Interview mit Ralf Kinnius: Mit Bürgernähe ins Bürgermeisteramt

Herr Kinnius, wenn Sie Bürgermeister werden, soll es &bdquo;geloste Bürgerräte" geben. Was genau hat es damit auf sich? RALF KINNIUS: In der Politik, auch in der Kommunalpolitik, engagieren sich häufig die gleichen Leute. Es ist dieselbe Klientel, die in den Entscheidungsgremien sitzt. Gleichzeitig beklagen wir, dass sich viele Menschen von der Politik und mitunter sogar unserem System abwenden. Das könnte man durch Bürgerräte ändern. Wie sieht das Konzept konkret aus? KINNIUS: Man nimmt die Bevölkerung – zum Beispiel von Spenge – und lost aus dem Einwohnermelderegister Bürger aus, die einen repräsentativen Querschnitt bilden. Diese Menschen spricht man an und fragt sie, ob sie ihre Vorschläge und Ideen zu bestimmten Themen einbringen würden. Das ist eine freiwillige Geschichte und vielleicht wird der ein oder andere Nein sagen. Aber es werden sich auch Bürger einbringen – und die fühlen sich wertgeschätzt. Was erhoffen Sie sich von dem Konzept? KINNIUS: Ich möchte die Akzeptanz der Menschen für die Demokratie erhöhen. Und ich erhoffe mir mehr Beteiligung und mehr Ideen für Spenge. Außerdem kommen vielleicht auch wieder mehr Menschen dazu, sich für kommunalpolitische Entscheidungen zu interessieren. Ein Gegenparlament zum Stadtrat soll der Bürgerrat nicht sein. Man löst den Rat damit nicht auf und verletzt auch nicht die Gemeindeordnung. Ideen der Bürger in den Stadtrat geben Bei welchen Themen könnte ein Bürgerrat zum Zuge kommen? KINNIUS: Zum Beispiel beim Thema Klimaschutz. Da könnte man die Bürger fragen, welche Maßnahmen sie sich hier vor Ort vorstellen könnten. Sie könnten etwa auch Vorschläge zu Radwegen oder zur umweltfreundlichen Umgestaltung von Gärten einbringen. Diese Ideen würden dann in den Stadtrat gegeben und in den politischen Entscheidungsprozess einfließen. Die Menschen vor Ort könnte man durch das Konzept mehr einbinden und Politik wieder greifbarer machen – und so vielleicht auch die Defizite, die unsere Demokratie heute hat, auffangen. Sie möchten vor Ort mehr Demokratie. Wo konkret sehen Sie denn zu wenig Demokratie in Spenge? KINNIUS: Vor allem in Beteiligungsverfahren. Das Baugebiet an der Bielefelder Straße ist so ein Beispiel. Schon als die ersten Planungen vorgestellt wurden, hat die UWG deutlich geäußert, dass es verkehrstechnisch zu Problemen kommen wird, wenn das Gebiet von der Bielefelder Straße aus über den Grünen Weg – eine kleine Anliegerstraße – erschlossen wird und nicht über die Herforder Straße. Bei einer Anliegerversammlung haben die Anwohner auch entsprechend ihren Unmut kund getan. Die Verwaltung hätte die Bedenken der Anwohner da ernster nehmen müssen. Ich hätte den zuständigen Landesbetrieb Straßen NRW darauf ganz anders angesprochen. Im Planungsverfahren um den Ausbau der Langen Straße haben wir ein ähnliches Verhalten erlebt. Das ist letztlich in einem Bürgerentscheid gemündet. Als passionierter Radler ist auch der Ausbau von Radwegen eines Ihrer Schwerpunktthemen . . . KINNIUS: Aus klimapolitischen Gründen müssen wir Mobilität verändern. Dafür braucht es aber ein gutes Angebot für Radfahrer. In Spenge gibt es jedoch Strecken, die dringend sanierungsbedürftig sind. Der Martinsweg zum Beispiel ist insgesamt in einem relativ schlechten Zustand. Außerdem ist die Strecke zu schmal und Begegnungsverkehr dort schwierig. Auch der Weg, der durch den Werburger Wald geht, muss überarbeitet werden. Wir brauchen außerdem eine alternative Route zur Langen/Bielefelder Straße, die Radfahrer nutzen können, wenn sie von Wallenbrück nach Lenzinghausen und weiter nach Bielefeld fahren möchten. Wo könnte so eine