Wirtschaft in Herford

„Wir sehen die Talsohle erreicht“: Polstermöbelbranche blickt in Herford auf drastische Einbußen

Mit milden Farbtönen aus den roten Zahlen: Bereits seit Längerem werden Umsatzrückgänge verzeichnet – vor allem das Inlandsgeschäft schwächelt.

Leo Lübke, Vorsitzender des Verbands der deutschen Polstermöbelindustrie, und Jan Kurth, Geschäftsführer der deutschen Polstermöbelindustrie, berichten über die aktuelle Lage und geben einen Ausblick auf die letzten Monate des Jahres 2025 und auf das kommende Jahr 2026. | © Moritz Trinsch

Moritz Trinsch
25.09.2025 | 25.09.2025, 19:53

Kreis Herford. Die deutsche Polstermöbelbranche steht weiterhin vor schwierigen Zeiten: Erneut sinkende Umsätze, noch immer zurückhaltende Verbraucher und eine wachsende Konkurrenz aus dem Ausland belasten die Hersteller. Hinzu kommen verschärfte EU-Vorgaben, die viele Unternehmen an ihre Grenzen bringen.

Auf der Jahrespressekonferenz in Herford zog der Verband der Deutschen Polstermöbelindustrie (VdDP) nun dennoch eine gemischte Bilanz – zwischen roten Zahlen auf der einen Seite und einem vorsichtigen Optimismus auf der anderen. „Wir sehen die Talsohle erreicht“, so die beiden Chefs der Branche.

Wichtiger Inlandsmarkt schwächelt

Bis Juli 2025 sind die Umsätze um 7,2 Prozent auf rund 540 Millionen Euro eingebrochen. Mitte 2024 waren es noch rund 580 Millionen, aber schon damals lag die Zahl um elf Prozent niedriger als im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

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Besonders das wichtige Inlandsgeschäft, wo die Branche zwei Drittel ihres Umsatzes macht, schwächelt und verzeichnet ein Minus von rund zehn Prozent. „Die Anschaffungsneigung der Bundesbürger ist nach wie vor gering“, sagt Jan Kurth, Geschäftsführer des VdDP. Ursachen seien die schwache Wirtschaftslage, geopolitische Unsicherheiten und eine steigende Sparquote.

Zudem würden immer noch zu wenig neue Wohnungen gebaut. „Ein Umzug zieht immer auch Möbelkäufe nach sich“, sagt Kurth. Der von der Bundesregierung angekündigte „Bauturbo“ sei zwar ein guter Ansatz, dürfe aber nur der erste Schritt sein. Es brauche nicht nur eine Beschleunigung im Wohnungsbau, vielmehr müsste sich die Zahl der neuen Wohnungen deutlich erhöhen. „Darüber hinaus ist eine Bündelung und Aufstockung der Förderprogramme notwendig. Außerdem muss es auch Menschen mit geringem Eigenkapital ermöglicht werden, Wohneigentum zu erwerben“, so Kurth.

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Auslandsmärkte mit Licht und Schatten

Während der Export insgesamt um 1,6 Prozent zurückging, entwickelten sich einige Märkte positiv: Frankreich (+6,9 Prozent), Italien (+19,3 Prozent) und Spanien (+43,4 Prozent) legten deutlich zu. Die Lieferungen in die Vereinigten Arabischen Emirate stiegen mit einem Plus von 82 Prozent noch stärker an: Machen bei einem Anteil von knapp einem Prozent an den Gesamtexporten aber nur knapp zwei Millionen Euro Umsatz aus. Wichtigster Markt bleibt die Schweiz mit stabilen 104 Millionen Euro Umsatz.

Um 16 Prozent zugelegt haben derweil die Importe von Polstermöbeln nach Deutschland. Rund 42 Prozent davon kamen aus Polen (+13,9 Prozent), 25 Prozent aller importierten Polstermöbel stammten aus China (+24,7 Prozent). Weitere wichtige Lieferländer sind Italien, Ungarn und Rumänien.

