Kunden und Zulieferer bangen nach Küchenfirma-Insolvenz im Kreis Herford um mehrere Millionen Euro

Rödinghausen. Um seine Aufgabe beim insolventen Küchenhersteller Störmer aus Rödinghausen ist Manuel Sack nicht zu beneiden. Der Rechtsanwalt sucht derzeit nicht nur einen Investor, sondern muss auch darstellen, wie es wirtschaftlich um das Unternehmen steht. Die ersten Wasserstandsmeldungen geben ein dramatisches Bild ab. Mehr als hundert Gläubiger müssen wohl einen Millionenbetrag abschreiben. Die Krise deutet sich schon im Herbst des vergangenen Jahres an, doch mit Beginn des Jahres 2023 schlittert der heimische Küchenhersteller Störmer immer tiefer in den wirtschaftlichen Abgrund. Der Tiefpunkt ist am 22. Juni erreicht, als der Vorstandsvorsitzende Michael Cox sich mit einem Insolvenzantrag an das Bielefelder Amtsgericht wendet. Was der Öffentlichkeit bisher nicht bekannt ist: Zehn Tage vorher reicht bereits eine Krankenkasse den Antrag auf Zahlungsunfähigkeit bei Störmer ein. Das ist ein gewöhnliches Vorgehen, wenn Unternehmen Krankenkassen-Beiträge über längere Zeit nicht mehr bezahlen, wie die BKK Melitta auf Nachfrage erklärt. Befindet sich ein Schuldner &bdquo;mit fälligen Gesamtsozialversicherungsbeiträgen von mehr als sechs Monaten im Rückstand, haben die Krankenkassen die Möglichkeit, einen Insolvenzantrag zu stellen“, teilt Patrik Kasparak von der Melitta BKK mit. Alle Hintergründe finden Sie auf derThemenseite "Küchenfirma Störmer in der Krise" Krankenkasse stellt Insolvenzantrag Die Krankenkasse muss dem zuständigen Amtsgericht aber glaubhaft machen, dass eine Zahlungsunfähigkeit vorliegt. Das dürfte im Fall von Störmer gelungen sein. Nach Informationen dieser Zeitung hat die Melitta BKK Mitte Juni den Insolvenzantrag am Amtsgericht Bielefeld gestellt. Offiziell bestätigen möchte Kasparak das nicht. Laut Unterlagen, die die NW einsehen konnte, soll es allein bis Ende 2022 Verbindlichkeiten im mittleren sechsstelligen Bereich gegenüber Krankenkassen gegeben haben. Auch gegenüber der Gemeinde Rödinghausen soll es Zahlungsrückstände geben. Zwar spülte der Verkauf der Störmer-Immobilie in Rödinghausen Ende 2021 zumindest auf dem Papier mehr als fünf Millionen Euro in die klammen Kassen des Unternehmens. Die daraus resultierenden Gewerbesteuern von mehr als einer halben Million Euro sollen aber nicht abgeführt worden sein. Aufgrund der wirtschaftlichen Probleme sollen die Steuern von der Gemeinde bis zum Ende Januar 2023 gestundet worden sein. Ob die Gelder bis zum vereinbarten Zeitraum gezahlt worden sind, ist unklar. Die Gemeinde Rödinghausen teilt auf Anfrage mit, dass man sich zu Steuerangelegenheiten nicht äußert. Mit Blick auf die wirtschaftliche Situation des Unternehmens dürfte eine Zahlung aber mehr als unwahrscheinlich sein. &bdquo;Ich vermute, dass Steuern in letzter Zeit nicht mehr bezahlt worden sind“, sagt Insolvenzverwalter Manuel Sack. Gläubigerversammlung steht noch aus Wie schlecht es finanziell um das Unternehmen zuletzt gestanden hat, dröselt der für das Insolvenzverfahren beauftragte Rechtsanwalt derzeit noch auf. Im Oktober ist eine Gläubigerversammlung angesetzt. Bis zu diesem Termin können Forderungen gegenüber dem Küchenhersteller noch geltend gemacht werden. Nicht nur bei Krankenkassen und der Gemeinde, sondern besonders bei Lieferanten sind in den vergangenen Monaten zahlreiche Zahlungsrückstände aufgelaufen. Ein Zulieferer aus dem Kreis Herford hat zuletzt erklärt, dass er auf einem sechsstelligen Betrag sitzen geblieben sei. Kein Einzelfall, wie die NW erfahren hat. Manuel Sack spricht allein von mehr als hundert Gläubigern und Schulden in Millionenhöhe. Detaillierte Zahlen kann der Insolvenzverwalter erst nach der Versammlung nennen. Derzeit gibt es nur Wasserstandsmeldungen. Klarheit herrscht dagegen für die Mitarbeiter, die dem Unternehmen zuletzt lange die Treue gehalten haben. Große Teile der Belegschaft haben bereits ihre Kündigung eingereicht. Fast alle restlichen Mitarbeiter, im vergangenen Jahr sollen noch etwa 180 Menschen bei Störmer beschäftigt gewesen sein, haben mittlerweile die Kündigung bekommen. Zuvor waren sie schon seit Anfang August freigestellt worden. Nur eine &bdquo;kleine Abwicklungsmannschaft“ arbeitet noch im Werk in Rödinghausen. Unter anderem, um den Investoren die Maschinen zu präsentieren oder um in der Buchhaltung zu arbeiten. Zwei Küchenfirmen haben Interesse Nach neuen Geldgebern hat Manuel Sack in den vergangenen Monaten die Augen offen gehalten. Zuletzt sollen sich zumindest zwei heimische Küchenfirmen mit der Störmer-Immobilie beschäftigt haben. Mit Blick auf potenzielle Investoren kann der Insolvenzverwalter aber keine positiven Nachrichten vermelden. &bdquo;Es gibt aber noch Gespräche“, sagt Manuel Sack. Mit jedem Tag schwinden aber die Hoffnungen, dass das Unternehmen Störmer künftig weiter Küchen produziert.

Meistgelesen