Alternativroute entlang laufen? KINNIUS: Wir haben da mit dem Martinsweg schon eine optimale Strecke. Da müsste nur die Fahrbahn an sich und ihre Breite verbessert werden. Darüber hinaus müssen wir Wege durch Lenzinghausen suchen, um eine alternative Strecke zur Bielefelder Straße zu entwickeln. Ein Bus einmal die Stunde nutzt nicht Zur Mobilitätswende gehört auch eine Stärkung des Öffentlichen Personennahverkehrs. Was sind Ihre Konzepte für den ÖPNV? KINNIUS: Es gibt Bestrebungen, eine zweite Bürgerbuslinie einzurichten, die Lenzinghausen und Hücker-Aschen ans Zentrum anbindet. Diese Initiative unterstütze ich. Ein weiteres Thema ist auch: Wie bekommt man es hin, die überregionalen Busverbindungen zu verbessern? Das Problem ist hier: Wenn der Bus nur einmal in der Stunde fährt, nutzt man ihn nicht. Eine bessere Taktung ist letztlich sicher eine Frage der Finanzierung. Aber der Stadt sollte das ein gewisser Rahmen wert sein. Sie kritisieren, das Rathaus sei jetzt in der Corona-Krise viel zu spät wieder komplett geöffnet worden. Erst seit ein paar Tagen kann man wieder ohne Termin in die Verwaltung. . . KINNIUS: Das ist für mich eine Form von nicht vorhandener Bürgernähe. Die Stadtverwaltung ist Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger und es ist fragwürdig, dass man einen Termin braucht, um einen Personalausweis abzuholen. Beim Infektionsschutz, der vollkommen richtig ist, erlebe ich in der Privatwirtschaft Innovationskraft und Kreativität, damit man die Kunden und sich selbst schützen, aber trotzdem den eigenen Betrieb am Laufen halten kann. Das ist im Rathaus lange nicht möglich gewesen. Die Grünen haben eine Allianz mit der CDU geschmiedet und unterstützen den christdemokratischen Bürgermeister-Kandidaten Lars Hartwig. Warum koaliert die UWG nicht auch mit der einen oder anderen Partei, sondern schickt einen eigenen Mann ins Rennen? KINNIUS: Demokratie lebt von der Vielfalt und unterschiedlichen Angeboten. Und ich sehe meine Konzepte für Spenge im Vergleich zu denen der anderen Kandidaten als die bessere Lösung an. Wir sind ein Verein Dem einen oder anderen Grünen- oder auch CDU-Wähler mag die Allianz der beiden Parteien auf Ortsebene nicht schmecken. Glauben Sie, dadurch Stimmen abgreifen zu können? KINNIUS: Das kann so sein. Die Unabhängige Wählergemeinschaft ist aufgrund ihrer Struktur ja etwas anders als die Parteien. Wir sind ein Verein und orientiert an Spenge und an der Sache, nicht an der Ideologie. Wir sind keine Kopie der CDU und genauso wenig überholen wir Grüne und SPD links. Wir bieten eine Alternative und zeigen, dass Politik anders laufen kann als ideologisch geprägt. Wie würden Sie sich selbst charakterisieren? KINNIUS: Ich bin ausgeglichen und ausgleichend. Ich bin niemand, der mit dem Kopf durch die Wand geht, sondern ich versuche, Lösungen zu finden und diese tragfähig und konsensfähig zu machen. Sie haben keine Verwaltungserfahrung. Warum sollte man Sie wählen? KINNIUS: Ich bringe den Blick von außen mit. Dadurch fällt es mir leicht zu sagen, welche Dinge in der Verwaltung anders gemacht werden müssen. Als Kaufmann komme ich außerdem aus dem wirtschaftlichen Umfeld, das ist ein großer Vorteil. Und aufgrund meiner Lebenserfahrung und meiner Grundeinstellung habe ich auch eine andere Herangehensweise an das Amt des Bürgermeisters als jemand, der sein ganzes Leben in einer Verwaltung verbracht hat. Ich habe keine Angst davor, zu gewinnen Wie schätzen Sie Ihre Chancen ein? KINNIUS: Der Favorit bin ich nicht, das ist erfahrungsgemäß der amtierende Bürgermeister. Aber ich habe auch keine Angst davor, zu gewinnen.

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