Dreifache Weltmeisterin: Löhnerin an der Spitze im Blindentennis

Löhne. 2016 veranstaltet der deutsche Tennisbund erstmalig einen Workshop für Blindentennis. Zu diesem Zeitpunkt spielt Charlotte Schwagmeier seit zwölf Jahren Tennis. Mit vier Jahren hat sie beim Löhner TC erstmalig einen Tennisschläger in der Hand gehalten. Trotz einer Sehkraft von nur acht Prozent hat sie immer bei den Normalsehenden mitgespielt. Erst als ihre Mutter 2016 im Internet auf den Workshop für Blindentennis stieß, setzte sie sich mit der Möglichkeit auseinander, im Blindentennis anzutreten. Schon in jungem Alter machte sie mit ihrem Trainer Gehörtraining, um die Bälle anhand des Auftippens lokalisieren zu können. "Mein Trainer spielte Bälle und ich saß auf der Grundlinie und musste sagen, wie die Bälle gespielt waren", erzählt Schwagmeier. Bis heute spielt sie so in der Kreisliga im regulären Spielbetrieb. Zusätzlich zum "Normaltennis" ist sie seit 2016 im Blindentennis aktiv. Hier tritt sie in der Kategorie B3 an, für Menschen mit einer Sehbehinderung von bis zu acht Prozent - mit großem Erfolg. Bei den ersten Weltmeisterschaften 2017 holte sie auf Anhieb den Titel. 2018 musste sie wegen ihrer Abiturprüfungen passen, eroberte aber im Folgejahr den Weltmeister-Titel zurück. Bedingt durch die Corona-Pandemie fand bis 2023 keine Weltmeisterschaft mehr statt. In diesem Jahr verteidigte Schwagmeier in Polen ihren Titel. Zusätzlich konnte sie bei den erstmalig ausgerichteten World Games des internationalen Blindensportverbands (IBSA) in Birmingham die Goldmedaille im Einzel und die Bronzemedaille im Doppel holen. Einzige deutsche Vertreterin in ihrer Kategorie Nach vier Jahren war es für Schwagmeier vor den Turnieren schwer einzuschätzen, wie sich die Konkurrenz entwickelt hat. "Das Niveau ist stark gestiegen", berichtet sie im Nachgang, "in allen Kategorien gab es viel mehr Ballwechsel." Zwar sei das Niveau in den Männerkategorien stärker gestiegen als bei den Damen, aber auch dort gebe es inzwischen viel mehr jüngere Spielerinnen als früher. Insbesondere die Goldmedaille bei den World Games sei für sie etwas besonderes, sagt die Löhnerin. In ihrer Kategorie war sie die einzige deutsche Vertreterin in Birmingham. "Das Feeling war da schon anders." Viele Sportarten nutzten die IBSA World Games als paralympisches Qualifikationsturnier. Blindentennis ist derzeit jedoch noch keine paralympische Disziplin, da es nicht alle erforderlichen Kriterien erfüllt. Schwagmeier hofft, dass es bis zu den Spielen 2028 in Los Angeles paralympisch wird. "Es ist mein großes Ziel, eines Tages paralympisch zu spielen", erklärt sie. Keine Unterstützung durch Behindertensportverband Durch die fehlende Anerkennung von internationaler Seite, gebe es auch von dem deutschen Behindertensportverband keine Förderung für Spielerinnen und Spieler im Blindentennis, berichtet Schwagmeier. "Man kann sich selbst im Sponsoren kümmern, aber es gibt keine Unterstützung durch Verbände", sagt sie. Reisen zu den World Games in Großbritannien oder der Weltmeisterschaft in Polen müssen eigenständig organisiert werden. Auch über Tennis hinaus ist die 23-Jährige sportlich unterwegs. 