Nachbarschaftsstreit tobt im Hintergrund: Indizien überführen Angreifer

Löhne. Der Hausbesitzer wollte sich gerade nach einer umgekippten Mülltonne bücken, als der maskierte Angreifer mit einem Holzknüppel aus der Tannenschonung sprang. Die Szene klingt wie der Anfang einer unglaublichen Räuberpistole, ist nach Überzeugung des Amtsgerichts Bad Oeynhausen aber genau so geschehen. Der Anwohner wurde von einem Schlag in die Nierengegend getroffen, konnte sich berappeln und stürzte sich zur Verteidigung auf den Angreifer. Im anschließenden Handgemenge will das Opfer dann den Täter erkannt haben, weil dem die Sturmhaube verrutschte: als Angestellten seines Nachbarn. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat einen 32-jährigen Tatverdächtigen aus Kirchlengern deshalb wegen gefährlicher Körperverletzung angeklagt. Die Polizei hat den Mann eine Stunde nach der Tat nicht etwa an dessen Wohnung, sondern vor der Sparkasse in Kirchlengern festgenommen. Der Weg dorthin ist vom Tatort in dieser Zeit auch zu Fuß machbar. Der Angeklagte bestreitet jedoch mit der Sache etwas zu tun zu haben. In der Fortsetzung des Strafprozesses sagten am Dienstag die Polizisten aus, die in Löhne-Obernbeck vor Ort waren und die Aussage des Opfers aufgenommen haben. Nichts gestohlen Bei dem merkwürdigen Überfall wurde nichts gestohlen. Im Hintergrund schwelt allerdings ein Nachbarschaftsstreit zwischen dem Hausbesitzer und dem Arbeitgeber des Angeklagten. Der Hinweis auf den Tatverdächtigen kam vom Geschädigten selbst. Das Opfer ist damit zugleich der wichtigste Zeuge im Gerichtsprozess. Nach Auskunft der Polizisten will das Opfer den Täter am Gang, Körperbau und an den Augen erkannt haben. Beide Beamte können sich nicht mehr daran erinnern, ob der Hausbesitzer ihnen von einer verrutschten Sturmhaube erzählt hat. Auch die Täterbeschreibung passte nicht zum Tatverdächtigen. Die Polizisten fahndeten nach einem komplett in Schwarz gekleideten Mann. Der Angeklagte trug aber eine beigefarbene Arbeitshose, als die Polizei ihn festnahm. Der Verteidiger des Angeklagten hebt diese Widersprüche hervor. Angesichts dieser Zweifel fordert er Freispruch für seinen Mandanten. "Das ganze ist inszeniert", sagte der Verteidiger. Das Opfer instrumentalisiere das Gericht, um indirekt Druck auf seinen Nachbarn auszuüben. "Die beiden haben nix miteinander" Die Staatsanwältin fand die Zeugenaussage des Geschädigten trotzdem glaubwürdig, der Überfall habe unzweifelhaft so stattgefunden. Der Hausbesitzer habe glaubwürdig dargelegt, dass er den Angreifer beim Namen gerufen habe, worauf der fluchtartig auf das Grundstück seines Nachbarn gelaufen sei. Das Opfer habe zudem einen zweiten Angreifer wahrgenommen, aber nicht erkannt. Auch das habe er offen und glaubwürdig erklärt. Damit habe der Zeuge "keine überschießende Belastungstendenz" erkennen lassen. Auch wenn im Hintergrund ein Nachbarschaftsstreit tobt, sei das Verhältnis zwischen Opfer und Angeklagtem davon nicht betroffen. "Die beiden haben nix miteinander", so die Staatsanwältin. "Warum sollte der Hausbesitzer den Angeklagten falsch belasten?" Das Gericht folgte dieser Argumentation und verurteilte den Angeklagten zu zehn Monaten Haft, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt werden. Der Angeklagte muss außerdem 1.200 Euro Geldauflage zahlen und die Gerichtskosten des Opfers übernehmen. Der Geschädigte, so der Richter, habe "schlüssig und plausibel" dargelegt, wer ihn überfallen habe. Für eine Inszenierung gebe es keine Anhaltspunkte. Die Unstimmigkeit mit der verrutschten Sturmhaube sei erklärbar. Der Zeuge habe vor Gericht zum ersten Mal die Tat zusammenhängend schildern können. Der Angeklagte habe zudem "kein Alibi" für die Tatzeit. Der Richter wertete den Angriff als "hinterlistigen Überfall mit gefährlicher Körperverletzung", weil der Angeklagte keine Vorstrafen habe, setzte er die Strafe zur Bewährung aus.

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