Warum eine Löhner Familie die neuen Betreuungsgebühren nicht gerecht findet

Löhne. 5.040 Euro. "Das ist ungefähr das Geld, dass wir für die Zahnspange unserer Ältesten ansparen wollten", sagt Florian Morris. Diesen Betrag müssen Florian und Désirée Morris ab 2024 zusätzlich alleine für die Betreuung der mittleren Tochter in der Offenen Ganztagsschule (OGS) in den nächsten zwei Jahren einplanen. Dazu kommen höhere Kita-Gebühren für den Jüngsten. Kinderbetreuung sei ohnehin schon schwierig für Eltern, die beide arbeiten. Nun fühlen sie sich als Doppelverdiener durch die kommende Änderung der Betreuungsgebühren zusätzlich benachteiligt. Und sie ärgern sich, dass sie darüber von der Stadt noch nicht direkt informiert wurden. Die Stadt Löhne will im Rahmen einer Satzungsänderung für die Betreuungssysteme auch die Gebühren anpassen. Die Einkommensstufen für die Eltern werden demnach gleichmäßiger und mehr, beginnend bei 30.000 Euro - ab dieser Grenze werden überhaupt Beiträge fällig - bis hin zur Kategorie über 100.000 Euro Bruttojahreseinkommen. Für fast alle Einkommensstufen bedeutet dies eine Gebührensenkung. Vor allem in der obersten Einkommensgruppe steigt der Beitrag jedoch. Außerdem fällt der Geschwisterbonus weg, der zuvor auch übergreifend für OGS und Kitas galt. Jetzt gilt er nur noch, wenn die Kinder im gleichen System betreut werden. Nachteil für kinderreiche Familien Dass der Geschwisterbonus wegfällt, treffe vor allem Familien mit vielen Kindern, meint Désirée Morris. Kinder sind ohnehin schon teuer. Sie habe den systemübergreifenden Geschwisterbonus in Löhne darum eigentlich als fortschrittlich empfunden, weil er Familien mit mehreren Kindern entlaste. "Eltern aus anderen Kommunen haben uns darum beneidet", berichtet sie. Und vom Wegfall der Regelung seien ja nicht nur sie betroffen. "Im vergangenen Jahr waren es 104 Kinder im OGS-Bereich, die wegen des systemübergreifenden Geschwisterbonus vom Beitrag befreit waren", berichtet Silke Blutte vom Amt für Kinder, Jugend und Familie, dort für den Bereich Kindertagesbetreuung verantwortlich. Kinderreiche Familien hätten aber noch weitere Begünstigungen. "Wir können aber nicht jede Ungerechtigkeit vermeiden." Rund 90 Prozent der Eltern lägen unterhalb der Einkommensgrenze von 80.000 Euro und würden somit von den geringeren Beiträgen profitieren. Über die Verteilung innerhalb der oberen Einkommensgrenzen gebe es keine Daten, da diese vorher so nicht existierten und diese Eltern ihr genaues Einkommen nicht nachweisen mussten. Familie Morris ist auch von den erhöhten Beiträgen betroffen. "Ja, wir verdienen mehr als 100.000 Euro, aber auch nur knapp. Und wir sind nicht reich", betont Florian Morris. Es sei in keinem Fall so, dass mehr als 5.000 Euro zusätzlich so einfach wegzustecken seien. Vor allem, da diese nun recht schnell und ungeplant auf die Familie zukommen. "Wir machen unsere Finanzplanung langfristig", sagt Désirée Morris. Schwierig für Berufstätige Wie schwierig es ohnehin schon für voll berufstätige Eltern mit dem aktuellen Betreuungssystem ist, berichtet auch eine mit der Familie Morris befreundete Mutter, die ihren Namen nicht nennen will. Sie arbeitet in einem Job mit festen Arbeitszeiten, die es ihr seit Jahren nicht möglich machen, ihre Kinder pünktlich vom Kindergarten oder der OGS abzuholen. Ihr Mann arbeite in Wechselschichten und habe ebenfalls kaum die Gelegenheit dazu. "Wenn meine Schwiegermutter nicht passend in Rente gegangen wäre, ginge das gar nicht." Sie selbst habe keine Nachteile durch die Gebührenänderung, sie verstehe aber nicht, warum diese nun notwendig sei. "Warum muss das sein, wenn es keine Auswirkungen auf den städtischen Haushalt hat? Warum wird nicht mit Menschen darüber gesprochen, die es betrifft?", fragt sie. Die Eltern ärgert besonders, dass sie über die geplanten Änderungen noch nicht direkt informiert wurden. "Der Rat beschließt am 8. November", erklärt Silke Blutte. "Dann können wir auch erst mit den Informationen an die Eltern gehen." Wenn im Rat doch noch anders entschieden werde, müsste hinterher wieder alles zurückgezogen werden. Eltern wollen mitreden und reagieren können Gerade das sehen Familie Morris und die befreundeten Eltern aber anders. "Wir werden dann ja nur noch vor vollendete Tatsachen gestellt", sagt Désirée Morris. Und: Sie könnten schon jetzt nicht mehr rechtzeitig reagieren und etwa die Stundenanzahl in der Kita verringern, weil dies schon im September angemeldet werden musste. Auch für die, die ihre Kinder neu anmelden, käme die Information dann zu spät. "Die Anmeldewochen sind doch schon im Oktober", meint die Mutter. Und mit Politikern in Kontakt treten über eine Regelung, die sie ganz und gar nicht als so sozial gerecht empfinden wie dargestellt, könnten sie eben im Zweifel auch nicht. "Wir haben keine Probleme damit, zum Beispiel Alleinerziehende zu unterstützen, indem wir höhere Beiträge bezahlen", betont Florian Morris. Er würde sich nur wünschen, dass hier weitere Aspekte in Betracht gezogen werden - etwa die Anzahl der Kinder, laufende Kredite, zu pflegende Angehörige. Um den zusätzlichen Ausgaben entgegenzuwirken, hätte sie also noch die Wahl, ihre Stunden weiter zu reduzieren, um entweder eine Einkommensstufe nach unten zu rutschen. "Das hat dann zur Folge, dass sich meine Rente weiter verringert und ich beruflich nicht weiterkomme." Désirée und Florian Morris sehen darum in der Struktur der Betreuungsgebühren eine Bevorzugung des traditionellen Hauptverdiener-Modells, das nur allzu oft bedeute, dass die Frau auf die Karriere verzichtet. Ihren Kindern wollten sie aber etwas anderes vorleben. Frauen und Kinder zuerst benachteiligt Wenn es darum gehe, Kinder großzuziehen, gingen die Lücken im System allzu oft auf Kosten der Mütter. Diese Problematik sieht auch Monika Lüpke, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Löhne und Sprecherin des kreisweiten Netzwerks Frauen und Arbeitspolitik. Es gebe viele Aspekte, die hier eine Rolle spielen. Neben gesellschaftlichen Einflüssen sei die Kinderbetreuung hier einer der wichtigen Faktoren. "Wenn Betreuungszeiten eingeschränkt werden oder etwas teurer wird, sind es in der Regel die Mütter und Frauen, die dann zurückstecken", sagt sie. Und: "Eigentlich muss die Betreuung umsonst sein." Dass das wünschenswert wäre, sagt auch Silke Blutte. Das ist allerdings etwas, das die Stadt Löhne nicht selbst entscheiden kann. Die Kommune muss sicherstellen, dass die Kinderbetreuung finanziert wird. "Hier wären Bund und Länder am Zug."

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