Der lange Atem von Hiddenhausen: Profitieren die Grünen vom Trend?

Hiddenhausen. Vor rund einem Monat ging ein Thema durch Hiddenhausen, das Bernhard Weil im Wahlkampf vermutlich lieber ein bisschen weniger prominent behandelt hätte: das Windrad in Oetinghausen. Freunde hat er sich damit sicher nicht gemacht. Aber erstens hat er das Thema Anfang April selbst auf der Homepage der Grünen gepostet, und zweitens ringt das Durchhaltevermögen auch dem kritischen Beobachter einiges an Respekt ab. Ziele über lange Zeit mit viel Hingabe zu verfolgen, das ist Bernhard Weils Stärke. Bereits Anfang der 2000er engagierte er sich bei den Grünen in Bünde für einen Radweg, der Bünde über Hiddenhausen mit Herford verbindet. Zwanzig Jahre später verfolgt er das Ziel noch immer. Die Grünen im Kreis Herford stellten ihr Projekt des sicheren und schnellen Radwegs zwischen den Städten Ende Februar 2020 erneut vor. Zuerst in Hiddenhausen, und Bernhard Weil war dabei. Mittlerweile hat sich der Kreisausschuss dazu entschieden, eine Route auszuarbeiten. Die Grünen in Hiddenhausen haben Weil Mitte Mai zu ihrem Bürgermeisterkandidaten gekürt. Es ist einer von zwei Abgeordneten, die die Partei im Hiddenhauser Rat hat. Er ist dort Fraktionssprecher. An seiner Seite sitzt Grünen-Gemeindeverbandssprecher Christos Zioudas. Mit zwei Abgeordneten hat eine Partei Fraktionsstatus und darf Anträge stellen, mit denen sich dann Ausschüsse und der Rat beschäftigen müssen. Können die Grünen vom Bundestrend profitieren? Die Grünen wollen bei den Kommunalwahlen am 13. September jedoch nicht nur Bernhard Weil ins Bürgermeisteramt bringen: "Wir wünschen uns drei und träumen von vier Grünen im Gemeinderat", sagt Weil. Wohlwissend, dass das eine ordentliche Herausforderung ist. Für vier Sitze bräuchten die Grünen rund 15 Prozent der Wahlstimmen. Bei der letzten Wahl 2014 schafften sie 8,5 Prozent. Bei den Europawahlen im vergangenen Jahr schoss das Ergebnis hoch auf 20 Prozent. Dabei nahmen die Grünen der SPD sogar einen Wahlbezirk in Oetinghausen ab. Ob sich im Zuge wachsenden Bewusstseins für Klimapolitik Ähnliches wiederholen lässt? Bernhard Weil lacht: "Das wäre natürlich schön! Man sagt ja, Kommunalwahlen seien anders als die übrigen Wahlen. Mir jedoch hat mal ein Politikwissenschaftler gesagt, auch die Kommunalwahlen werden durchaus mit Blick nach Berlin entschieden." Und da waren die Grünen bei der ARD-Sonntagsfrage Anfang Juni mit 19 Prozent zweitstärkste Partei hinter CDU/CSU mit 38 Prozent. Es war vermutlich die Klimadiskussion im vergangenen Jahr, die den Grünen das Allzeithoch beschert hat, von dem sie noch heute profitieren. Und es die Klimaverantwortung, wie Bernhard Weil es nennt, die ihn umtreibt: "Der Hiddenhauser Rat hat beschlossen ein Klimaschutzkonzept von der Verwaltung erarbeiten zu lassen. Dafür soll sogar eine Klimamanagerin oder ein Klimamanager eingestellt werden. Das als Bürgermeister zu begleiten, fände ich eine absolut tolle Aufgabe!" Wichtig ist ihm auch, an der Mobilität in den sechs Dörfern der Gemeinde zu arbeiten. Bereits Anfang 2018 präsentierte er zusammen mit Christos Zioudas die Idee zu einer Bürgerbus-App. Ein linienunabhängiger und nachfrageorientierter Fahr-Service sollte damit koordiniert werden, der vor allem die Querverbindungen von Dorf zu Dorf bedient. Denn gerade die sind im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ein schwacher Punkt in Hiddenhausen. Teilweise muss man nämlich den Weg über Herford nehmen, um mit dem Bus ins nächste Dorf zu kommen. Direktverbindungen mit den regulären Linien gibt es nicht. Und der "TaxiBus" - ein Transportdienst auf Abruf und mit vorheriger Anmeldung – ist laut einer repräsentativen Umfrage kaum bekannt. Aber vielleicht ist Hiddenhausen für eine App auch noch nicht reif. Der Rat sah auf jeden Fall keine Veranlassung, die Idee zu verfolgen. Oder es liegt daran, dass die Hiddenhauser ÖPNV- und Fahrradmuffel sind. Auch das ergab nämlich die kürzliche Umfrage. Die Dominanz der Autos verringern Von all dem lässt sich Bernhard Weil jedoch nicht beeindrucken: "In der Kommunalpolitik muss man dicke Bretter bohren. Die Dinge brauchen Zeit. Wenn wir davon reden, den Autoverkehr zu verringern, sprechen wir von wenigen Prozenten pro Jahr." Zudem sei klar, dass das Auto gerade in ländlichen Gegenden wegen des verbesserungswürdigen ÖPNV natürlich seine Berechtigung habe, aber andere Transportmittel eben ausgebaut werden müssten: "Es geht ja auch eher darum, die Dominanz des Autos zu verringern." Nach Bernhard Weils Eindruck entwickelt Hiddenhausen zusehends zum Speckgürtel von Herford und zu einer Pendlergemeinde: "Dem müssen wir Rechnung tragen, in dem wir Wohnungen schaffen. Das Programm Jung kauft Alt ist gut und erfolgreich. Ich denke aber, dass es durchaus noch Flächen gibt, die man als Bauland für Mehrfamilienhäuser ausweisen könnte." Ein Grüner möchte Fläche bebauen? "Ja klar, wenn Natur dadurch nicht zerstört wird und dem Menschen geholfen, spricht doch nichts dagegen." Zudem sei es aus Klimagründen besser, auch hier und da mal ein altes Haus abzureißen und ein neues zu bauen: "Moderne Häuser verbrauchen weniger Energie, haben aus dem Grund auch weniger CO2-Ausstoß und sind deswegen einfach besser." Außerdem seien sie oft bereits barrierearm gebaut, sodass auch ältere Menschen und Menschen mit Einschränkung ein gutes Zuhause fänden. Bernhard Weil war 30 Jahre im Sozialdienst in Herford tätig. Nun ist er seit einiger Zeit im Ruhestand: "Aber das heißt ja nicht, dass ich mich ausruhe", sagt er mit einem Lächeln. Sollte er nicht Bürgermeister werden, so können sich Ausschüsse und der Rat schon mal auf die Energie freuen, die er auch als einfach Ratsmitglied aufbringen wird. Einen langen Atem und viele Ideen hat er nämlich.

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