Das Ende des Kaiser Centers: Chronik eines Niedergangs

Löhne. Das Kaiser Center wird 1993 eröffnet. Auf 20.000 Quadratmeter umbauter Fläche werden Tennis, Squash, Badminton, ein Fitnessstudio, eine Saunalandschaft und eine Gastronomie geboten. Das vielfältige und vor allem wetterunabhängige Angebot an nur einem Ort ist zu dieser Zeit fast einzigartig in der Region. Erst Sport, dann Erholung und zum Abschluss ein Essen oder ein Getränk - das Konzept scheint zu stimmen. In der Folge etabliert sich das Kaiser Center zu einem gut besuchten Sportpark weit über die Grenzen von Löhne hinaus. Aus dem gesamten Kreis und der weiteren Umgebung finden sportbegeisterte Menschen den Weg nach Löhne. Das Angebot wird dabei stets angepasst, nach einigen Jahren etwa reagiert das Center auf die schwindende Nachfrage nach Squash und funktioniert einige Courts zu Indoor-Soccer-Plätzen um. Auch Partys werden regelmäßig gefeiert, zeitweise mit bis zu 1.500 Gästen. Probleme gibt es in den ersten Jahren lediglich mit der Gastronomie, die häufig den Betreiber wechselt. Wirkliche Unzufriedenheit macht sich erst breit, als das Kaiser Center auf seinen zehnten Geburtstag zusteuert. Eine Tennislegende sorgt für ersten Unmut Im Jahr 2002 mischt eine Nachricht die Tennis-Fans auf. Boris Becker soll am 14. November zu einem Schaukampf ins Kaiser Center kommen. Geplant ist ein Match gegen Pat Cash im Vorfeld eines groß angelegten und stark besetzten ATP-Turniers. Zahlreiche Größen der Tennis-Szene werden angekündigt. Im Kaiser Center soll ein Center-Court für 3.000 Zuschauer geschaffen werden. Im Oktober dann die Kehrtwende: Weder Becker, noch andere ATP-Spieler werden in die Werrestadt kommen. Der Ärger bei Veranstaltern und Fans ist groß. Und der Unmut wächst in der Folge weiter: Für die Rückgabe bereits gekaufter Tickets wird eine Bearbeitungsgebühr von 15 Euro erhoben. Das Kaiser Center selbst brummt jedoch weiter, hat aber auch mit Rückschlägen zu kämpfen. Die erst im Januar 2003 eröffnete nagelneue Kelo-Savu-Sauna brennt bereits im Juni nach einem technischen Defekt komplett aus. Verletzt wird zwar niemand, der Schaden beläuft sich dennoch auf stolze 90.000 Euro. Unterkriegen lässt man sich davon jedoch nicht. In der Folge wird die Rauch-Sauna neu aufgebaut. 2006 wird zudem der Biergarten von 200 auf 400 Plätze vergrößert und mit vielen Extras versehen. Es entstehen mehrere neue Arbeitsplätze Im Mai 2007 dann der nächste Rückschlag: Erneut brennt es im Saunabereich, wieder ist ein technischer Defekt verantwortlich. Dieses Mal trifft es die Doppelsauna, der Schaden beträgt bis zu 200.000 Euro. Schon zwei Monate später ist davon nichts mehr zu sehen: Der Außenbereich der Sauna feiert nach einer Investition von 150.000 Euro seine Erweiterung und Wiedereröffnung. Verkaufsgerüchte machen die Runde Doch die Vorfälle nagen gewaltig am Kaiser Center. Im September 2009 machen bereits Gerüchte die Runde, nach denen das Kaiser Center verkauft werden soll. Im Internet taucht sogar ein entsprechendes Inserat auf, Kaufpreis: 6,5 Millionen Euro. Inhaber Horst Plätzer dementiert: Lediglich ein Teil der Fläche rund ums Gebäude solle verkauft und besser vermarktet werden. Erstmals erhebt er Vorwürfe gegen die Stadtverwaltung und fühlt sich "nicht ausreichend unterstützt". Dennoch