Archäologen erforschen spektakuläres Gräberfeld unter Hermes in Löhne

Löhne. Auf dem Gohfelder Scheidkamp haben offenbar über viele Jahrhunderte hinweg immer wieder Scheiterhaufen gelodert. Die Feuer waren Bestandteil der heimischen, vorchristlichen Feuerbestattungskultur. Es ging nicht um Hexen. Dort, wo heute das Hermes-Logistikzentrum steht, war nach Überzeugung der Archäologen des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe (LWL) über einen Zeitraum von 1.500 Jahren ein Friedhof zur Feuerbestattung. Kurz bevor die Baumaschinen anrückten, haben Grabungshelfer 42 Brandgräber auf dem Gelände freigelegt und zahlreiche Fundstücke gesichert. Zwei Urnen hatten einen ganz besonderen Inhalt. Julia Hallenkamp-Lumpe, stellvertretende Leiterin der LWL-Archäologie in Bielefeld, teilte die Ergebnisse der Datierung in einer Pressemitteilung zur Ausstellungseröffnung am Freitag im Heimatmuseum Löhne vor. Proben der Fundstellen wurden mit der Radiokarbonmethode untersucht. Das Ergebnis: Sie stammen von 800 vor Christus bis 700 nach Christus. Bauantrag von Hermes machte die Ausgrabung möglich &bdquo;Das ist eine große Überraschung und einzigartig für die Region", sagt Museumsleiterin Sonja Voß. Unter der riesigen bebauten Fläche des Hermes-Logistikzentrums verbirgt sich demnach eine Nekropole, die wohl über viele Jahrhunderte hinweg sichtbarer und respektierter Platz für Feuerbestattungen gewesen sein muss. Die Ausgrabungen im Sommer 2013 gegenüber vom Luxusküchenhersteller Siematic waren noch von Daniel Bérenger veranlasst worden. Einer seiner Vorgänger, der archäologisch interessierte Bünder Gymnasiallehrer Friedrich Langewiesche, hatte den Ort auf amtlichen Karten markiert. Langewiesche vermutete allerdings ein Römerlager an dieser Stelle, weil immer wieder Funde aus der römischen Kaiserzeit an dieser Stelle auftauchten. Sämtliche von Langewiesches Nachfolgern hielten das Wissen um den Bodenschatz unter Verschluss. Erst der Bauantrag von Hermes Fulfilment machte die Fundstelle öffentlich und die Ausgrabung möglich. Den Bielefelder Archäologen war dann schnell klar, dass auf dem Scheidkamp kein Römerlager, sondern ein vorchristlicher Friedhof unter ihren Händen auftauchte. Die Menschen aus dieser Zeit haben ihre Toten üblicherweise auf Holzhaufen gelegt und verbrannt. Die Asche wurde samt Leichenbrand und Holzkohle in trichterförmigen Gruben aufgefangen. Mehr als 30 solcher Gräber haben Helfer im Sommer 2013 freigelegt. Sie werden auf Mitte des zweiten Jahrhunderts bis ins fünfte Jahrhundert nach Christus datiert. Jahrhunderte des Ackerbaus mit immer schwereren Geräten und mächtigeren Pflügen konnten das Gräberfeld nicht zerstören. Heute rollen Lastwagen über die Stelle, wo die Grabungshelfer mit Pinsel, Gärtnerschaufel, Klemmbrett und Bleistift die Asche unserer Ahnen freilegten. Gefunden haben sie Scherben, Knochenreste und Überbleibsel von Grabbeigaben. Zwei Gräber hatten es in sich: Es waren die einzigen Gräber mit Urnen. In dem einen Grab fanden die Helfer die zerschmolzenen Reste von zwei Kleider-Fibeln, Eisenteilen, einem Kamm-Fragment und Teilen einer Schere. Und im zweiten Grab Reitersporen, Eisenobjekte, ein Angelhaken, einem Friem, das ist ein Handwerkszeug, Teile einer Axt und ein Schildbuckel sowie verschiedene Bronze- und Glasteile. Der Gohfelder Reiter war Mitglied der örtlichen Elite Julia Hallenkamp-Lumpe hat sich ausgiebig mit den Fundstücken beschäftigt. Sie ist überzeugt, dass in dem einen Grab ein männlicher Reiter um Mitte des 5. Jahrhunderts nach Christus bestattet wurde. &bdquo;Er war vermutlich Teil der örtlichen Elite", sagt Hallenkamp-Lumpe. Wer war der Mann? Ein Adeliger aus vorchristlicher Zeit? Ein später Römer, der als Statthalter, also Besatzer, in der Region hängen geblieben war? Vielleicht aber auch einfach nur ein reicher Gohfelder, der Zugang zu Luxusgütern vom Rhein wie Glas und Bronze hatte? Auf jeden Fall aber ein Reiter mit kriegerischen Grabbeigaben und überörtlichen Verbindungen. Die Sporen, die Axt, das Schildfragment wertet Hallenkamp-Lumpe als Zeichen von Macht und Reichtum, genauso wie die Luxusgüter Glas und Bronze. Die Bewaffnung des &bdquo;Gohfelder Reiters", wie die Archäologen den Besitzer der Fundstücke nennen, war allerdings lokal geprägt, die Reitersporen waren typisch für die Zeit, nichts Ausgefallenes. Und wie weit reichte seine Herrschaft? &bdquo;Das weiß ich nicht", sagt Julia Hallenkamp-Lumpe. Die Gesellschaft um 400 nach Christus war agrarisch geprägt, die Menschen lebten von Ackerbau und Viehzucht. Ganz sicher muss es jedoch eine nahe Hofgemeinschaft gegeben haben, Bauern, Kämpfer, die überregionale Verbindungen hatten und gemeinsam ihre Toten auf diesem Gräberfeld bestatteten. Ein ähnlicher Fund, jedoch aus dem siebten Jahrhundert nach Christus, ist während der britischen Besatzung verloren gegangen. Am Rehmer Mooskamp hatten Arbeiter 1905 in einer Sandgrube die Überreste eines Reiters samt Pferd und Schwert entdeckt. Die Fundsachen wurden unsachgemäß im Heimatmuseum in Bad Oeynhausen aufbewahrt. Als die Briten abzogen, waren die Überbleibsel des &bdquo;Reiters vom Mooskamp" weg. Lediglich die Ortschronik von Bad Oeynhausen und eine Akte der LWL-Archäologen in Bielefeld geben noch Zeugnis von diesem Reiter. Der Fund auf dem Gohfelder Scheidkamp ist nach Ansicht von Hallenkamp-Lumpe einzigartig für die Region. Dabei richtet die Forscherin ihren Blick gar nicht so sehr auf den &bdquo;Gohfelder Reiter", sondern auf das Gräberfeld. Es zeigt nämlich, dass die Menschen über mehrere Generationen hinweg ihre Toten auf den Scheidkamp brachten und dort verbrannten. Offenbar auch noch in einer Zeit, in der sich Ganzkörperbestattungen als vorherrschende Bestattungskultur längst durchgesetzt hatten. Kohlenstoff-Untersuchungen sollen zeigen, über wie viele Jahrhunderte hinweg der Ort in Gebrauch war. Die detaillierten Ergebnisse werden für Ende des Jahres erwartet. Die Archäologen Julia Hallenkamp-Lumpe und Sven Spiong stellen den Fund vom Scheidkamp und ihre Analyse am 14. November im Heimatmuseum vor.

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