Notfallseelsorger erzählt von seinen traurigen Einsätzen

Kreis Herford. An einem Abend Anfang März war’s soweit: Als auf der A2 gleich mehrere Autos einen 29-Jährigen überrollten und töteten, wurde er gerufen, der Mann mit der lila Jacke. Fürs Opfer kam jede Hilfe zu spät. Aber es hätte ja sein können, dass jemand anders Hilfe braucht. Jemand, der – in welcher Form auch immer – am Unfall beteiligt war. Jemand, der mehr gesehen hat, als ihm lieb war. Jemand, der zwar körperlich unversehrt blieb, aber dessen Seele Schaden nahm. Um solche Menschen können sich Polizisten und Notärzte nicht kümmern. Auch nicht die Feuerwehr. Um solche Menschen kümmert sich Sergej Klause. Der Pfarrer der Kirchengemeinde Kirchlengern ist Notfallseelsorger – seit einiger Zeit sogar in leitender Funktion für den Kirchenkreis Herford. Und wie war das Anfang März auf der A2? Für den Pfarrer war wohl die Anfahrt das Spektakulärste: Mit dem Fahrrad über die Autobahn. &bdquo;Anders kam ich gar nicht zum Unfallort – es war ja alles gesperrt“, sagt er. Vor Ort habe es für ihn aber nicht viel zu tun gegeben. Es sei nach einigen Gesprächen schnell klar gewesen, dass die Autofahrer in unmittelbarer Umgebung des Geschehens ziemlich gefasst waren. So habe er sich schnell wieder verabschieden können. Besser mit Situationen umgehen können Und er weiß noch ganz genau, warum er sich einst entschlossen hat, die entsprechende Zusatzausbildung zu machen: &bdquo;Auslöser war der Tod meines eigenen Patenonkels“, sagt der 38-Jährige. Sieben Kinder habe der Mann gehabt. Und Klause habe sich im Kreise der Großfamilie damals hilflos und ohnmächtig gefühlt, habe nicht gewusst, was er sagen oder tun sollte. Ein unerträgliches Gefühl sei das gewesen. Da sei ihm klar geworden: &bdquo;Mit solchen Situationen möchte ich künftig besser umgehen können.“ In seinem späteren Beruf als Pfarrer würde er bestimmt häufiger mit ähnlichen Dingen konfrontiert, so sein Gedanke. Also ließ er sich noch vor Beendigung des Studiums zum Notfallseelsorger ausbilden. &bdquo;Das ging über drei Monate, jeden Freitagabend“, erzählt er. Etwa 13 Jahre sei das jetzt her. Pfarrer in Kirchlengern ist er seit 2016, im Jahr 2019 übernahm er von seinem Berufskollegen Hartmut Hermjakob aus Herford die Leitung der Notfallseelsorge im Kirchenkreis. Über einen Mangel an Arbeit können sich die 30 Männer und Frauen (s. Infokasten) wahrlich nicht beschweren: Etwa 100 Einsätze habe es im Jahr 2021 gegeben. Klause selbst sei immerhin achtmal ausgerückt. &bdquo;Ein Zugunglück war dabei, der Rest waren häusliche Todesfälle“, sagt Klause. Und das sei tatsächlich auch das Hauptaufgabengebiet der Notfallseelsorger. &bdquo;Es passiert gar nicht so selten, dass die Angehörigen überfordert sind – dann versuchen wir zu helfen“, erzählt er. Als ein Kind aus dem Fenster fiel In vielen Fällen – wenn zum Beispiel Menschen im Verkehr stürben und eine Todesnachricht überbracht werden müsse – sei es die Polizei, die die Notfallseelsorger dazu rufe. Die Aufgabenverteilung sei dann immer ganz klar: &bdquo;Der Überbringer der Todesnachricht ist die Polizei“, erklärt Klause. &bdquo;Erst dann beginnen wir unsere Arbeit – wenn es gewollt ist.“ Und während sich die Beamten häufig schon nach kurzer Zeit wieder zurückzögen, blieben die Notfallseelsorger noch länger bei ihren &bdquo;Patienten“ und versuchten zu beruhigen und zu trösten. “Das sind ganz generell sehr traurige und schwierige Momente“, sagt der Pfarrer, der sich noch allzu gut an den Sturz eines Kleinkindes aus einem Dachfenster erinnern kann. &bdquo;Das war für mich persönlich der härteste Einsatz“, sagt er. Vermutlich nicht zuletzt, weil er selbst vierfacher Vater ist. Und das Gefühl von Ohnmacht, das ihn seinerzeit beim Tod des Patenonkels quälte? Ist das nun ganz weg? &bdquo;Nein, das taucht immer wieder auf“, räumt Sergej Klause ein. &bdquo;Aber man hat gelernt, das zu akzeptieren und auszuhalten.“

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