kündigt er neue Veranstaltungen, Angebote und Investitionen an. Zumindest letztere bleiben in den Folgejahren jedoch aus. Die Kritik mehrt sich. Als im Dezember 2010 Schneemassen den Parkplatz und den Eingang zum Center blockieren, glänzt die Geschäftsführung mit Untätigkeit. Kunden sind erbost ob der unterlassenen Räumung trotz steigender Preise. Und schon bald nimmt der Niedergang konkretere Formen an: Die Betreiber des Sportstudios Aerofit kündigen 2011 ihren Auszug aus dem Kaiser Center an. Zu hohe Mieten und fehlende, aber dringend nötige Investitionen ins Gebäude werden als Gründe ins Feld geführt. Stattdessen soll ein eigenes Gebäude entstehen - direkt gegenüber vom Kaiser Center. Bis der Neubau steht, bleibt das Aerofit im Center, erfüllt seinen Mietvertrag. Die abzusehende Konkurrenzsituation lässt Horst Plätzer unkommentiert, die Risse im Konstrukt Kaiser Center aber sind spätestens jetzt offensichtlich. Neuer Geschäftsführer, neue Probleme Plätzer reagiert auf seine Art: Mit Michael Amsel präsentiert er im November 2011 einen neuen Geschäftsführer für das Kaiser Center. Der soll den Komplex nicht nur künftig betreiben, sondern auch sein eigenes Fitnessstudio "Body Joy" an Ort und Stelle etablieren. Amsel selbst ist zu diesem Zeitpunkt schon klar, worauf er sich einlässt: "Im Kaiser Center gibt es kein Leben mehr", sagt er. Dennoch glaubt er, den "sportlichen Riesen" wieder zum Laufen zu bekommen - und den geplanten Aerofit-Neubau damit überflüssig zu machen. Eigentümer des Centers bleibt Horst Plätzer. Nach nicht einmal einem Jahr aber ist jeglicher Optimismus bereits dahin. Etliche Kunden beklagen den Niedergang des Kaiser Centers: Investitionen und selbst Reinigungsarbeiten blieben aus, Öffnungszeiten würden spontan einfach geändert, die Sauna nach Belieben geschlossen. Auch zwischen den beiden Fitnesstudio ist die Situation mehr als angespannt. Als im Juli 2012 schließlich für sechs Wochen das warme Wasser für die Sporttreibenden ausfällt, eskaliert die Situation. "Der ganze Laden geht den Bach runter", bringt es eine Besucherin auf den Punkt. Michael Amsel räumt Versäumnisse ein - und schiebt die Verantwortung dafür Horst Plätzer zu. Investitionen kündigt er dennoch an. Nur einen Monat später aber gibt Michael Amsel bereits auf. Mürbe von Konflikten innerhalb des Kaiser Centers und überfordert mit dem überraschenden Ausmaß der Probleme rund um das Gebäude. Mindestens 300.000 Euro, so seine Rechnung, müssten investiert werden. Eine Summe, die er sich nicht ans Bein binden will. Er übergibt das Zepter wieder an Horst Plätzer, der direkt großspurig verkündet: "Wir werden das Kaiser-Center wieder da hinbringen, wo es mal war.“ Insolvenz als logische Konsequenz Einen Monat später übernimmt Gordon Teschner das Kaiser Center als Betreiber. Mithilfe von Investoren bringt er 400.000 Euro auf, um die in die Jahre gekommenen Sport- und Erholungsanlagen auf Vordermann zu bringen. Nach dem Auszug des Aerofit im Januar 2013 baut er in nur fünf Tagen ein eigenes Fitnessstudio im Kaiser Center auf. Ein eigenes Blockheizkraftwerk soll den hohen Energieverbrauch auffangen. Mit diesen Maßnahmen will Teschner dem "Imageverlust" (O-Ton) der vergangenen Monate entgegen wirken. Doch es kommt anders: Im März 2014 stellt die Sportpark