Im Schatten ihres Mannes: Die Texte von Marie Schmalenbach werden trotzdem bis heute gesungen

Löhne. Ihren Namen kennen die meisten aufgrund ihres berühmten Mannes. Sie selbst ist als Texterin von bis heute bekannten Kirchenliedern bekannt. Wer aber war Marie Schmalenbach wirklich? Wie hat die vor 100 Jahren verstorbene Mennighüffer Pfarrersfrau ihr Leben geführt? Geprägt von der extrem konservativen Erweckungsbewegung, erlaubte sie es sich selbst nicht, wirklich aus ihrer Rolle auszubrechen, und litt trotzdem darunter. Das jedenfalls geht aus ihren Tagebüchern und Briefen hervor, mit denen sich die Historikerin Kerstin Stockhecke eingehend beschäftigt hat. Diese Dokumente seien ein &bdquo;weibliches Selbstzeugnis, das Seltenheitswert besitzt“, schreibt Stockhecke in ihrem Buch über Marie Schmalenbach. Sie zeichneten das Leben einer bürgerlichen Frau im 19. Jahrhundert nach. Während Berichte in der Öffentlichkeit, selbst der Nachruf über Marie Schmalenbach, ihren Mann Theodor in den Vordergrund stellten, ermöglichten die Aufzeichnungen der Pfarrersfrau einen, wenn auch subjektiv geprägten, Blick auf die Person Marie Schmalenbach. Kindheit auf dem Land Geboren wurde Marie am 23. Juni 1835 als Tochter des Pfarrers Ferdinand Huhold und seiner Frau Christiane Minette in Holtrup. Sie war eines von insgesamt elf Kindern, von denen aber sieben sehr früh starben. Obwohl sie in der dörflichen Umgebung keine höhere Töchterschule besuchen konnte, war sie sehr gebildet, las viel, auch auf Englisch und Französisch, und schrieb seit ihrer Jugendzeit Gedichte. Wohl vor allem ihr Vater, einer der damals führenden Köpfe der Erweckungsbewegung und später Superintendent im Kirchenkreis Vlotho, kümmerte sich um die Bildung seiner Tochter. 1853 bekam Marie die Gelegenheit, zwei Monate in Hamburg zu verbringen. Dort kam sie mit anderen, liberaleren Denkweisen in Kontakt, mit denen sie sich – wenn auch skeptisch – auseinandersetzte. Zurück in heimischen Gefilden lernte sie zur Vorbereitung ihrer Rolle als Ehefrau und Mutter in einer Lübbecker Pfarrfamilie die Haushaltsführung. Lesen Sie auch: Nach diesen Frauen könnten zukünftig Straßen und Plätze in Löhne benannt werden Ihren zukünftigen Mann sah sie im Jahr 1854 zum ersten Mal, auf einem Missionsfest, wie es Stockhecke beschreibt. Aus den Tagebucheinträgen und Briefen in der folgenden Zeit lasse sich ableiten, dass sie sich in ihn verliebte und wohl zunächst die Initiative ergriff, es dann aber dem vier Jahre älteren Theodor Schmalenbach überließ, ganz traditionell um ihre Hand anzuhalten. Zwei Jahre später heirateten die beiden dann, 1863 schließlich zog das Ehepaar nach Mennighüffen, wo Schmalenbach eine Pfarrstelle antrat. Isolation in der Ehe Nach der Geburt eines Sohnes, der früh starb, und ihrer vier Töchter in den ersten Jahren der Ehe ging es Marie Schmalenbach nicht gut. Sie war immer wieder krank, machte lange Kuren und klagte darüber, welch ein Leid ihr die Hausarbeit war. Sie selbst sah ihre Rolle darin, sich ihrem Mann unterzuordnen und sich um das Heim zu kümmern, aber es erfüllte sie nicht so wie gewünscht. &bdquo;Ich bin eine Frau und bin es doch nicht, Mutter und bin es doch nicht, Hausfrau und bin es auch nicht“, schrieb sie 1868 in ihr Tagebuch. Stattdessen sei sie krank und werde immer kränker. &bdquo;Die Arbeit, die vor mir liegt, kann ich nicht tun – andere Arbeit könnte ich wohl tun, kann aber die Verhältnisse selber mir nicht schaffen...“ Sie hatte in der dörflichen Umgebung wenig Kontakte nach außen, wenig Interesse an der Gemeindearbeit, und Theodor bezog sie wohl auch weder in sein theologisches noch in sein politisches Schaffen wirklich ein. Sie sehnte sich nach seiner Aufmerksamkeit, während er im Laufe der Zeit immer mehr unterwegs war, vor allem ab 1870, als seine politische Karriere in der Christlich Konservativen Partei Minden-Ravensberg Fahrt aufnahm. Marie rebelliert nie offen Eigentlich hätten die beiden Eheleute gute Voraussetzungen gehabt, eine für damalige Verhältnisse relativ ebenbürtige Partnerschaft zu führen. Er war nur wenig älter, beide hatten ein ähnliches Bildungsniveau. Und Marie hätte sich das wohl auch gewünscht, sollte aber enttäuscht werden. Dass Theodor Schmalenbach dabei nicht einfach alle Frauen so kühl behandelte, zeige sich an seinem liebevollen Verhältnis zu seinen Töchtern, meint Kerstin Stockhecke. Und während er Marie in Mennighüffen allein ließ, führte er selbst eine enge Freundschaft mit einer anderen, der Diakonissin Gräfin Anna von Arnim. Er wohnte bei ihr, reiste mit ihr. Dass dies seiner Frau daheim in Mennighüffen kaum gefiel, lässt sich allerdings nur aus Andeutungen schließen. Überhaupt übte Marie nicht offen Kritik an ihrem Mann oder an ihrer Rolle, wenn sie auch zeitlebens darunter litt. &bdquo;Offener Protest wäre mit ihrer Einstellung über die völlig untergeordnete Rolle der Frau in einer Ehe wohl nicht zu vereinbaren gewesen“, schreibt Kerstin Stockhecke. Freiräume im Schreiben Eine Wahl für ein selbstständigeres Leben hätte Marie Schmalenbach wohl ohnehin kaum gehabt, Alternativen zur Ehe und Mutterschaft gab es zu ihrer Zeit kaum. Unter anderem im Schreiben und Lesen fand sie für sich einen Ausweg aus der eigenen Isolation. &bdquo;Das waren für sie Freiräume, in denen sie ihre persönlichen Interessengebiete, die sonst in der gesellschaftlichen und familiären Lebenswelt eingeschränkt wurden, entfalten konnte“, so Stockhecke. Und so bleiben aus ihrem Schaffen Gedichte und Liedtexte, die bis heute gesungen werden, wie das Kirchenlied &bdquo;Brich herein, süßer Schein“, das 1876 von Karl Kuhlo vertont wurde. Ihren Mann überlebte Marie Schmalenbach um 23 Jahre. Sie starb am 10. März 1924. Ihr Grabstein findet sich neben dem von Theodor Schmalenbach auf dem Mennighüffer Kirchhof.

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