Ist die Amsel in Gefahr? Experte aus Kirchlengern klärt über Usutu-Virus auf

Kirchlengern. Usutu-Virus? Moment . . . jetzt ist erst mal eine kleine Schalte mit Kolumbien fällig. Klaus Nottmeyer legt sein Smartphone auf den Tisch. &bdquo;Hey Klaus!“, meldet sich eine Ornithologen-Stimme mit osteuropäischem Akzent von einer einschlägigen Konferenz, die in dem südamerikanischen Land stattfindet. &bdquo;Zum Usutu-Virus kann ich dir gar nicht so viel sagen, da würde ich gleich mal unseren österreichischen Kollegen hier vor Ort ansprechen, der ist ein echter Experte – der ist aber gerade anderweitig beschäftigt.“ Okay, so lange können wir jetzt nicht warten. Dann muss es auch ohne internationale Unterstützung gehen. Zur Sache: Seit Wochen melden sich besorgte NW-Leser in der Lokalredaktion, weil sie an den Futterhäuschen in ihren Gärten seit geraumer Zeit keine Amseln mehr sehen. &bdquo;Das hängt bestimmt mit dem Usutu-Virus zusammen“, so ihre Befürchtung. Das Usutu-Virus – jener Erreger, der um die Jahrtausendwende zum ersten Mal in Mitteleuropa und Deutschland nachgewiesen wurde und der nun in schöner Regelmäßigkeit und in großer Zahl vor allem Amseln (und noch ein paar anderen Vogelarten) das Lebenslicht ausbläst. Klaus Nottmeyer, Ornithologe und Leiter der Biologischen Station Ravensberg in Stift Quernheim, ist in diesem Kontext recht entspannt. Dass das Virus zurzeit mal wieder gehäuft auftritt und schon zahlreiche Schwarzdrosseln (ein anderer Name für die Amsel) dahingerafft hat, sei wohl richtig – das werde in der Szene auch durchaus registriert und diskutiert. Dass man zurzeit so wenige Amseln sieht, liegt für ihn aber nur teilweise an besagtem Virus. Enormer Einbruch in dieser Jahreszeit Nottmeyer legt eine Grafik auf den Tisch: &bdquo;Da ist sehr schön zu erkennen, dass es hierzulande immer um diese Jahreszeit einen enormen Einbruch der Amsel-Bestände beziehungsweise der Amsel-Sichtungen gibt“, erläutert der Biologe und tippt mit dem Finger auf das Blatt Papier. &bdquo;Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass die Amseln, die im Sommer bei uns sind, schon in Richtung Belgien und Frankreich abgewandert sind. Und die, die im Winter aus den nordischen Gebieten zu uns kommen, sind noch nicht hier – womöglich, weil es dort oben noch nicht kalt genug ist.“ Nottmeyer glaubt auch nicht daran, dass es das Virus schafft, einer kompletten Art den Garaus zu machen. Selbst wenn Bestände lokal oder regional nahezu vollständig ausgelöscht würden – wie es in der Vergangenheit schon einige Male passiert sei –, entwickelten die übrigen Amseln sehr schnell eine Immunität gegen das Virus. &bdquo;Die Bestände erholen sich dann relativ schnell wieder“, so Nottmeyer. Der eingangs erwähnte Experte aus Österreich habe in diesem Jahr allerdings eine besonders hohe Sterblichkeit bei den Vögeln ausgemacht. Wie kam das Virus nach Mitteleuropa? Wie das ursprünglich in Afrika beheimatete und durch Stechmücken übertragene Virus nach Mitteleuropa gekommen ist, weiß man übrigens noch nicht so genau. Die früher verbreitete Annahme, nach der es Zugvögel direkt aus dem Süden hierher gebracht haben, scheint überholt. Eine andere (und einigermaßen gesicherte) Theorie können die Experten allerdings noch nicht anbieten. Der Klimawandel? Möglich, aber nicht sicher. Was die Fachleute – und auch den Ornithologen Nottmeyer – durchaus ein wenig beunruhigt: Das Usutu-Virus ist auch auf den Menschen übertragbar. Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin schreibt auf seiner Website: &bdquo;Die Übertragung von Usutu-Viren auf den Menschen (. . .) kann zum Usutu-Fieber führen. Zu den Symptomen gehören Fieber, Kopfschmerzen und Hautausschläge; in seltenen Fällen kann es zu einer Gehirnentzündung kommen.“ Auch eine Infektion mit dem Usutu-Virus in Deutschland sei &bdquo;wahrscheinlich möglich, aber (noch) kein Grund zur Sorge“ – und werde von Blutspendezentren gemeinsam mit wissenschaftlichen Institutionen weiter beobachtet. Das Institut empfiehlt die üblichen Schutzmaßnahmen gegen Stechmücken. Abschließend heißt es: &bdquo;Auch wenn dazu bisher kaum belastbare Daten vorliegen, können sich offenbar auch andere Säugetiere wie Pferde oder Fledermäuse mit dem Usutu-Virus infizieren. Deren Krankheitsverlauf und Symptome sind jedoch noch unbekannt.“ Wie’s aussieht, sind demnächst noch einige internationale Telefonkonferenzen nötig.

Meistgelesen