Löhne GmbH, die hinter den Angeboten des Kaiser Centers steht, Insolvenzantrag. Schuld ist ausgerechnet die Innovationsfreude Teschners, denn sein Blockheizkraftwerk weist einen erheblichen technischen Mangel auf. Ein ganzes Jahr lang lief eine falsch angeschlossene Gasturbine durch. Die Folge: Nach- und Abschlagsforderungen des Energieversorgers in sechsstelliger Höhe. Zwei Monate später endet die Insolvenz - auch dank des Geldes von Horst Plätzer. Der ist nun nicht mehr nur Eigentümer des Gebäudes ist, sondern auch Geschäftsführer des Sportparks. Teschner bleibt Betriebsleiter. Allerdings nicht lange. Nach erneuten Zahlungsschwierigkeiten übernimmt im April 2015 die Centro Grande GmbH aus Hannover als Betreibergesellschaft. Geschäftsführer wird Blerim Dervari, der viel Geld in die Immobilie investiert und bereits mit einem Kauf und einer Umbenennung des Gebäudes liebäugelt. Erneute Pleite und Neuausrichtung Drei Monate später aber nimmt seine Vision ein jähes Ende. Wieder einmal liegt es am Geld, das Amtsgericht Bielefeld eröffnet ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Centro Grande GmbH. Dervari ist zu diesem Zeitpunkt bereits als Geschäftsführer abberufen. Horst Plätzer spricht von "Pech mit den Pächtern" und kündigt einen Neuanfang an - wieder einmal. Tatsächlich schwimmt das Kaiser Center für kurze Zeit in ruhigeren Fahrwassern. Unter dem Namen Event Center OWL werden unter anderem Partys auf den ehemaligen Squash-Plätzen veranstaltet. Gordon Teschner, der zwischenzeitlich die Führung des Fitnessstudios übernommen hatte und nun wieder als Geschäftsführer fungiert, hat ein Konzept erarbeitet und hofft auf eine Zukunft des Kaiser Centers. Doch schon bald zollt Teschner seinem Engagement Tribut. Zum Teil leistet er 80-Stunden-Wochen, um dem angeschlagenen Center noch einmal auf die Beine zu helfen, Freunde und Familien leiden unter seinem Aufwand. Im Juli 2017 wird es ihm zu viel: Teschner verlässt das Kaiser Center - und das Unheil nimmt seinen Lauf. Wenige Tage später beruft Horst Plätzer eine Betriebsversammlung ein und kündigt dort sämtlichen Mitarbeitern fristlos. Nur wenigen wird ein neuer Vertrag angeboten, doch die haben längst kein Vertrauen mehr zum Inhaber. Ohne Geschäftsführer Teschner müssen Sauna und Gastro geschlossen werden. Auch einige Sportangebote werden gestrichen. Mitglieder, Kunden und Vereine fühlen sich betrogen. Das Center greift zum letzten Strohhalm Das Vakuum füllt derweil Dominik Lagrin, der als reisender Stuntman regelmäßig sein Winterquartier auf dem Parkplatz des Kaiser Centers aufschlägt. Gemeinsam mit seiner Familie kümmert er sich zwischenzeitlich um das Gebäude und nimmt Hausmeistertätigkeiten vor. Im November greift das Kaiser Center zum letzten Strohhalm und richtet sein Geschäftsmodell völlig neu aus: weniger Sport, dafür mehr große Hochzeitsgesellschaften. Eine neue Betriebsgesellschaft unter den Namen "Fun + Sport Löhne" entsteht zu diesem Zweck. Auch Einzelhändler finden Platz in den Räumlichkeiten. Zudem entsteht auf den alten Badminton-Feldern eine Indoor-Kartbahn, betrieben durch den "Motorpark Am Wiehen". Plätzer hofft dadurch auf neue Möglichkeiten - und wird erneut auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Einen Tag vor der geplanten Eröffnung untersagt die