Kommen die Kameras? Hohe Hürden für Videoüberwachung

Löhne. Die Sitten sind rauher geworden. Und das nicht erst durch die Corona-Pandemie. Immer häufiger klagen Löhner über eine gefühlte Zunahme verschiedener Delikte: Vandalismus, öffentlicher Drogenkonsum, auch Lärmbelästigung und Fahrraddiebstähle sind immer wieder Thema. Längst hat die Stadt daher aufgerüstet, die Zahl der Ordnungsamts-Mitarbeiter im Außendienst verdoppelt. Jetzt aber wird auch der Ruf nach Videoüberwachung lauter - trotz Bedenken aus Datenschützerkreisen und hohen rechtlichen Hürden. Stein des Anstoßes ist der Fahrradständer am Löhner Freibad, der seine besten Zeiten lange hinter sich hat. Trostlos, kaputt, fast schon erbärmlich vegetiert er vor sich hin und zieht in den Sommermonaten immer wieder Fahrraddiebe an. Ein Schicksal, das seinem "Nachfolger" nach Möglichkeit erspart bleiben soll. Dass eine neue Abstellanlage kommen soll ist längst beschlossene Sache, bei der Frage nach der Sicherheit aber gehen die Meinungen auseinander. Der Vorschlag kam von der SPD Schon Mai, als die Anschaffung eines neuen und zeitgemäßeren Ständers beschlossen wurde, hatte die SPD-Fraktion im Haupt- und Finanzausschuss auf die Installation einer Videokamera gepocht, um der Diebstahlgefahr von Fahrrädern entgegen zu wirken. Zustimmung ernteten die Sozialdemokraten seinerzeit von Vertretern fast aller Parteien. Nur die Verwaltung hielt sich bedeckt, da eine Videoüberwachung rechtlichen Voraussetzungen unterliege und entsprechend geprüft werden müsse. Das ist mittlerweile geschehen. Am Mittwochabend stellte Aleksej Unruh vom Kommunalen Rechenzentrum (KRZ) aus Lemgo dem Haupt- und Finanzausschuss die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Vorhaben vor - und machte den Beteiligten wenig Hoffnung auf eine Umsetzung. Denn von den drei Grundvoraussetzungen für eine Videoüberwachung - die Wahrnehmung des Hausrechts, der Schutz von Leben, Gesundheit oder Eigentum sowie die Kontrolle von Zugangsberechtigungen - komme im Löhner Fall nur eine zum Tragen. "Das Hausrecht", so Unruh, "wäre hier die einzige Rechtsgrundlage für eine Videoüberwachung." Damit bezog sich Unruh auf die von der SPD ins Spiel gebrachte Intention, Fahrraddiebstähle zu vermeiden. Die nämlich, so der Experte, beziehen sich nicht auf Löhner Eigentum, sondern auf den Besitz vieler, die bei einer Überwachung zwangsläufig involviert wären. Das aber sei aus Datenschutzgründen schwierig, so dass der "Schutz des Eigentums" an dieser Stelle nicht ziehe. Gleiches gelte für den Punkt der Zugangsberechtigung, da ein öffentlicher Fahrradständer niemanden von der Nutzung ausschließen könne. Kameras as letztes Mittel Doch auch beim Hausrecht sei eine Videoüberwachung nicht ohne weiteres durchführbar, so Unruh. Die nämlich sei lediglich das letzte Mittel: "Eine Kamera muss immer unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit betrachtet werden. Und wenn es andere Mittel gibt, Diebstähle zu verhindern, dann ist die Kamera an dieser Stelle nicht unbedingt erforderlich." Als Beispiele nannte er etwa eine mögliche Umzäunung, einen Wachschutz oder auch eine alternative Positionierung des zu überwachenden Objekts. Insgesamt aber müsse man sich ohnehin im Klaren darüber sein, dass eine Videoüberwachung immer auch einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht bedeute. Und letzteres müsse hoch bewertet werden: "Das macht die Abwägung zwischen den einzelnen Interessen auch so schwierig und darum gibt es diese engen rechtlichen Grenzen." Ein Argument, dass insbesondere bei den bürgerlichen Fraktionen auf Widerspruch stieß. "Unterm Strich bedeutet das, dass wir den Täter besser schützen als das Opfer", machte etwa Horst-Martin Büttner (CDU) seinem Unmut Luft. "Da geht mir glatt die Hutschnur hoch." Auch LBA-Chef Hermann Ottensmeier meinte zu erkennen, dass "der Opferschutz bei manchen Dingen offenbar nicht so wichtig bewertet werde." Aleksej Unruh hingegen warb dafür, den Blick über die Opfer- und Täterrolle hinaus gehen zu lassen: "Überwacht werden ja nicht nur diese beiden, sondern alle Nutzer und damit auch Personen, die mit einem Diebstahl gar nichts zu tun haben." Auch diese Menschen hätten Persönlichkeitsrechte. "Und bei einem Freibad sprechen wir ja auch von Minderjährigen, möglicherweise auch von leicht bekleideten." Zwei Alternativen werden ins Spiel gebracht Burkhard Schröder (SPD) konnten diese indes Ausführungen nicht befriedigen. Als Vorsitzender des SC Aquarius, der das Löhner Freibad betreibt, beobachtet er das Treiben rund um die Badeanstalt schon lange, kann von beschmierten Wänden, abgeladenem Müll oder Sachbeschädigungen berichten. "Dass wir einen neuen Fahrradständer aufstellen hat ja gerade darin seinen Grund", sagte er. Zudem habe er mit Kameras gute Erfahrungen gemacht: "Seit wir im Bad die Spinde überwachen gab es in zwölf Jahren nur noch einen Aufbruch. Vorher war das fast täglich der Fall." Ob das an anderen Stellen ebenso funktioniert stellte Aleksej Unruh allerdings in Frage. Die Erfahrung habe gezeigt, dass Täter auf eine Überwachungslage reagieren würden - etwa mit Vermummung oder einer Verlagerung der Aktivitäten an andere Schwerpunkte. Als Beispiel nannte er Müllablagerungen rund um Container, die auch in Löhne immer wieder auftauchen. "In manchen Städten, wo diese Stellen überwacht wurden, wurde der Müll in der Folge über die ganze Stadt verteilt, statt an einem zentralen Ort." Da müsse man überlegen, ob das gewollt sei, so Unruh. "Ein Allheilmittel ist die Videoüberwachung jedenfalls nicht." "Hausrecht beim Pächter" Das sah am Ende auch Bürgermeister Bernd Poggemöller so. Würde man die rechtlichen Grundlagen zurate ziehen, dann gäbe es in Löhne noch deutlich mehr Stellen, auf die diese angewandt werden müssten. Und: "Wir können nicht alle Nutzer unter Generalverdacht stellen." Ganz vom Tisch aber dürfte die Maßnahme dennoch nicht sein. Um sowohl den Opfern von Diebstählen, als auch den Persönlichkeitsrechten gerecht zu werden, brachte der Ausschuss die Möglichkeit einer zusätzlichen unüberwachten Abstellfläche ins Spiel. "Wer nicht gefilmt werden möchte, hat dann eine Alternative und muss gegebenenfalls mit den Konsequenzen leben", sagte etwa Hermann Ottensmeier. Zustimmung erhielt er unter anderem von Egon Schewe (SPD). Sein Parteifreund Oliver Kleimeier schlug hingegen vor, das Gelände an den SC Aquarius zu verpachten, um einige rechtliche Hürden zur Überwachung zu umgehen. Dann aber so Unruh, wäre auch die Stadt ganz aus dem Spiel. "Das Hausrecht würde dann beim Pächter liegen."

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