Nach 25 Jahren im Ruhestand: Löhner Pfarrer war einer der letzten seiner Art

Löhne. Es sind nur ein paar Schritte für Rolf Bürgers von seiner Wohnung bis zu seinem Arbeitsplatz. In Zeiten des Homeoffice ist das für viele Menschen nichts Besonderes. Die wenigsten arbeiten allerdings in einer Kirche. Der Pfarrer der Kirchengemeinde Obernbeck lebt im Pfarrhaus direkt neben der Kirche. Mit etwas Wehmut geht er durch den Garten zum Gotteshaus. &bdquo;Diese Bäume haben meine Kinder gepflanzt“, sagt er und zeigt auf zwei schöne Exemplare. Schon ist er am kleinen Durchgang zur Kirche. Bald ist dieser Weg ein Teil seiner Erinnerungen. Bürgers geht Ende Mai in den Ruhestand. Im Pfarrhaus, das wie die Kirche aus dem Jahr 1914 stammt, sieht es nach Aufbruch aus. Bald werden die Umzugskartons gepackt. Fast 25 Jahre hat Bürgers mit seiner Familie in dem schönen Haus gelebt. Seit dem Jahr 2001 war Bürgers Pfarrer in Obernbeck. Damals war die Kirchenwelt scheinbar noch in Ordnung, dass die Kirche schrumpfen würde, zeichnete sich jedoch bereits ab. &bdquo;Ich war 2001 der letzte Pfarrer, der hier eine Pfarrstelle übernommen hat“, sagt er. Als er seinen Dienst antrat, hatte die Kirchengemeinde Obernbeck noch rund 4.000 Gemeindemitglieder, aktuell sind es weniger als 3.000. In den letzten zwei Jahren sei die Zahl der Austritte deutlich gestiegen. Viele Menschen würden keine Bindung mehr zur Institution empfinden. &bdquo;Dazu kommt, dass Steuerberater zu Kirchenaustritten als Steuersparmodell raten“, sagt er. Und natürlich seien auch die Missbrauchsskandale für die Krise der Kirche verantwortlich. Davon ist zwar die katholische Kirche stärker betroffen. Es gibt aber auch zahlreiche Fälle in der evangelischen Kirche. &bdquo;Die Kultur des Wegschiebens hat sich aber gravierend verändert“, sagt Bürgers. Drei statt acht Pfarrer Die sinkende Zahl der Kirchenmitglieder hat auch massive Auswirkungen auf die Kirchengemeinden und die Zahl der Pfarrstellen. &bdquo;Als ich nach Obernbeck kam, waren wir acht Pfarrer im Löhner Bereich des Kirchenkreises Herford. Wenn ich weg bin, sind es noch drei.“ Der heute 65-Jährige Rolf Bürgers stammt aus dem Ruhrgebiet, wurde in Mülheim an der Ruhr geboren. Als Jugendlicher war er im CVJM aktiv, machte von 1975 bis 1979 eine Ausbildung als Diakon und Erzieher. Mit der Region kam in Berührung, als er am Westfalen-Kolleg in Paderborn auf dem zweiten Bildungsweg zwei Jahre büffelte und 1983 sein Abitur machte. Direkt nach dem Abi studierte er Theologie in Göttingen, Bochum, Paderborn und Genf. Lesen Sie auch: Welche Rolle Nachrufe bei der Trauerbewältigung spielen Seine erste Pfarrstelle hatte er als Pfarrer der Kirchengemeinde Gladbeck-Mitte im Ruhrgebiet von 1995 bis 2001. Als die Pfarrstelle gestrichen wurde, musste sich Bürgers neu orientieren. Es habe natürlich auch Möglichkeiten im Ruhrgebiet gegeben. Seine Frau und er haben aber anders entschieden. &bdquo;Wir haben gedacht, dass wir auch ganz neu starten können.