Wenn das Attest für den Impftermin außer Reichweite ist

Löhne. In dieser Woche können Menschen mit schweren Vorerkrankungen in der zweiten Gruppe der Impfpriosierung über das Bürgertelefon des Kreises Herford Impftermine buchen. Es stehen zusätzliche Termine für eine Impfung mit dem Wirkstoff von Biontech/Pfizer zur Verfügung. Eine Chance für die Betroffenen, nun doch etwas schneller geimpft zu werden. Sie brauchen dafür lediglich ein Attest vom Hausarzt. Das Problem: Viele Hausärzte sind genau in dieser Woche vor Ostern nicht da, haben die Praxis geschlossen. So auch der Hausarzt und weitere behandelnde Ärzte einer NW-Leserin. Die Vertretungen ihrer Ärzte wollten ihr das Attest nicht ausstellen, berichtet sie. Sie bekomme also trotzdem keinen Impftermin. Dabei hat die Löhner Rentnerin, die anonym bleiben möchte, nach eigener Aussage gleich mehrere Vorerkrankungen, die auf der Liste für die Priorisierungsgruppe 2 vorkommen. Schwere Depressionen, starkes Übergewicht und ein schwerer nicht-alkoholtoxischer Leberschaden führen die Liste an. Dazu kommen etliche weitere Erkrankungen, die ebenfalls im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion hochproblematisch sein können. Darum habe sie sich eigentlich sehr gefreut, dass nun Impfungen zur Verfügung standen - bis sie beim Versuch, ein Attest zu bekommen, hängen blieb. "Ich habe extra noch einmal beim Bürgertelefon angerufen. Es gibt keine andere Möglichkeit", berichtet sie. Die Mitarbeiterinnen beim Bürgertelefon seien aber sehr nett zu ihr gewesen, betont sie. Und sie möchte auch ihrem Hausarzt auf keinen Fall einen Vorwurf machen. "Der hat sich seinen Urlaub ja gerade bei der zusätzlichen Belastung in der Pandemie auch verdient", sagt sie. Den anderen Ärzten - ihr Lungenfacharzt und ihre Neurologin haben die Praxis auch gerade geschlossen - nimmt sie das genauso wenig übel. Urlaubsvertretende Ärzte wollen ihr kein Attest ausstellen Dennoch kann sie nicht so ganz nachvollziehen, warum ihr deren Stellvertreter und in einem Fall sogar der Kollege ihres Arztes in der Gemeinschaftspraxis, nicht weiterhelfen wollen. Schließlich sind alle ihre Krankheiten gut dokumentiert - ob in ihrer Patientenakte, bei der Krankenkasse oder der Rentenversicherung, weil sie wegen ihrer Depression vor Jahren in Frührente ging. "Ich habe meine Diagnosen auch alle gesammelt und abgeheftet", erklärt die Frau, die selbst jahrzehntelang im medizinischen Bereich tätig war. Zur Begründung hätten die Praxen ihr gesagt, dass sie das nicht dürften. "Theoretisch könnten auch Urlaubsvertretungen die Atteste ausstellen", berichtet Hermann Lorenz von der Bezirksstelle Minden der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL). Das bestätigt so auch der Kreis Herford auf Anfrage der NW. "Aber eigentlich sollte das tatsächlich nur der behandelte Hausarzt tun. Der kennt den Patienten am besten", fügt Lorenz hinzu. Wenn eine Stellvertretung das Attest nicht ausstellen wolle, weil er sich damit nicht wohlfühle, sei das verständlich. "Ich würde es vermutlich auch nicht tun", meint der Mediziner. Dass Krankenkasse oder Rentenversicherung die Atteste nicht ausstellen dürfen, sei so durch den Erlass des NRW-Gesundheitsministeriums vom 24. März vorgegeben, heißt es vom Kreis Herford. Das könne nur durch Ärztinnen und Ärzte erfolgen, wie Kreissprecher Patrick Albrecht betont. Auch der Zeitraum für die Terminvergabe sei durch den Erlass geregelt, er beziehe sich auf ein Sonderkontingent des Impfstoffs von Biontech/Pfizer, das das Land hierfür zur Verfügung stelle. Ab 6. April steigen die Hausärzte beim Impfen ein Die Regelung gelte vorerst bis 6. April. Danach starten die Impfungen in den Arztpraxen. "Die Hausärzte kommen nach Auskunft der Kassenärztlichen Vereinigung dann selbst auf ihre Patienten zu", erklärt der Sprecher. Sobald mehr Impfstoff für die Personen mit Vorerkrankungen gemäß der Priorisierungsgruppe 2 zur Verfügung stehe und es weitere Entwicklungen gibt, werde der Kreis Herford umgehend informieren. Und so muss die Löhnerin genau wie andere Patienten, die Pech hatten, warten, bis ihr Hausarzt nach Ostern wieder da ist. Dann ist das Fenster für die Anmeldung zur Impfung verstrichen. Aus Sicht der Rentnerin hätte es dabei doch auch andere Möglichkeiten gegeben, zweifelsfrei nachzuweisen, an welchen Krankheiten sie leidet. "In unserer heute ach so toll vernetzten Welt müssten Impfungen der Risikogruppen ohne Vorlage von Attesten möglich sein. Oder sind wir EDV-technisch ein Entwicklungsland?", fragt sie.

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