2022 lief sie den Berlin-Marathon und derzeit macht sie an der Sporthochschule in Köln ihren Master im Fach Leistung, Training und Coaching im Spitzensport. Im Anschluss an ihr Studium möchte sie sich auf Sportpsychologie im Nachwuchs-Leistungssport fokussieren. Für ihren Sport wünscht sie sich, dass noch mehr Sehbehinderte Tennis ausprobieren und es für sich entdecken. Außerdem wünscht sie sich, dass Trainer sich darauf einlassen und die Sehbehinderten in ihren Normaltennis-Gruppen inkludieren. Für Schwagmeier haben beide Arten des Tennisspiels ihre Vorzüge. Sie mag es mit dem schnelleren regulären Tennisball zu spielen aber im Blindentennis kommen oft längere Ballwechsel zustande. Im Gegensatz zum Normaltennis darf der Ball bei Blindentennis je nach Kategorie zwei bis drei Mal auftippen, bevor er zurückgespielt werden muss. Löhner Trainer als Vorreiter im Blindentennis Löhne ist ein wichtiger Standort für das Blindentennis in Deutschland. Wöchentlich trifft sich eine Gruppe mit drei Spielern der Klasse B1 (weniger als ein Prozent Sehvermögen) in Löhne zum Training. Einer von ihnen ist Löhner, die anderen beiden kommen extra aus Hamburg angereist. Dies sei auch der Verdienst von Vereinstrainer Marc-René Walter. Dieser habe sich alle Trainingsmethoden selbst erarbeitet. "Ohne ihn würde ich kein Tennis spielen", sagt Schwagmeier. In der Regel trainiert Schwagmeier Normaltennis. Nur in Vorbereitung auf größere Turniere mache sie Einzeltraining mit dem speziellen Blindentennis-Ball. Dieser ist aus Schaumstoff und hat im Kern einen Tischtennisball, der mit Metallstäbchen gefüllt ist, die beim Auftippen rasseln. Dadurch kann der Ball von den Spielerinnen und Spielern leichter lokalisiert werden. Auch mit den Bällen trainiert Schwagmeier oft gegen ihre normalsehenden Mannschaftskolleginnen. "Die machen das auch immer ganz gerne", berichtet sie. Deutsche Meisterschaften in Löhne In Deutschland gibt es derzeit rund 60 Spielerinnen und Spieler in den verschiedenen Blindentennis-Kategorien. Die Anzahl der Spieler weltweit kann Schwagmeier nicht beziffern. Aber alleine in Großbritannien, wo schon seit 15 Jahren Blindentennis gespielt wird, gebe es hunderte Spielerinnen und Spielern. Dort gibt es eine nationale Turnierserie, zu der Schwagmeier auch eingeladen wurde. Allerdings konzentriert sie sich derzeit nur auf die deutschen nationalen Wettkämpfe sowie die World Games und die Weltmeisterschaft. Das nächste große Turnier wird in Löhne stattfinden. Am zweiten Adventswochenende finden die deutschen Meisterschaften in der Werrestadt statt. So funktioniert Blindentennis Beim Blindentennis gibt es vier verschiedene Spielklassen: B1: Für Spielerinnen und Spieler mit einer Sehkraft von unter einem Prozent. Um Vorteile zu verhindern, wird in dieser Kategorie mit Dunkelbrille gespielt. Der Ball darf bis zu drei Mal im Feld auftippen, bevor er zurückgespielt werden muss. B2: Für Spielerinnen und Spieler mit einer Sehkraft von unter fünf Prozent. Auch hier darf der Ball bis zu drei Mal im Feld auftippen, bevor er zurückgespielt werden muss. B3: Für Spielerinnen und Spieler mit einer Sehkraft zwischen fünf und acht Prozent. Der Ball darf zwei Mal auftippen, bevor er zurückgespielt werden muss. B4: Für Spielerinnen und Spieler mit einer Sehkraft von neun oder zehn Prozent. Der Ball darf nur ein Mal auftippen, bevor er zurückgespielt werden muss. Alle Klassen spielen mit einem Schaumstoffball, der einen mit Metallstäben gefüllten Plastikkern hat. Das Spielfeld ist kürzer als ein reguläres Tennisfeld, hat aber die gleiche Breite. Beim Doppel können die Klassen B2 bis B4 durchmischt spielen.

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