Europäische Bürokratie bremst ?Unternehmen

Sorgen bereiten der Branche vor allem bald in Kraft tretende EU-Vorgaben. VdDP-Vorstandsvorsitzender Leo Lübke kritisiert unter anderem die Europäische Entwaldungsverordnung (EUDR), die sicherstellen soll, dass Holz nicht aus Regionen stammt, wo der Wald abgeholzt wurde. Lübke: „Der Aufwand ist immens. Viele kleinere Hersteller werden es kaum schaffen, bis Jahresende ‚EUDR-ready‘ zu sein.“ Der Verband fordert eine Verschiebung bis Ende 2026.

Auch der geplante Digitale Produktpass, der Verbrauchern umfassende Informationen über den Lebenszyklus von Produkten liefern soll, sorgt für Unsicherheit, bietet aber auch Chancen: „Wir wollen zeigen, dass er nicht nur Pflicht ist, sondern ein strategisches Werkzeug für nachhaltige Unternehmensentwicklung sein kann“, so Lübke.

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Nachhaltigkeit im Fokus

Laut einer Verbandsumfrage wollen 60 Prozent der Hersteller ihren CO2-Ausstoß deutlich reduzieren oder CO“-neutral produzieren. Recyclingfähigkeit und nachhaltige Materialien spielten eine immer größere Rolle. „Nachhaltigkeit ist längst kein Trend mehr, sondern Anspruch und Qualitätsmerkmal“, so Lübke.

Derweil stehe bei den Verbrauchern aber vor allem der Preis im Vordergrund und der sei oft zu hoch. Kunden würden sich daher gegen nachhaltige Produkte und für den niedrigen Preis entscheiden, wodurch sie aus Waren aus dem Ausland, vor allem China, zurückgreifen. „Der Markt wird an der Kasse entschieden“, sagt Lübke.

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Sofa wird zum „Helden“ und Rückzugsort der Wohnung

Kuschlig und weich sollen Sofas derzeit sein und in dezenten Farben. - © Jörg Dieckmann/Fotodesign-Bielefeld
Kuschlig und weich sollen Sofas derzeit sein und in dezenten Farben. | © Jörg Dieckmann/Fotodesign-Bielefeld

Von echten Wohntrends möchte Lübke nicht sprechen. Denn, die Polsterbranche sei nicht die schnelllebigste. Vielmehr entscheiden sich Verbraucher langfristig für ein Modell. Dennoch gibt es Entwicklungen.

So dominieren in den Wohnzimmern mittlerweile weiche, kuschlige Stoffe wie Bouclé, Chenille, Velours oder Cord. Leder verliert an Bedeutung. Funktionen wie verstellbare Lehnen, USB-Anschlüsse oder Ladestationen werden häufiger integriert.

Farblich stehen natürliche Töne wie Beige, Grau und Sand im Mittelpunkt, ergänzt durch weiche Grün- und Erdtöne, wie Salbei, Olive, Terrakotta und Rost. „Das Sofa wird immer mehr zum Helden des Wohnzimmers, zum stabilen Anker in einer unsicherer werdenden Welt“, so Lübke. „Gemütlichkeit steht im Vordergrund.“

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Ausblick

Trotz aller Herausforderungen blickt die Branche vorsichtig optimistisch nach vorn. Saisonale Impulse im Herbst und Winter sollen die Geschäfte beleben. Der Verband erwartet für das Gesamtjahr 2025 ein Umsatzminus von rund fünf Prozent – etwas weniger als bislang befürchtet. „Wir starten zuversichtlich ins neue Jahr“, so die beiden Branchen-Chefs.

Hoffnung macht Lübke und Kurth, dass deutliche Preissteigerungen nicht mehr zu erwarten sind und auch die Inflationsangst der Verbraucher geringer geworden ist.

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