Radtour mit Hindernissen in Löhne: Zugreise wird zur Herausforderung

Löhne. Der Löhner Bahnhof an einem Sommermorgen gegen 6.45 Uhr. Eine kleine Reisegruppe mit schwer bepackten Fahrrädern wartet auf ihren Zug um 6.52 Uhr auf dem Gleis 12. Die Reise ist lange geplant, mit viel Mühe und Präzision gebucht. Außerdem warten noch rund 50 andere Reisende auf die Einfahrt der Bahn, darunter auch eine Rollstuhlfahrerin mit Begleitung. Um 6.51 Uhr kommt dann die Durchsage: Gleiswechsel, Abfahrt von Gleis 11, einen Bahnsteig weiter. Was nun? Wie kommen mehrere Radfahrer und eine Rollstuhlfahrerin noch rechtzeitig zum Zug? Der Löhner Bahnhof, genauer gesagt die Mobilstation, ist erst vor wenigen Jahren komplett modernisiert worden. 2022 sind die Arbeiten abgeschlossen worden, die insgesamt 12,5 Millionen Euro gekostet haben. Ein großer Fokus lag dabei laut Deutscher Bahn (DB) auf der Barrierefreiheit. Es wurden drei Aufzüge eingebaut und drei Bahnsteige erneuert und erhöht. Die Radreisenden, die im Sommer plötzlich den Bahnsteig wechseln mussten, fühlen sich jedoch vergessen. Sie passten nicht gleichzeitig in den Aufzug und dann war da ja auch noch die Rollstuhlfahrerin, die ebenfalls den Bahnsteig wechseln musste. Eine Rampe oder eine Fahrradschiene im Bereich der Treppe gibt es nicht. &bdquo;Es war unmöglich, sich da so schnell in Bewegung zu bringen“, berichtet der Löhner Karl Heinz Niehus, der genau zu dieser Gruppe Reisender gehörte. Lange Rampe statt Aufzug? Auch Georg Hofemann vom Löhner Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) kritisiert das Fehlen einer Rampe. &bdquo;Wir hätten uns statt der Aufzüge damals eher eine lange Rampe gewünscht. Lang genug sind die Löhner Bahnsteige ja dafür“, meint er. Das hat die Deutsche Bahn seinerzeit jedoch anders gesehen. &bdquo;Angesichts der baulichen Voraussetzungen in Löhne haben sich die Planerinnen und Planer in Löhne für Aufzüge entschieden, da diese deutlich weniger Platz als Rampen benötigen“, erklärt ein Bahnsprecher auf Anfrage der NW. Nur so hätten Bahnsteige und Personenunterführung bei der Modernisierung so großzügig angelegt werden können. Wenn es um Barrierefreiheit gehe, werde bei Umbauten sorgfältig anhand verschiedener Faktoren abgewägt, ob nun Aufzüge oder aber Rampen die beste Lösung für den jeweiligen Standort sind. So müssten für den Bau von Rampen oftmals neue Flächen erschlossen werden. Bahn sieht in Fahrradschienen eine Unfallgefahr Aus Sicht der Bahn sind viele aktuelle Entwicklungen in Sachen Barrierefreiheit auch für Radfahrer ein Plus. &bdquo;87 Prozent aller Bahnsteige in Deutschland sind bereits stufenfrei über Gehwege, höhengleiche Gleisübergänge, lange Rampen oder Aufzüge zugänglich. Damit gelangen mehr als 90 Prozent unserer Reisenden stufenlos an den Bahnsteig“, erklärt der Bahnsprecher. Pro Jahr baue die Deutsche Bahn rund 100 Bahnhöfe barrierefrei um, in Bahnsteigen gerechnet sogar bis zu 150. Aber was ist mit Fahrradschienen oder ähnlichen Konstruktionen im Bereich der Treppen? Darin sieht die Bahn eine zu hohe Unfallgefahr und schließt sie generell aus: &bdquo;Da oftmals Fahrräder mit Gepäcktaschen und schwere E-Bikes genutzt werden, besteht hier eine Sturzgefahr. Die Sicherheit aller Reisenden muss hier gewährleistet sein“, sagt der Bahnsprecher. Verletzungsgefahr bestehe aber auch, wenn man stattdessen versuche, in aller Eile die Fahrräder die Treppe