Heute entscheidet die Politik über die erste Fahrradstraße in Löhne

Löhne. Bekommt die Werrestadt ihre erste Fahrradstraße, oder wird darauf verzichtet? Diese Entscheidung treffen die Löhner Ratspolitiker am Mittwoch, 9. Oktober. Konkret geht es dabei um die Hochstraße in Gohfeld, wo Radfahrern nach bisherigen Planungen künftig ein weitgehendes Vorrecht eingeräumt werden soll. Seit das Vorhaben auf der politischen Agenda gelandet ist, spaltet es die Lager - sowohl unter den Politikern als auch unter den Bürgern. Vor dem finalen Votum hat sich die NW die wichtigsten Argumente von Kritikern und Befürwortern noch einmal genauer angesehen. Was bedeutet eigentlich &bdquo;Fahrradstraße“? Fahrradstraßen sind grundsätzlich dem Radverkehr vorbehalten, Autos oder Motorräder können aber unter Umständen geduldet werden. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 30 km/h. Ansonsten gestalten sich die Ausführungen zu Fahrradstraßen überschaubar. In der Folge haben viele Kommunen bei der Einrichtung eine eigene Optik entwickelt, andere lediglich ein Fahrradstraßen-Schild aufgestellt. Gemeinsam ist allen Lösungen aber, dass auf den betroffenen Straßen ein Vorrecht für Radfahrer herrscht und ihnen das Vorankommen so angenehm wie möglich gemacht wird: So dürfen sie etwa nebeneinander fahren, Pkw dürfen auf der Fahrbahn nicht halten, die Straße muss eine Mindestbreite von 4,50 Metern aufweisen. Auch dürfen Zweiräder nicht überholt werden. Was genau ist in Löhne geplant? In der Werrestadt haben sich Verwaltung und Politik im Februar 2023 auf die Erstellung eines Fahrradstraßenkonzepts geeinigt. In einem ersten Schritt wurden dabei mehrere Straßen im Stadtgebiet auf ihre Tauglichkeit überprüft, im besten Fall sollen diese nach und nach zu Fahrradstraßen gemacht werden. Die Hochstraße in Gohfeld wurde allerdings als Modellprojekt auserkoren, das schon vorab realisiert werden soll. Dort sollen nicht nur Schilder aufgestellt und ein Halteverbot eingeführt werden - auch die Senkrechtparkstände sollen entfernt werden, um gefährliche Situationen beim Ausparken zu vermeiden. Zudem ist vorgesehen, die Hochstraße zugunsten der Radfahrer zur Vorfahrtstraße zu machen und die Kreuzungsbereiche rot zu markieren. An manchen Stellen muss darüber hinaus die Fahrbahn verbreitert werden. Überlegt wird derzeit noch, ob auch der südliche Fortsatz der Wibbeltstraße in die Planung einbezogen wird. Warum muss gleich die größte Lösung her? Die Entscheidung ist den Beteiligten alles andere als leicht gefallen. Ursprünglich hatten sowohl die Mitglieder von Radverkehrsbeirat und Planungsausschuss als auch die Verwaltung eine einfache Lösung bevorzugt. Das Minimum aber, nämlich die Kennzeichnung durch neue Schilder und die Ausweisung eines Halteverbots, hätte den rechtlichen Bestimmungen offenbar nicht genügt. Denn die Hochstraße hält aus Sicht der Bezirksregierung Detmold zu viele Risiken für Radfahrer bereit, sodass sich &bdquo;keine wesentliche Verbesserung für den Radverkehr“ ergebe. Zwar könnte eine abgespeckte Variante umgesetzt werden. Dann aber gäbe es kein Geld vom Land - und der ohnehin marode städtische Haushalt würde noch stärker belastet. Was kostet das Ganze - und wer bezahlt es? So absurd es klingen mag: Die aufwendigste Lösung ist für die Stadtkasse tatsächlich auch fast die günstigste. Zwar stehen unterm Strich Kosten in Höhe von rund 545.000 Euro. Die Stadt selbst müsste aber nur 32.000 Euro übernehmen - und damit gerade einmal 1.000 Euro mehr als bei der einfachsten Variante. Bei einer Verlängerung in die Wibbeltstraße wird mit Kosten von 965.000 Euro und einem städtischen Eigenanteil von 47.000 Euro gerechnet. Den Rest übernimmt das Land NRW mit Mitteln aus der &bdquo;Förderrichtlinie Nahmobilität“. Kritiker verweisen zu Recht darauf, dass es sich auch bei diesen Mitteln um Steuergelder handelt. Allerdings sind sie zweckgebunden. Heißt: Auch wenn sie nicht in Anspruch genommen werden, kann das Land sie nicht einfach an anderer Stelle einsetzen. Unklar ist allerdings, ob der städtische Haushalt den Umbau der Hochstraße wirklich stemmen kann. Möglicherweise müsste die Stadt nämlich in Vorleistung treten. Zudem betonte Löhnes Baudezernent Ulrich Niemeyer zuletzt mehrfach, dass es in Zukunft keine so hohe Förderung mehr geben werde. Künftige Fahrradstraßen könnten entsprechend lange auf sich warten lassen oder deutlich rudimentärer gestaltet werden. Welche Intention steckt wirklich hinter dem Plan? Die Idee, Fahrradstraßen auch in Löhne auszuweisen, ist noch verhältnismäßig jung. Erstmals formuliert wurde sie von Kurt Begemann, als dieser im Juni 2020 dem Planungs- und Umweltausschuss die Arbeit seines &bdquo;Fördervereins