Verpasste Erfahrungen: Wie Jugendliche die Pandemie erleben

Löhne. Sich das erste Mal so richtig verlieben, der erste Discobesuch, ständig auf Achse sein, abends zu lange wegbleiben, sich ausprobieren, Grenzen austesten - was für Jugendliche eigentlich dazugehört, war in den vergangenen zwei Jahren nur eingeschränkt, zeitweise gar nicht möglich. Während für die meisten Erwachsenen zwei eingeschränkte Jahre nervig und ärgerlich sind, ist das für junge Menschen eine prägende Zeit, die sie kaum nachholen können. Nun gibt es unterschiedliche Studien, die belegen, wie belastend das für Jugendliche war, dass psychische Erkrankungen zunehmen, mehr Zeit vor dem Bildschirm verbracht wird und mehr. Aber was sagen die Jugendlichen selbst dazu? "Ich kann mich schon gar nicht mehr erinnern, wie es ist, irgendwo ohne Maske hinzugehen", sagt Sahel. Im Hintergrund läuft laute Musik im Löhner Jugendzentrum Riff. Überall stehen Grüppchen zusammen, einige Jugendliche spielen Darts, zwischen draußen und drinnen herrscht reges Kommen und Gehen. Der 14-Jährige zieht die Maske wieder höher über die Nase. "Wann hört's auf?"Nach zwei Jahren, das erzählen er und einige andere, die zum offenen Abend im Riff gekommen sind, haben sie keine Lust mehr, dass sie mit so vielen Einschränkungen leben müssen. "Für uns - gerade die unter 18-Jährigen - ist das schon so. Wir sind die Gruppe mit dem geringsten Risiko", meint Lennard (18).Zwischen Impfdruck und fehlenden Chancen Es nervt, ständig den Schülerausweis oder einen Test nachweisen zu müssen, berichten auch drei Mädels. "Ich bin nicht geimpft und komme nirgendwo rein. Ich fühle mich schon so, dass mir meine Freiheit ein bisschen genommen wurde", sagt eine 16-Jährige. Sie wolle endlich mal feiern gehen. "In eine Disco reinzugucken, das war ein Plan, den ich bis jetzt nicht erfüllen konnte." In Sachen Impfung, das berichten an diesem Abend sehr viele, fühlen sie sich durch das gesellschaftliche Klima unter Druck gesetzt. Das bestätigt auch Riff-Leiter Tim Teilkemeier. "Wir hatten hier schon alle Varianten. Welche, die sich impfen lassen wollen, aber die Eltern wollen nicht und solche, die es nicht wollen, wo aber die Eltern das gerne hätten." Die Jugendlichen im Riff berichten auch von verpassten Chancen. "Ich hätte in der zehnten Klasse ein Praktikum machen sollen. Ich habe aber keinen Praktikumsplatz gefunden. Ich habe die Zeit dann in der Schule verbracht", sagt eines der drei Mädchen. Sie denke, dass ihr dadurch einiges fehlt, dass sie Erfahrungen nicht machen konnte, die sie eigentlich gebraucht hätte. "Eine Scheiß-Situation zum Erwachsenwerden" Auch die Zeiten mit Homeschooling und Wechselunterricht hängen noch nach. "Am schlimmsten war, als sie die Klassen gesplittet haben", sagt Sahel. Viele Freunde seien in der anderen Hälfte gelandet und zumindest in der Schule habe er sie nicht mehr gesehen. Statt rauszugehen, habe er vor allem in der Anfangszeit viel mehr Zeit am Handy und Computer verbracht. Im Distanzunterricht sei das Internet oft zu schlecht gewesen, sagt ein anderer Junge aus der Gruppe. Ein weiterer berichtet von Schwierigkeiten, die Aufgaben zu machen. "Wir hatten keinen Drucker zuhause." Es sei aber auch viel einfacher gewesen, zu schwänzen. "Ipad aufstellen, Kamera ausschalten, zocken gehen", sagt einer der Jungs. Alles zusammen habe die Noten nicht gerade verbessert. Serien gucken und Games zocken habe ihnen auch als Ablenkung gedient, gerade in den harten Lockdown-Zeiten. "Wir konnten uns ja nicht mehr so oft mit Freunden treffen", sagt ein 13-Jähriger. Die Älteren haben sich aber auch einfach mal darüber hinweg gesetzt. Klar, gab es illegale Corona-Parties, sagt einer der Älteren unumwunden. Mehr getrunken habe er seitdem auch. "Die Corona-Pandemie hat definitiv meinen Alkoholkonsum gefördert." "Natürlich haben die sich immer auch Möglichkeiten gesucht, sich zu treffen und das auszuleben", sagt Riff-Leiter Teilkemeier. Gleichzeitig ist das, was für Generationen von Jugendlichen selbstverständlich war, etwa in die Disco zu gehen, auf einmal eine Besonderheit. "Es ist eine Scheiß-Situation zum Erwachsenwerden." Ein vorsichtig positiver Blick nach vorne Das Riff, einer der wenigen Treffpunkte, den die Löhner Jugendlichen haben, habe mit den Corona-Regeln zwischendurch arg zu kämpfen gehabt. Am absurdesten sei die Situation gewesen, als der Inzidenz-Grenzwert von 50 eingeführt wurde. Das Jugendzentrum hatte gerade wieder aufgemacht und der Kreis Herford war über dem Grenzwert. "Da mussten wir für einen Tag zu machen", sagt Teilkemeier.Gar nicht so einfach, das den Kindern und Jugendlichen dann zu erklären. "Wir sind da ganz offen und sagen, dass es gerade eben nicht anders geht." Dass das Bedürfnis nach einem Treffpunkt hoch ist, habe das Team im Riff ganz klar gemerkt, als die Kontakte für die Nachverfolgung festgehalten wurden. "Da hatten wir hier teilweise an einem Abend bis zu 300 unterschiedliche Jugendliche." Auch an diesem Abend sind wieder viele gekommen. Sie nutzen die Zeit und die Möglichkeiten, die sie im Riff haben. Aus den Lautsprechern dröhnt weiter laut Musik und die meisten schauen vorsichtig positiv nach vorne - auf die zunehmenden Lockerungen. "Der Go Parc macht wieder auf", sagt Lennard. Das freut auch die 16-Jährige, die so gerne endlich mal in die Disco wollte. Und noch etwas habe sie sich vorgenommen: "Dann kann ich mal wieder ins Geschäft und shoppen gehen."

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