Energiewende: Kraftwerk in Kirchlengern soll zum Vorreiter im Land werden

Kreis Herford. Ostwestfalen gelten gemeinhin als pragmatische Macher. Das wollen sie jetzt auch bei einem eher abstrakten Wortungetüm wie der &bdquo;Energiewende" beweisen. Seit den 1980er Jahren wird darüber gesprochen, jetzt endlich wird auch gemacht. Das Ziel: Ostwestfalen soll energieautark und klimaneutral zugleich werden. Energie wird dann vor Ort produziert und gespeichert. Das Unternehmen Westfalen Weser Energie (WWE) hat dabei konkrete Pläne mit dem Kraftwerk in Kirchlengern. Die Region wäre, wenn alles klappt, Vorreiter für ganz Deutschland. Dafür braucht es allerdings eine Menge Geld. 50 Millionen Euro soll unter anderem der Bund als Förderung beisteuern. Darum hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze das Kraftwerk in Kirchlengern am Freitagnachmittag besucht und sich die Pläne vorstellen lassen. Drei Voraussetzungen müssen erfüllt sein Das Konzept ist in seinen Details kompliziert, die Umsetzung muss zum Teil noch von klugen Köpfen der hiesigen Universitäten, Hochschulen und der Industrie erdacht werden. Aber die grundsätzliche Idee steht. Und die setzt vor allem auf drei Voraussetzungen: Ostwestfalen ist die erste Region hinter der Küste, die nennenswert Strom aus erneuerbaren Energien gewinnt, also aus Wind- und Solarenergie zum Beispiel. &bdquo;65 Prozent unserer Stromenergie kommt aus Erneuerbaren", erklärt WWE-Geschäftsführer Andreas Speith. In Ostwestfalen gibt es eine unheimliche starke Industrie, die künftig CO2-neutral produzieren möchte und ein Abnehmer sein wird. Vor Ort muss nicht neu gebaut werden. Es gibt laut WWE eine sehr gute Infrastruktur, die das Unternehmen nutzen möchte. Im Kreis Herford soll das Kraftwerk in Kirchlengern umgebaut und neu genutzt werden. Dadurch spart WWE lange Planungs- und Bauverfahren. Veränderungen wird es aber vornehmlich im Inneren des Kraftwerks geben. In die Höhe soll das Gebäude nicht wachsen. Derzeit ist es so, dass an windigen Sonnentagen die überschüssige Energie, die durch Windräder und Solaranlagen erzeugt wird, nicht in der Region genutzt werden kann. 2019 wurde Strom in Höhe von 15 Millionen Euro produziert – und nicht eingespeist. Oder aber in andere Regionen oder ins Ausland weitergeleitet, &bdquo;zum Beispiel nach Österreich", erklärt Speith. Mit den Plänen von WWE ist das vorbei. Stattdessen wird im Kreis Herford der Strom genutzt, um damit Wasserstoff zu erzeugen, zu speichern und zum Beispiel an windstillen Regentagen einzuspeisen. Das Kraftwerk in Kirchlengern bietet dafür ideale Voraussetzungen: Es gibt einen Hochdruckgasanschluss, Hochspannungsleitungen und einen Gleisanschluss. Und vor allem: Durch den Umbau gibt es für das Kraftwerk eine sichere Zukunft. Es wäre der dritte Umbau in seiner Geschichte: &bdquo;Kirchlengern ist die Wiege des Stromnetzes in OWL", sagt Bürgermeister Rüdiger Meier dann auch an diesem Nachmittag. Der Brausemüller hat um 1900 Strom erzeugt, anstatt zu mahlen. Dann wurde das Kraftwerk in Kirchlengern erbaut, erst als Kohlekraftwerk, &bdquo;dann war es Gaskraftwerk und jetzt machen wir wieder einen Quantensprung nach vorn", so Meier weiter. Was sagt die Bundesumweltministerin dazu? Das Konzept kam auch bei Bundesumweltministerin Svenja Schulze gut an: &bdquo;Es ist ein großes Rad, an dem hier gedreht wird", sagte sie. &bdquo;Wir haben eine wirklich große Energiewende vor uns", betonte sie. Innerhalb von 25 Jahren müsse sich die Stromerzeugung ändern, im historischen Vergleich also so, als wäre das schon morgen. &bdquo;Darum ist es wichtig, dass Regionen vorangehen." Der ostwestfälischen Idee steht sie dabei wohlwollend gegenüber: &bdquo;Ich bin mir sicher, dass diese Region wieder vorne sein wird." Schulze war das Projekt auch durch den kurzen Draht vom SPD-Bundestagsabgeordneten Stefan Schwartze nach Berlin bekannt, der sich dafür in den vergangenen Monaten starkgemacht hat: &bdquo;Das ist eine in Deutschland einmalige Chance", betont Schwartze. &bdquo;Wir können wirklich vor Ort Energiewende machen." Das werde, so glaubt er, ein Aushängeschild für die Region werden. Neben dem Bundesumweltministerium werden auch das Wirtschafts- und möglicherweise Bauministerium beteiligt sein. Allerdings: Neben den Bundesbehörden hat auch die Europäische Union noch ein Wörtchen mitzureden. &bdquo;Wir sind trotzdem optimistisch", sagt Andreas Speith von WWE. Klar sei auch: Ohne Industrie, ohne Einbindung der Universitäten und Hochschulen, ist die Idee nicht zu bewältigen. Gemeinsam aber wird Ostwestfalen Pionierarbeit leisten. &bdquo;Wir wollen Vorreiter sein", bringt es auch Tim Kähler, Vorsitzender des Aufsichtsrates der WWE und Bürgermeister von Herford, noch einmal auf den Punkt. Das Ziel: 80 Prozent CO2-Einsparung bis 2035 – trotz deutlich steigernder Nachfrage. Die Ostwestfalen schaffen das, sind die Beteiligten überzeugt.

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