Stadt Löhne die Inbetriebnahme der Kartbahn. Denn den notwendigen Antrag auf Nutzungsänderung hatte Plätzer nicht eingereicht - obwohl er selbiges den Bahnbetreibern gegenüber versichert und sich vertraglich dazu verpflichtet hatte. Plätzer selbst hält einen solchen Antrag jedoch für unnötig. Am Ende nehmen die Betreiber die Formalien entnervt selbst in die Hand. Die Bahn kann mit Verspätung öffnen, das Verhältnis zwischen Plätzer und der Stadt Löhne aber spannt sich weiter an. Und wieder eine Pleite Im Februar 2018 kommt es zu einem erneuten Insolvenzverfahren. Dieses mal geht es der vormaligen Betreiberfirma "Event- und Sportcenter OWL" an den Kragen. In der Folge klagen etliche ehemalige Mitarbeiter auf ausstehendes Gehalt. Anfang 2019 verlassen schließlich auch die letzten Sportler das Kaiser Center. Der Löhner Tennisclub (LTC), der seine Hallenspielzeiten zuletzt in das Gebäude verlegt hatte, beklagt schlechter werdende Zustände und "unannehmbare Forderungen" des Verpächters. Stattdessen halten dubiose Gestalten Einzug. Im April hebt die Polizei eine Marihuana-Plantage in den Räumlichkeiten aus. Mehr als 1.000 bereits abgeerntete Pflanzen werden im Keller und auf dem Dachboden sicher gestellt. Erst später stellt sich heraus, dass ein Löhner und ein Bünder mit dem Anbau und Verkauf der Drogen alte Schulden für einen geplatzten Rauschgiftdeal begleichen wollten. Beide werden verurteilt. Ungeachtet dessen schmiedet Plätzer neue Pläne. Er träumt von einem EDV-Zentrum im Kaiser Center und einem Seniorenzentrum auf dem Gelände. Den Managerposten bietet er Dominik Lagrin an, der daraufhin in Vorleistung tritt und neue Toiletten und Wasserleitungen im Gebäude installiert. Zu einer Vetragsunterschrift kommt es jedoch nicht. Ehemalige Pächter warnen Lagrin, der zudem eine Bürgschaft über 300.000 Euro übernehmen sollte. Die Pläne platzen, Lagrin bleibt auf Kosten in Höhe von rund 100.000 Euro sitzen. Das letzte unrühmliche Kapitel Die Kartbahn läuft zu diesem Zeitpunkt immer noch. Und würde es wohl noch immer tun, wenn nicht Corona für eine Zwangspause gesorgt hätte. Mit Beginn der Pandemie Anfang 2020 verschwindet das letzte Leben aus dem Kaiser Center. Und im September des selben Jahres schließt sich das Kapitel vollends. Nachdem Horst Plätzer die Brandmeldeanlage auf eigene Faust abschaltet, erteilt die Stadt Löhne ein Nutzungsverbot für das gesamte Gebäude. Laut Stadtverwaltung habe Plätzer das Geld sparen wollen - ohne die Konsequenzen zu bedenken. Der wiederum wirft nun endgültig die Flinte ins Korn und verkauft das marode Gebäude an die Edeka. Vor der Unterschrift aber schickt er noch einen Schlägertrupp zum letzten Mieter Dominik Lagrin und versucht ihn so zur Räumung zu drängen. Vor Gericht behauptet er anschließend, den Stuntman gar nicht zu kennen - und scheitert damit an der Richterin. Bis Oktober darf Lagrin bleiben. Dann aber werden die Tage des Kaiser Centers endgültig gezählt sein. Nach einem langen Aufstieg zu einem sportlichen Riesen in Ostwestfalen, zahlreichen Pächtern und Managern und diversen Betreibergesellschaften. Nach einem stetigen Verfall, vielen geplatzen Träumen, dubiosen Plänen und etlichen Insolvenzen. Vor allem aber nach jeder Menge verbrannter Erde.

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