Freisprüche im Herforder Go-Parc-Prozess

Herford/Bielefeld/Kreis Minden-Lübbecke. Sieben Monate lang hat die XX. Große Strafkammer des Bielefelder Landgericht verhandelt, in mehr als 20 Sitzungstagen sichteten die Prozessbeteiligten Videos, vernahmen zahlreiche Zeugen, hörten Sachverständige an. Der angeklagte Tatvorwurf der Vergewaltigung und Körperverletzung hat sich aus Sicht des Gerichts letztlich nicht bestätigt. Die Kammer hat nun sämtliche Angeklagten freigesprochen. Im Zuge der Ermittlungen waren die beiden Hauptbeschuldigten, zwei ursprünglich aus dem Irak stammende Männer aus Minden im Alter von 20 und 19 Jahren, festgenommen worden und hatten knapp zehn Monate in Untersuchungshaft gesessen. Zu Unrecht, wie sich nun herausstellte. Auch waren die Wohnungen der insgesamt acht Angeklagten durchsucht und Tablets und Handys sichergestellt worden – auch dies, wie man nun weiß, zu Unrecht. In zahlreichen Medien, soviel Selbstkritik darf sein, kursierte der Fall alsbald als &bdquo;Gruppen“- oder gar &bdquo;Massenvergewaltigung“. Auch dies ganz offenbar zu Unrecht. Was war aber nun geschehen? Eine damals 18 Jahre alte Frau aus dem Kreis Warendorf besuchte in der Nacht auf den 24. August des vergangenen Jahres die mittlerweile geschlossene Diskothek Go-Parc in Herford. Zuvor hatte sie Ecstasy konsumiert, im Laufe der Nacht sprach sie auch dem Alkohol zu. Eine Blutprobe hatte später um 8.50 Uhr einen Wert von 0,63 Promille ergeben. 18-Jährige sei auffallend kontaktfreudig gewesen Im Go-Parc verhielt sich die 18-Jährige – was laut einem Sachverständigen durchaus mit dem zuvor konsumierten Ecstasy in Einklang zu bringen sei – auffallend kontaktfreudig, suchte die Nähe mehrerer Männer, tanzte diese mit – so die Vorsitzende Richterin Verena Willeke in der Urteilsbegründung - &bdquo;sexualisierten Bewegungen“ an. Dies hatten mehrere Zeugen in der Verhandlung vor dem Landgericht ausgesagt. Auch wurden die Ausführungen von Videoaufnahmen belegt, die Gäste des Go-Parcs angefertigt hatten, weil ihnen das Gebaren der 18-Jährigen peinlich und unangemessen erschien. In der Diskothek wirkte die Frau euphorisch und hyperaktiv. Nach mehreren Stunden war die Wirkung des Ecstasys abgeklungen. Beim Verlassen des Clubs wirkte die Frau erschöpft, wie die Aufnahmen der Kameras im Kassenbereich nahelegen. Ausfallerscheinungen wies sie dort nicht auf: Als sie feststellte, dass sie ihre Verzehrkarte nicht bezahlen kann, unterschrieb sie dem Personal eine Erklärung und hinterlegte ihr Handy als Pfand. Sodann nahm sie ihre Tasche aus einem Schließfach und begab sich nach draußen. Im Anschluss ging die 18-Jährige mit dem 20-jährigen Mindener, den sie erst in jener Nacht kennengelernt hatte, zu einem auf einem Parkplatz neben dem Go-Parc abgestellten Auto. Möglicherweise hatte der Mann ihr angeboten, sein Handy benutzen zu dürfen. Kurz darauf stieß auch der 19-Jährige hinzu, der ebenfalls zu einem der Hauptbeschuldigten werden sollte. Hintergrund: Mutmaßliche Gruppenvergewaltigung in Herford: Auch die Anklage fordert Freisprüche Videoaufnahmen zeigen keinen Zwang oder Gewalt Fest steht, dass die beiden Männer und die 18-Jährige in wechselnden Positionen Sex im Auto hatten – unter anderem bestens dokumentiert durch Aufnahmen, die von Personen aus einer Gruppe um das Auto herumstehender junger Männer nebst einer 21-jährigen Frau, gemacht worden waren. Diese sechs Personen, ebenfalls aus Minden sowie Porta und Bad Oeynhausen, mussten sich nun wegen des Verdachts der Beihilfe zur Vergewaltigung vor Gericht verantworten. Auf den Aufnahmen ist jedoch in keiner Weise zu erkennen, dass irgendjemand Zwang oder Gewalt gegenüber der 18-Jährigen ausgeübt hätte. Im Gegenteil: Die junge Frau äußerte ihr Gefallen und fordert die Männer zur Intensivierung der sexuellen Aktivitäten auf. Einem der beiden sagte sie, er solle die Hose weiter herunterziehen. Im Anschluss stieg sie kurz aus dem Auto aus, stieg wieder ein und ließ sich in dem Fahrzeug zum Bahnhof bringen. Sämtliche Angeklagten seien freizusprechen Dies allein reichte jedoch nicht, um die beiden Mindener vom Vorwurf der Vergewaltigung freizusprechen. Laut ursprünglicher Anklage hätten sie erkennen müssen, dass die 18-Jährige nicht mehr in der Lage war, ihren freien Willen zu artikulieren. Dies sollen die beiden ausgenutzt haben. Der Psychiater Ingbert Rinklake sagte in seinem Gutachten jedoch, dass die Frau zu jenem Zeitpunkt bereits wieder ihren Willen habe benennen können, die Wirkung des Ecstasys sei weitgehend oder gänzlich verflogen. In ihrer nichtöffentlichen Aussage vor Gericht habe die Frau zudem, so Richterin Willeke, erhebliche Erinnerungslücken und Widersprüche zu ihren vorherigen Aussagen offenbart. Bereits zuvor hatte die 18-Jährige mehrfach Anzeigen wegen Sexualstraftaten gegen andere Männer erstattet. Möglicherweise sei es so zu Erinnerungsüberlappungen gekommen, mutmaßte Willeke. Das Strafrecht habe die sexuelle Selbstbestimmung zu schützen, diese jedoch nicht moralisch zu bewerten, sagte Willeke. Im Ergebnis sei nicht mit der notwendigen Sicherheit festzustellen, dass die Nebenklägerin ihren Willen nicht mehr habe artikulieren können und dass dies für die Angeklagten auch erkennbar gewesen sei. Sämtliche Angeklagten seien daher freizusprechen. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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