
Kreis Herford. Fußballgucken kann jeder: Pünktlich zur Fußball-Europameisterschaft der Frauen entdecken plötzlich auch die größten Sportmuffel ihre Liebe zum runden Leder. Doch Obacht: Eine schwarz-rot-goldene Verkleidung macht noch keinen Fußball-Fan! Um zwischen den Tausenden potenziellen Bundestrainern um Sie herum nicht mit völliger Ahnungslosigkeit aufzufallen, müssen schon ein paar Weisheiten her. Mit unserem Leitfaden kommen Sie problemlos durch jedes Rudelgucken – ob im Festzelt oder vor dem heimischen Fernseher.
Schon vor dem Anpfiff positionieren
Wenn Sie sich schon zwischen biertrinkende und brüllende Menschenmassen begeben, dann wollen Sie natürlich nicht zum Fußball-Kommerz-Opfer degradiert werden. Um dem vorzubeugen, reichen einige wenige Plattitüden, wie „Das ham’ die auch noch nich gewonnen...“. Ein Satz, der immer geht, wenn man dazu eine wissende Miene aufsetzt. Dann nämlich schwingt in dem sinnentleerten Spruch der mahnende Zeigefinger mit, die leise Ahnung, auf die Sie sich nach Spielende triumphierend berufen können.
In die gleiche Kategorie fällt auch der Satz „Mit der Aufstellung kann das auch nix werden!“, der noch mehr an Bedeutung gewinnt, wenn Sie einen Vorschlag nachreichen: „Warum gibt er nicht mal den Jungen eine Chance?“, weist Sie zum einen als Förderer und Entdecker großer Talente aus, zum anderen als Kritiker des Trainers. „Lass den mal ein, zwei Spiele verlieren, dann hat der auch keinen Kredit mehr!“, stellt dafür eine gute Ergänzung dar, ist die Floskel doch bei jedem Spielverlauf anwendbar und nicht zu widerlegen.
Doch was auch immer passiert: Verkneifen Sie sich um Himmels Willen sämtliche Kommentare zu Frisuren, Körperbau oder sonstigen Äußerlichkeiten der Protagonistinnen. Mit fußballerischen Qualitäten haben die nämlich nicht das Geringste zu tun. Im Gegenteil: In Wahrheit disqualifizieren Sie sich durch derlei Unverschämtheiten schon vorab selbst. Gleiches gilt für vermeintliche aber gar nicht existente Schwächen des Frauenfußballs im Vergleich zum männlichen Pendant.
Lesen Sie auch: Herforder Profifußballerin ist bei der Europameisterschaft in der Schweiz dabei
Den Gegner kennen
Den gilt es natürlich, richtig einzuschätzen. Und das ist gar nicht so leicht, wie es die Weltrangliste vermuten lässt. Belassen Sie es also bei Allgemeinplätzen, mit denen Sie auf keinen Fall falschliegen. „Wenn sie die erste Viertelstunde überstehen, ist alles möglich“ zum Beispiel ist universal anwendbar. Wer es spezieller mag, ist mit „Die spielen ja auch nur ,Kick and Rush’“ (England), „Typisch Catenaccio“ (Italien) oder „Die können nur zu Hause Titel gewinnen“ (Frankreich) gut bedient.
Sollten Sie doch mal bei einer Fehleinschätzung erwischt werden, rettet sie der vollzogene Umbruch in nahezu allen Teams: „Da fehlen so viele gestandene Spielerinnen, dass eine Einschätzung schon schwer fällt.“ Oder auch: „Mit Popp und Huth wäre das anders gelaufen...“ Echte Kenner wissen zudem: „Im zweiten Gruppenspiel tun sich die Deutschen immer schwer.“
Lesen Sie auch: «Globales Phänomen» Frauenfußball: Was läuft, wo hakt es?
