Verfolgungsjagd durch die Spielstraße? Prozess um Löhner Raser nimmt erstaunlichen Verlauf

Löhne. Schrittgeschwindigkeit ist angesagt, wenn man in den Einkaufsteil der Lübbecker Straße einbiegt. Längst nicht alle Verkehrsteilnehmer halten sich daran. Im Mai vergangenen Jahres trieb es ein Autofahrer auf die Spitze: Nicht nur drückte er ordentlich aufs Tempo - er ignorierte auch sämtliche Anhaltesignale der Polizei. Dafür musste er sich jetzt vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen verantworten. Die Anklage gegen den 23-jährigen Löhner liest sich wie aus einem TV-Krimi. Von einem &bdquo;verbotenen Kraftfahrzeugrennen“ ist dort die Rede, von &bdquo;starker Beschleunigung“ und einem abschließenden Fluchtversuch zu Fuß. In der Verhandlung vorm Amtsgericht Bad Oeynhausen setzte Staatsanwalt Guido Hartmann noch einen drauf und sprach von einer &bdquo;Gefahr für Leib und Leben“, die vom Fahrer ausgegangen sei. Flucht vor der Polizei? Gemeint war ein Vorfall vom 18. Mai 2023. Damals soll der Angeklagte laut Bielefelder Staatsanwaltschaft zu nächtlicher Stunde mit seinem VW-Bulli in Löhne unterwegs gewesen sein. Als er sein Fahrzeug von der Bahnhofstraße in den verkehrsberuhigten Bereich der Lübbecker Straße lenkte, habe ihn eine Polizeistreife kontrollieren wollen. Anstatt aber auf die Aufforderung zu reagieren, soll er beschleunigt haben. Auch ein eingeschaltetes Blaulicht und das ertönende Martinshorn, so die Anklage, hätten ihn nicht zum Anhalten bewogen. Ein entgegen kommendes Auto habe ausweichen, die Polizisten ihr Gaspedal &bdquo;ganz durchtreten“ müssen, um dran zu bleiben. Am Ende der Straße sei der Mann schließlich in eine Hauseinfahrt abgebogen und zu Fuß geflohen, bis die Beamten ihn schließlich stellen konnten. &bdquo;Eine Kurzschlussreaktion“ Soweit die Vorwürfe gegen den Löhner. In der Verhandlung aber wurde dieses Bild in weiten Teilen relativiert. Dass er die Anhaltesignale der Polizei missachtete, räumte der Angeklagte zwar unumwunden ein. &bdquo;Das war eine Kurzschlussreaktion“, sagte er. &bdquo;Ich kann mir bis heute nicht erklären, woher das kam.“ Im Detail aber habe sich die Sache etwas anders zugetragen. Die &bdquo;überhöhte Geschwindigkeit“ etwa bezifferte der Löhner auf maximal 40 km/h, die zurück gelegte Strecke auf etwa 200 Meter. Ein anderes Fahrzeug sei lediglich aus einer Einfahrt gekommen, habe aber nicht ausweichen oder abbremsen müssen. &bdquo;Ich bin zu meiner Wohnadresse gefahren und dort ausgestiegen“, erklärte er zudem. Von einer &bdquo;Flucht zu Fuß“ könne daher keine Rede sein. Probleme mit dem Beweisstück Um diese Ausführungen zu belegen verwies sein Verteidiger auf ein Video. Dieses soll von einer Dashcam im Polizeiauto gefilmt worden sein und den Vorgang in voller Länge zeigen. Auch dem Gericht lagen mehrere Exemplare der Aufzeichnung vor. Als Beweisstück aber taugte das Video zunächst dennoch nicht: Es ließ sich auch nach mehreren Versuchen mit den gängigen Computerprogrammen nicht öffnen. Zum Problem wurde dieser Umstand, weil mit Ausnahme des Verteidigers bislang kein Prozessbeteiligter den Clip zu Gesicht bekommen hatte. Zwar beteuerte der Anwalt, dass das Video die Darstellungen seines Mandanten stützen würde. Bei Guido Hartmann aber kam er mit dieser Argumentation nicht weit: &bdquo;Dieser Behauptung können wir nicht einfach so Glauben schenken“, so der Staatsanwalt. Zeuge kann sich kaum erinnern Einer der beteiligten Polizisten sollte schließlich als Zeuge Licht ins Dunkel bringen, was aber nur bedingt gelang. Zwar bestätigte er die kurze Verfolgung des Löhners, die Missachtung der Haltesignale und eine Beschleunigung beider Fahrzeuge. Bei den Details aber musste er passen. Weder erinnerte er sich an ein entgegen kommendes Fahrzeug, noch habe er auf das gefahrene Tempo geachtet. &bdquo;Ich war nur Beifahrer und habe mich auf andere Dinge konzentriert“, erklärte er. Der Fahrer des Polizeiautos könne sicher mehr dazu erzählen, weile derzeit aber im Urlaub. Auch die Besonderheiten der Lübbecker Straße waren dem Polizisten nicht im Gedächtnis geblieben. Die aber könnten laut Verteidigung eine wichtige Rolle spielen - insbesondere eine Bremskuhle hinter der Kronprinzenbrücke, die Autofahrer zur Schrittgeschwindigkeit animieren soll. &bdquo;Da muss man auf jeden Fall abbremsen“, argumentierte der Angeklagte. Um anschließend zu ihm aufzuschließen, hätte die Polizei durchaus das Gaspedal durchdrücken müssen. &bdquo;Aber auf dem kurzen Stück kommt man dadurch nicht auf mehr als 40 km/h.“ Mildes Urteil Den Staatsanwalt aber konnte auch das nicht überzeugen. Weil er den verkehrsberuhigten Bereich der Lübbecker Straße ebenso wenig kennt, wie Richter David Cornelius, wurde die Verhandlung schließlich unterbrochen, um eine abspielbare Kopie des Videos zu beschaffen. Angaben zum tatsächlichen Inhalt des Clips macht das Gericht auf NW-Nachfrage nicht. Offenbar aber stützten die Bilder die Aussagen des Angeklagten zumindest weitgehend: Das Verfahren wurde gegen eine Zahlung in Höhe von 1.200 Euro vorläufig eingestellt.

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