Geflüchteter Holzbildhauer findet in Hiddenhausen eine neue Heimat

Hiddenhausen. Merwan Omar ist 32 Jahre alt und feiert zweimal im Jahr Geburtstag. Einmal seinen eigentlichen Anfang März und einmal seinen selbst gewählten, den 20. August 2012: "An diesem Samstag kam ich im Paradies an. Nach dem, was ich erlebt hatte, war meine Endstation Hiddenhausen einfach traumhaft.” Was war geschehen? Arabischer Frühling: Merwan Omar demonstriert für ein besseres Leben Es ist im März 2011, als der sogenannte Arabische Frühling nach Syrien überschwappt. Merwan Omar sitzt mit Freunden in Damaskus zusammen und geht demonstrieren: "Wir wollten einfach nur mehr Freiheiten und damit natürlich auch langfristig ein besseres Leben. Ordentliche Jobs gab es nur mit sehr guten Beziehungen, oder wenn man politische Aktivisten an den Geheimdienst verriet.” Der Aufstand gegen Präsident Bashar al-Assad und seinen Machtapparat beginnt langsam und friedlich, wie Merwan Omar sich erinnert: "Wir haben bei den Demos hier und da einen Schlag mit dem Gürtel von der Polizei bekommen. Aber die Gewalt hielt sich in Grenzen.” Nach und nach jedoch übernehmen radikale Kräfte wie Islamisten das Ruder bei den Protesten. Sie werden aus dem Ausland bewaffnet. Das Regime schlägt zurück und der Bürgerkrieg beginnt. Merwan Omar gerät zwischen die Fronten von Armee und radikalen Islamisten. Beide wollen ihn zum Kriegsdienst zwingen. Auf der Flucht hielt jeder die Hand auf Zudem ist er - anders als viele seiner Landsleute - in einer weiteren misslichen Lage. Er hat nämlich keinen Pass und kann deswegen auch nicht legal in ein anderes Land reisen. Omar ist Kurde, und Kurden bekommen nicht die syrische Staatsangehörigkeit, sondern nur eine Art Geburtsurkunde. Er tut also, was viele in ihrer Not tun: Er macht sich auf den Weg in die Türkei. An Straßensperren muss er alle 50 Kilometer wechselweise syrische Armeesoldaten und Milizionäre bestechen, sonst geht es nicht weiter. Das Geld dafür haben seine Familie und Menschen in seinem Dorf nahe der Grenze zur Türkei gesammelt. Merwan Omar ist beliebt, weil er stets für eine Art Tafel im Dorf gespendet und ehrenamtlich gearbeitet hat. Nach dem Grenzübertritt muss er noch türkische Beamte bestechen, damit sie ihn nicht zurück nach Syrien verfrachten. Denn zu der Zeit steht die Türkei noch offiziell an der Seite von al-Assad, greift Flüchtlinge an der Grenze auf und schickt sie zurück. In der Türkei angekommen, begibt er sich in die Hände von Schleppern, die ihn nach Frankreich bringen: "Und irgendwann stand ich auf einem französischen Flughafen, der Schlepper war weg, und ich wusste nicht, wo ich war. Was nun?” Er geht zur Polizei, wird befragt, beantragt Asyl und darf gehen. In Hiddenhausen im Paradies angelangt Er begibt sich nach Paris, und von dort in die Schweiz. Dort trifft Merwan – der in seiner Heimat als Künstler und Holzbildhauer gearbeitet hat – durch Zufall einen Förderer, einen wohlhabenden Mäzen, der ihm Unterkunft bietet. Doch irgendwann steht die Polizei vor der Tür, nimmt ihn mit und legt ihm nahe, nach Frankreich zurückzureisen - ansonsten droht Gefängnis. Merwan Omar ist so langsam auch mit mit den Nerven zu Fuß. In Paris wird er ausgeraubt und schafft es noch mit 35 Euro nach Aachen. Von dort kommt er in ein Auffanglager nach Dortmund und wird der Gemeinde Hiddenhausen zugeteilt: "Und das war nach der langen Reise wie ein Paradies. Ein eigenes Zimmer, überall nette Leute und eine tolle Betreuung. Ich war einfach glücklich und sehr dankbar.” In Hiddenhausen trifft er auch einen weiteren Geflüchteten: Hussien Khedr ist 2011 aus Ägypten geflohen, in der Gemeinde bereits ansässig geworden und politisch und gesellschaftlich sehr umtriebig. Die beiden werden Freunde und Khedr gibt dem Ankömmling einen gut gemeinten Rat: "Ich sagte ihm: Du musst aktiv sein, schnell Deutsch lernen und Dich integrieren.” Omar beherzigt das. Mit seinem Beruf als Holzbildhauer ist er gern gesehen. Er macht Ausstellungen, wird Mitglied im Holzhandwerksmuseum und in der SPD und arbeitet als Künstler viel mit Kindern an Schulen. Für andere Flüchtlinge engagiert er sich im Integrationsrat der Gemeinde Hiddenhausen und in der AG Migration und Vielfalt im Kreis Herford. Zudem absolviert eine Lehre als Tischler. Wächter eines Hiddenhauser Kleinods Was kann er, der es vom Flüchtling zum gesellschaftlich anerkannten Hiddenhauser geschafft hat, anderen Menschen mit ähnlicher Lebensgeschichte raten: "Sprache ist der Schlüssel, um mitmachen und am Leben teilhaben zu können. Und natürlich ein Beruf. Gerade das Handwerk sucht Leute. Wer ankommen will, muss aktiv sein und sich einbringen. Ich denke, das ist der richtige Weg. Hängenlassen geht nicht!” In Hiddenhausen ist Merwan Omar nicht nur heimisch geworden. Er hat auch das Vertrauen seiner Mitmenschen gewonnen. Denn er ist Wächter über ein Kleinod und Kulturgut der Gemeinde, das eine lange Geschichte hat: Merwan Omar betreut nämlich als Hausmeister die Musemsschule in Schweicheln.

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