LGBT-freie Zonen in Polen: Löhnes Partnerstadt unter Homophobie-Verdacht

Löhne. Die Werrestadt reiht sich derzeit ein in eine illustre Schar besorgter Städte aus Deutschland und der Europäischen Union. Ihr Blick richtet sich nach Polen, wo rund 100 Gemeinden, Kreise und Provinzen seit gut einem Jahr zum Kampf gegen unpopuläre sexuellen Orientierungen blasen. Die Stadt Löhne sorgt sich dabei um ihre Partnerstadt, denn auch Mielec steht im Verdacht, sich zu einer sogenannten LGBT-freien Zone erklärt zu haben. Doch ganz so eindeutig ist die Lage nicht. Es geht um Schwule und Lesben, Bisexuelle und Transgender, kurz: um Menschen, die in ihrer sexuellen Orientierung von einer angeblichen Norm abweichen. Die nämlich haben in Polen nicht mehr viel zu lachen, seit im gesamten Land "Zonen frei von LGBT-Ideologie" ausgerufen werden. Ein vornehmlich symbolischer Vorgang zwar. Tatsächlich aber kommt es in der Folge immer wieder zu Repressionen und auch gewalttätigen Übergriffen. Grund genug, also die Lage in Löhnes Partnerstadt Mielec genauer unter die Lupe zu nehmen. Rote Fläche im "Atlas des Hasses" Das hatte zuletzt die grüne Ratsfrau und Bürgermeisterkandidatin Silke Glander-Wehmeier getan. In der Ratssitzung Ende Mai hatte sie die Stadtverwaltung um eine Stellungnahme gebeten. Denn eine LGBT-feindliche Partnerstadt, so ihr Argument, passe nicht zu der von der Stadt Löhne vertretenen Vielfalt. Die Sorge von Glander-Wehmeier und anderen kritischen Beobachtern stützt sich dabei vornehmlich auf eine Internetseite. Unter dem Namen \"Atlas des Hasses\" hat dort der Aktivist Jakub Gawron sämtliche sogenannte LGBT-freie Zonen in Polen farbig markiert. Auch Mielec ist rot eingefärbt. Und zwar sowohl die Stadt, als auch das gleichnamige Powiat (Landkreis). Wohl auch deshalb reagierte Bürgermeister Bernd Poggemöller zunächst verhalten auf Glander-Wehmeiers Anfrage. Eine derartige Erklärung, so hatte er geantwortet, könne auch von übergeordneten Gebietschaften abgegeben worden sein. Bis zur nächsten Ratssitzung wolle er den Sachverhalt klären, um so eine Grundlage für eine weitere Diskussion zu schaffen. "Bislang haben wir die Angelegenheit noch nicht klären können." Diese Sitzung steht nun bevor. Und tatsächlich steht das Thema auf der Tagesordnung, wenn der Rat am Mittwoch, 24. Juni, zusammen kommt. Weitere Informationen aber enthält die Tagesordnung bis dato nicht. Und das hat seinen Grund, wie Stadtsprecherin Ursula Nolting auf NW-Nachfrage sagt. "Bislang haben wir die Angelegenheit noch nicht klären können." Insofern sei es auch zu früh, über mögliche Konsequenzen zu sprechen. Dabei lässt sich aus der Übersicht von Jakub Gawron durchaus mehr lesen, als ein einfacher Verdacht. Tatsächlich nämlich unterfüttert der Aktivist seinen Atlas mit Belegen. Das PowiatMielec hat sich demnach bereits im Juni 2019 per Resolution zur LGBT-freien Zone erklärt. Links zum Orginal-Text und zu Medienberichten bestätigen das. Etwas anders verhält es sich jedoch mit der Stadt Mielec. Die nämlich hat sich laut Gawron nicht explizit zu einer LGBT-freien Zone erklärt, dafür aber im September eine sogenannte Charta für Familienrechte verabschiedet\. In deren Wortlaut ist nichts von einer LGBT-Ideologie zu finden, wohl aber eine Definition der Ehe als "Verbindung von Frau und Mann", die unter besonderem Schutz stehe. Mielecs Bürgermeister wehrt sich Vielleicht auch deshalb wehrt sich Mielecs Bürgermeister Jacek Wi?niewski gegen Vorwürfe aus der LGBT-Bewegung. Laut französischen Medien erklärte er gegenüber der Stadtverwaltung von Morlaix in der Bretagne, zu der Mielec ebenfalls Verbindungen pflegt, er habe die vom Powiat verabschiedete LGBT-Resolution ausdrücklich nicht unterschrieben. Zudem erstattete er Anzeige, als Aktivisten im Internet die Wappen LGBT-feindlicher Städte in Regenbogenfarben veröffentlichten und darunter auch das Logo von Mielec zu finden war. Die Regenbogenflagge gilt als Symbol der LGBT-Bewegung. Das Bild in Umlauf gebracht hatte das polnische Institut für Gleichstellungsfragen. Trotz Anzeige bekräftigt deren Sprecher Kacper Kubiak die Kritik an Mielec. "Dass die erste Geste des örtlichen Bürgermeisters darin bestand, die Polizei anzurufen, lässt tief blicken", sagt er. Zudem sei auch die von der Stadt verabschiedete Charta problematisch, da in ihr beschrieben werde, welche Rechte Eltern in Bezug auf den Bildungsprozess ihrer Kinder in Schulen haben. Sexualkundeunterricht als ausschlaggebender Punkt Tatsächlich war es gerade letzterer Punkt, der überhaupt zur Ausrufung LGBT-freier Zonen geführt hatte. Nachdem Warschaus Bürgermeister Rafa? Trzaskowski im Frühjahr 2019 erklärt hatte, die Rechte von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transgendern auch im Sexualkundeunterricht berücksichtigen zu wollen, liefen erzkonservative Kreise Sturm und witterten eine "Bedrohung der polnischen Identität". Die Zeitung Gazeta Polska rief eine Aufkleber-Kampagne ins Leben, die Regierungspartei PiS und ihr Vorsitzender Jaros?aw Kaczy?ski sprangen auf den Zug auf und initiierten entsprechende Resolutionen in den Gebietskörperschaften. Unterstützt von kirchlichen Institutionen, die zeitweise gegen die "regenbogenfarbene Seuche" predigten, entstanden so im katholisch und ländlich geprägten Südosten des Landes reihenweise sogenannte "Zonen fei von LGBT-Ideologie". Löhnes Partnerstadt Mielec bildet dabei offenbar zumindest offiziell eine Ausnahme. Dennoch könnten die jüngsten Entwicklungen die freundschaftlichen Beziehungen auf eine harte Probe stellen. Schließlich hatte auch Bernd Poggemöller in einer ersten Reaktion von "Ausgrenzung" gesprochen, sollte sich der Verdacht gegen die Partnerstadt erhärten: "Das geht gar nicht."

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