Radverkehr“ erläuterte. Damals warb er dafür, &bdquo;die Priorisierung des Autoverkehrs einzuschränken und dem Radverkehr genug Fläche einzuräumen“, insbesondere durch Parallelrouten und Fahrradstraßen. Dem folgte die Politik drei Jahre später schließlich einstimmig mit der Erstellung eines Fahrradstraßenkonzepts. Dessen Ziel ist laut Beschluss, dem Radverkehr &bdquo;in Anbetracht der Verkehrswende mehr Platz einzuräumen“. Kritiker wie LBA-Chef Hermann Ottensmeier monieren hingegen, Fahrradstraßen würden zu dem Zweck eingesetzt, die Nutzung von Autos zu erschweren oder gänzlich zu &bdquo;vergrämen“. Allerdings hatten Verwaltung und Politik schon beim Beschluss betont, dass Autoverkehr auf Löhner Fahrradstraßen - wenn auch in begrenzter Form - erlaubt wird. Lediglich die &bdquo;Attraktivität der Fortbewegung mit dem Rad“ solle erhöht werden. Ist die Einrichtung einer Fahrradstraße ökologisch sinnvoll? Umweltschützer und Klimaexperten betonen schon seit Jahren die Notwendigkeit einer Verkehrswende und sehen eine Stärkung des Radverkehrs in diesem Zusammenhang als unumgänglich an. Laut einer Studie des Fraunhofer Instituts könnten verbesserte Bedingungen den Radverkehr bis 2035 verdreifachen, 19 Millionen Tonnen CO2 könnten dann pro Jahr im Verkehrssektor eingespart werden. Das Deutsche Institut für Urbanistik kommt in diesem Zusammenhang zu dem Schluss, dass Fahrradstraßen &bdquo;sichere, schnelle, gesundheitsfördernde und zugleich umweltfreundliche Mobilitätsangebote“ darstellen. Lesen Sie auch: 90 Parkplätze weniger für erste Löhner Fahrradstraße Allerdings gehen diese Ansichten auch von der Annahme aus, dass Fahrradstraßen in &bdquo;durchgängige Radverkehrsnetze“ eingegliedert sind, was in Löhne zumindest aktuell noch nicht der Fall ist. Kritiker fürchten zudem, dass sich der motorisierte Verkehr lediglich auf andere Straßen verlagert und dadurch zum Teil weitere Umwege in Kauf genommen werden. Im Ergebnis führe das sogar zu einem höheren CO2-Ausstoß. Ähnliches gilt für einen Umstand an der Hochstraße in Löhne: Weil dort durch den Umbau zur Fahrradstraße 87 von derzeit 156 Parkplätzen wegfallen würden, müssten laut Löhner Bürger-Allianz etliche Pkw-Fahrer ihr Auto künftig in Nebenstraßen abstellen. Weil die aber schon jetzt stark frequentiert sind, könnte sich die Parkplatzsuche ebenfalls negativ auf die CO2-Bilanz auswirken. Ist die Hochstraße für ein solches Vorhaben überhaupt geeignet? Fragt man den Löhner Mobilitätsmanager Mats Ottemeier, dann lautet die Antwort: Ja. Zum einen, weil die Hochstraße schon jetzt als Parallelroute zur Weihestraße ausgewiesen ist. Zum anderen, weil sie an die Goethestraße angrenzt und somit in unmittelbarer Nähe mehrerer Schulen und Kitas liegt. Darüber hinaus sei die Fahrbahn in einem guten Zustand. Insbesondere letzterer Punkt aber ruft auch Kritiker auf den Plan. Dass nämlich ausgerechnet eine Straße, die im Vergleich zu anderen Wegen der Werrestadt nur wenige Schäden aufweist, nun aufwendig umgebaut werden soll, halten viele NW-Leser für eine falsche Setzung von Prioritäten. Zündstoff birgt zudem eine Passage in der allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (VwV-StVO), nach der Fahrradstraßen nur dann ausgewiesen werden dürfen, &bdquo;wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies alsbald zu erwarten ist.“ Manche Kritiker bezweifeln, dass die Hochstraße künftig stärker von Radfahrern frequentiert wird als jetzt. Während die Politik eine Verkehrszählung im Vorfeld mehrheitlich abgelehnt hat, verweisen Radfahrexperten vom ADFC auf die Neugestaltung: Erst wenn sich Radfahrer auf einer Straße sicher fühlen, so der Tenor, würden sie sie auch häufiger nutzen. Wie stehen die Entscheidungsträger zu dem Vorhaben? Noch im Juni stimmten fast alle Parteien und auch die Vertreter von ADFC und Förderverein Radverkehr für den Umbau der Hochstraße zur Fahrradstraße. Mittlerweile aber hat sich die Haltung mancher Fraktionen gewandelt: Die CDU forderte zuletzt etwa, das Projekt angesichts der Haushaltslage mit einem Defizit von fast 20 Millionen Euro vorerst auf Eis zu legen. Auch Bündnis 90/Die Grünen schlossen sich diesem Vorschlag an. Am Fahrradstraßenkonzept aber wollen beide festhalten. Ebenso wie Die Linke und die SPD, die zudem beide gerne die Chance nutzen und die Umsetzung von Löhnes erster Fahrradstraße forcieren wollen. Die Löhner Bürger-Allianz (LBA) hingegen hat sich schon früh gegen das Projekt positioniert. Offen ist, wie sich FDP-Einzelkämpfer Uwe Neuhaus bei der Abstimmung verhält. Lesen Sie auch: Verflixt und zugeparkt: Verteilungskampf um Löhnes Straßen geht in die nächste Runde

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