Sobald der Ball rollt
Bleiben Sie mit Ihren Augen auf der Leinwand und mit den Sprüchen beim Spiel. Ein zwischendurch eingestreutes „Sauber!“ bei einer halbwegs gelungenen Grätsche kann Wunder wirken. Auch Anweisungen wie „Links läuft sie“ oder „Zieh ab!!!“ suggerieren Sachverstand und passen in 90 Prozent aller Fälle.
Vorsicht aber bei Analysen! Wer hier nicht mit Fachvokabular glänzt, ist raus: Ein Abpraller heißt ab jetzt „Zweiter Ball“, das Freilaufen ist als „Spiel ohne Ball“ bekannt. Und wenn gar nichts zusammen läuft, dann „bekommen sie keinen Zugriff aufs Mittelfeld“. Im Zweifel können Sie sogar einen Fehlpass mit den Worten „War aber schön gedacht“ zu den Akten legen.
Grundsätzlich geht es natürlich immer darum, das eigene Team in Schutz zu nehmen. „Die hat schon gelb!“ oder „Immer die Fünf!“ sind daher unvermeidbare Floskeln, wenn die eigene Spielerin zu Boden getreten wurde. Ganz anders verhält es sich bei Fouls der eigenen Elf. Hier müssen Rechtfertigungen her, wie „Sie kann sich doch nicht in Luft auflösen!“ oder „Wir sind doch nicht beim Hallenhalma!“. Und selbst bei der brutalsten Blutgrätsche suggeriert ein lautstarkes „In England pfeift das kein Mensch!“ noch internationalen Sachverstand. Auch gut bei Elfmetern: „Kann man geben.“
Flexibel einsätzbar
Irgendwann müssen Sie dann flexibel auf den Spielverlauf reagieren. Geht das eigene Team in Führung, hilft ein wissendes „Ich hab’s doch gesagt“. Was nicht einmal stimmen muss, um ihren Ruf als ausgewiesener Experte zu untermauern. Sollten Tore ausbleiben, ist der Satz „Wenn sich das mal nich’ noch rächt...“ obligatorisch. Mit ihm vermeiden Sie eine klare Prognose, können sich aber im Zweifel auf ihre Mahnung berufen. Am besten mit den späten Ergänzung „Tja, wennde vorne die Dinger nich’ machst...“ oder „Das hat sich angedeutet.“
Letztere funktioniert noch besser, wenn schon zuvor ordentlich die Kritiker-Keule geschwungen wurde – wahlweise gegen die ganze Elf („Das is’ doch der gleiche Mist wie unter Voss-Tecklenburg“), die Torhüterin („Wenn sie da rauskommt, muss sie ihn auch haben“) oder den Chancentod im Sturm („Wenn ich so arbeiten würde wäre ich längst entlassen!“). Im Zweifel bleibt allerdings der Trainer das schwächste Glied, ein paar gut gemeinte Tipps Ihrerseits können also nicht schaden. Christian Wück könnte ja zum Beispiel ruhig mal „einen frischen Impuls“ mit einer Einwechslung setzen, eine „echte Neun“ bringen oder endlich „auf Dreierkette umstellen“, um das Gegenpressing zu erhöhen.
📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford
Nach dem Abpfiff
Jetzt kommt es aufs Ergebnis an. Bei einem Sieg kommt es immer gut, die „deutschen Tugenden“ zu betonen und der DFB-Elf einen „unbedingten Siegeswillen“ zu attestieren. Im Gegensatz dazu dürfen Sie bei einer Niederlage auf Nebenschauplätze wie etwa die Nichtberücksichtigung von Nicole Anyomi oder die Debatten um Merle Frohms verweisen. Als Kommentar geht „War abzusehen“ im Zweifel immer, wobei ein „Auch in der Höhe verdient“ noch ein wenig besser kommt. Und wer es so richtig hochgestochen mag, der kann auch im Nachgang noch einmal die „Philosophie des Trainers“ infrage stellen.