogroßhandel CEAG.
Helfried Horstmann: „Immer Sonntag nachmittags, wenn die Fußballspiele der unterschiedlichen Ligen beendet waren, konnte man von der Freien Presse die Ergebnisse abholen. Das war meistens sehr aufregend, denn jemand musste dann den DIN-A4-Zettel holen. Meistens war das mein Onkel, der mit dem VW Käfer losfuhr.
Das war schon ein toller Service der Freien Presse, denn alle heutigen Kommunikationsmittel gab es selbstverständlich noch nicht. Von der Oberliga bis zur Kreisklasse konnte man dann die Spielstände erfahren. Hektographierte Bögen wurden in einem Holzkasten, der an der Tür befestigt war, interessierten Fußballfans zur Verfügung gestellt. Und man musste rechtzeitig da sein, um einen Zettel zu ergattern. So erfuhr ich schon immer am Sonntag, wie mein Lieblingsverein SuS auswärts gespielt hatte.
1960 waren ja die Olympischen Spiele in Rom. Dazu gab es dann einige Zeit später einen ausführlichen Bildband. Die Freie Presse vergab dieses Buch als Prämie für neue Abonnenten und mir gelang es, in der Bekanntschaft jemanden zu werben, damit ich diesen Bildband erhielt. Als 13- Jähriger war ich stolz und glücklich über so einen Handel. Noch heute besitze ich das Buch."
Hannelore Tschirner: „Der Freien Presse verdanke ich meine erste Dauerwelle!! Ich war damals so 13 oder 14 Jahre, da habe ich eine Filmkritik geschrieben über „ Pünktchen und Anton". Die wurde veröffentlich in der Freien Presse, ich erhielt den ersten Preis in dem Wettbewerb und das waren damals ungeheure 50 Mark. Und von diesem Geld durfte ich mir eine Dauerwelle machen lassen..., ich sah furchtbar aus."
Detlev Piekenbrock: „Als ich am Mittwoch zum ersten Mal die Zeitung aufschlug, dachte ich: Ne, was ist das denn jetzt? Auch meine Mitrater im Apothekeneckhaus waren ohne Idee. Aber nun kam mein großer Bruder, dem ich von Anfang an das Rätsel schicke, auf Arbeit: Das ist doch an der Hämelinger Straße auf der linken Seite – vom Neuen Markt gesehen – mehr zum Stephansplatz als zum Neuen Markt gelegen. Kunststück! Er hat Herford vor 53 Jahren verlassen. Er wusste bis jetzt gar nicht, dass sich die Nachfolgerin danach zur Lübberstraße begeben hatte. Und da fiel auch bei mir der Cent: in dem Haus ist jetzt der emsige Herr Körtner, der bereits im 33. Jahr auf Wunsch Schlüssel nachmacht."
Friedrich Windeck: „War die Freie Presse nicht an der Bushaltestelle Lübbertor, an der Mindener Straße gleich neben Betten-Schweppe?"
Bruno Vehmeier: „Das Foto zeigt einen Teil des Gebäudes Nr. 16. Links daneben ist die Durchfahrt durch die Gebäude 14 bis 16 erkennbar. Im vorderen dreigeschossigen Bereich befanden sich in den oberen Etagen die Büros der Firma Rühl, ein Unternehmen, welches später seinen Sitz an die Bünder Straße verlegte. Die Produktionsräume befanden sich am Ende der Durchfahrt an der Bowerre, heute Bowerrenpromenade.
Dort befinden sich heute dreißig Eigentumswohnungen. Im vorderen Teil ist eine Ballettschule. Zur Straßenseite sind damals Büros in Wohnungen umgewandelt worden. Heute befinden sich in den Räumen der ehemaligen Freien Presse ein Beratungsbüro, nebenan ein Geschäft für Sicherheitstechnik."
Ulrich Stille: „Hämelinger Straße 16 – dort befanden sich seinerzeit Geschäftsstelle und Redaktion der Freien Presse. In unmittelbarer Nachbarschaft arbeitete das Team der Westfälischen Zeitung (Herforder Anzeiger); bis es im Juli 1967 zur Fusion beider Zeitungsverlage kam, aus der dann die Neue Westfälische hervorging. Als junger Redakteur hat damals Klaus Berg in der Neuen Westfälischen die Sportredaktion aufgebaut. Fachkenntnis, Geschick und ein freundliches Wesen zeichneten diesen sympathischen Zeitungsmann aus, der in seiner Redaktion nicht nur von mir gern besucht wurde. Leider ist der beliebte langjährige Berichterstatter, besonders der Herforder Sportszene vergangene Woche 84-jährig verstorben."
Gewinne liegen abholbereit
Dreimal gab es beim Rätselbild den Herford-Kalender 2017 mit aktuellen Fotos zu gewinnen. Sie liegen zwei Wochen lang bereit in der Geschäftsstelle der NW, Lübberstraße 15-17. Die Gewinner sind Annelore Arning und Werner Tauchert aus Hiddenhausen, Heidemarie Strakeljahn, Herford.Herzlichen Glückwunsch!