“ Die Pfarrstellen waren schon damals rar. &bdquo;Als ich erfahren habe, dass in der Kirchengemeinde Obernbeck eine Pfarrstelle frei ist, musste ich erst mal im Atlas nachschauen, wo das liegt“, erinnert sich der Vater von zwei Söhnen schmunzelnd. Herzlich aufgenommen in der Gemeinde 2001 startete Bürgers in Obernbeck. &bdquo;Den ersten Monat habe ich im Giebelzimmer des Gemeindehauses geschlafen, weil das Pfarrhaus noch renoviert wurde“, erinnert er sich. In der Gemeinde seien er und seine Frau sehr herzlich empfangen worden. &bdquo;Als Pfarrer hat man es einfacher sich zu integrieren, weil man automatisch Kontakt mit vielen Menschen hat. Oft sind es ja Grenzsituationen wie Taufe, Trauung und Beerdigung, die zu einer besonderen Nähe führen können“, sagt er. Kaum in Obernbeck angekommen, wurde er Mitglied der Kantorei. &bdquo;Ich singe gerne.“ Herausragend sei in all den Jahren die Zusammenarbeit mit Kantorin Elvira Haake gewesen. Ihr wurde wegen ihres Einsatzes für die Kirchenmusik Ende 2023 der Titel &bdquo;Kirchenmusikdirektorin“ verliehen. &bdquo;Ein wichtiger Schritt war vor 20 Jahren die Gründung des &bdquo;Förderkreises Kirchenmusik“, sagt Bürgers. Damit sei es gelungen, die Kirchenmusik in der Gemeinde nachhaltig und vielfältig aufzustellen. Lesen Sie auch: Große Umbrüche in den Löhner Kirchengemeinden Als eine wichtige Veranstaltung hat sich in der Dienstzeit von Rolf Bürgers auch der Adventstreff Obernbeck etabliert. &bdquo;Das ist auch für ehemalige Obernbecker ein ganz wichtiger Termin, den sie nicht verpassen möchten.“ Wichtig sei ihm auch immer die Arbeit der Frauen in den Gemeinden gewesen. Als offenes Angebot für Senioren habe sich der &bdquo;Guten-Morgen-Kaffee“ etabliert. Einmaliger Gottesdienst in der Region In der Region einmalig ist der Gedenkgottesdienst für verstorbene Kinder, der seit 2003 von Rolf Bürgers und einem Team organisiert wird. &bdquo;Die zweite Beerdigung, die ich begleitet habe, war die eines 16 Jahre alten Jungen, der 2001 mit einem Roller auf der Ellerbuscher Straße tödlich verunglückt ist“, erinnert sich Bürgers. Danach sei die Idee für einen besonderen Gottesdienst entstanden. Eine besondere Form der Begegnung mit Kirche ist auch der Motorradgottesdienst im Aqua-Magica-Park, den der begeisterte Biker Rolf Bürgers mit auf die Beine gestellt hat. &bdquo;Damit erreichen wir viele Menschen, die wir sonst nicht erreichen. Es kommen auch viele Menschen in den Park, die kein Motorrad fahren.“ Bürgers hat sich nicht nur in der Gemeinde engagiert. Seit 2011 gehört er zum Kreissynodalvorstand und damit zur Leitung des Kirchenkreises Herford. Als Vorsitzender des Leitungsausschusses für Kitas ist er für die 56 Kindertagesstätten zuständig, die vom Kirchenkreis getragen werden. Sorge um die Institution Kirche Am 25. Mai, 14 Uhr, wird Rolf Bürgers mit einem Gottesdienst in der Obernbecker Kirche verabschiedet. Dann wird er auch das Pfarrhaus verlassen haben. Vermissen werde er die Gespräche mit den Kita-Kindern über den Zaun oder durch die Hecke. &bdquo;Meine Frau und ich bleiben in Löhne“, sagt er. Er wolle ein Sabbatjahr einlegen und dann vielleicht die eine oder andere ehrenamtliche Aufgabe übernehmen. &bdquo;Ich verspreche nichts, nachher nagelt man mich noch darauf fest.“ Sorgen macht er sich um die Zukunft der Institution. &bdquo;Der Ausverkauf der Kirche macht mir Angst.“ Klar sei, dass durch immer weniger Pfarrstellen das Engagement der Gemeindemitglieder gefragt sei. Bezogen auf Obernbeck sagt er: &bdquo;Es gibt keinen Gemeindepfarrer mehr. Hier wird nur noch das stattfinden, was Ihr initiiert.“ 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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