runterzutragen, meint Karl Heinz Niehus. Er hat das getan – in der Panik den Zug für die gebuchte Reise nicht zu bekommen. Die Folge seien tagelange Rückenschmerzen im Urlaub gewesen. Wenig Platz für Fahrräder Die Frage warum die Gleiswechsel nur so kurzfristig angekündigt werden – der NW ist von mehreren ähnlichen Situationen berichtet worden – hat die Deutsche Bahn jedoch nicht beantwortet. Stattdessen betont der Sprecher die Umweltfreundlichkeit der Kombination Rad und Bahn: &bdquo;Die DB unterstützt das klimaschonende Zusammenspiel der beiden Verkehrsmittel, wo es nur geht, und macht die Bahn als klimafreundlichen Mobilitätsträger noch attraktiver, zum Beispiel auch durch Fahrradabstellplätze an Bahnhöfen.“ Die Realität sieht aus Sicht der Radfahrer aber anders aus. &bdquo;Wir haben immer wieder Probleme“, berichtet Hofemann. Der ADFC Löhne organisiert regelmäßig Radtouren, immer wieder starten diese auch an anderen Orten als der Werrestadt. Gerne würde man da öfter kollektiv mit der Bahn anreisen. Aber: &bdquo;Die Unterbringung der Fahrräder in den Zügen ist schwierig. Selbst wenn wir uns auf mehrere Züge aufteilen, funktioniert das nicht wirklich gut.“ Und das ist im Nahbereich. In IC und ICE sei die Anzahl der Fahrradstellplätze noch stärker begrenzt. Karl Heinz Niehus, der seit Jahren mit Rad und Bahn in den Urlaub fährt, berichtet von einem hohen Buchungsaufwand, der möglichst schon in den ersten Stunden der Bekanntgabe des Fahrplans getätigt werden muss. Wer zu naiv da herangehe, bekomme gar keinen Platz mehr. &bdquo;Dann klemmen sich die Radurlauber eben lieber die Räder aufs Auto drauf“, meint Niehus. Neuer ICE mit Fahrradstellplätzen Bei der Gestaltung der Züge gehe die Bahn auch auf die Bedürfnisse der Radfahrer ein, meint hingegen der Sprecher. Niveaugleiche Einstiege kämen neben Reisenden im Rollstuhl auch vielen anderen Fahrgästen zugute – zum Beispiel mit schweren Koffern, Kinderwagen oder Fahrrädern. Das machten unter anderem die neuen ICE L möglich, die ab 2025 fahren. &bdquo;Durch seinen stufenlosen Zugang an allen Türen an Bahnsteigen mit einer Höhe von 76 Zentimetern können Reisende im Rollstuhl erstmals ohne fremde Hilfe in den ICE L ein- und aussteigen.“ Insgesamt gibt es im ICE L acht Fahrradstellplätze, berichtet der Bahnsprecher. Die gleiche Anzahl an Stellplätzen gibt es auch im ICE 4. &bdquo;Dadurch ist die Fahrradmitnahme auf vielen Verbindungen möglich, auf denen dies vorher aufgrund des Einsatzes anderer ICE-Baureihen nicht möglich war“, heißt es weiter. Aus Sicht von Hofemann und Niehus ist diese Anzahl an Fahrradplätzen immer noch verschwindet gering, das Aufhängen der Räder in den Vorrichtungen im ICE zudem ein echter Kraftakt, gerade mit E-Bikes. Anderswo, meint Niehus, laufe es besser. Zum Beispiel in Österreich. &bdquo;Die hatten da einen eigenen Fahrrad-Waggon“, erzählt er. Und hat denn die Reisegruppe ihren Zug noch bekommen? Ja, berichtet Niehus. Allerdings nicht, weil alle es noch rechtzeitig auf den anderen Bahnsteig schafften. Gerade hatten er und ein anderer Mitreisender ihre Räder zu Gleis 11 befördert, kam wieder eine Durchsage: Abfahrt auf Gleis 12. Also alles wieder zurück. Immerhin hatten es da die Mitreisenden mit E-Bikes noch nicht einmal in den Fahrstuhl geschafft. Ob die Rollstuhlfahrerin den Zug noch bekommen hat, ist jedoch unbekannt.

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