Was passiert, wenn Menschen nach einer Straftat in die Herforder Psychiatrie eingeliefert werden?

Herford. In Medienberichten ist es ein wiederkehrendes Muster: Jemand begeht eine Gewalttat, wird von Einsatzkräften in die Psychiatrie gebracht – und ist kurz darauf wieder auf freiem Fuß. Was viele fassungslos zurücklässt, folgt meist klaren Regeln. Dr. Max Balz, leitender Oberarzt einer psychiatrischen Klinik, spricht im Interview über juristische Grenzen, psychische Krisen – und warum nicht jedes auffällige Verhalten eine Krankheit ist. Herr Dr. Balz, in der Öffentlichkeit herrscht oft Unverständnis, wenn Menschen nach einer Straftat nur kurzzeitig in der Psychiatrie sind. Wie begegnen Sie dieser Wahrnehmung? Dr. Balz: Die Frage ist absolut berechtigt – und wir hören sie oft. Aber wir sind kein Gefängnis, sondern ein Akut-Krankenhaus. Unser Auftrag ist nicht, jemanden wegzusperren, sondern zu behandeln. Und das dürfen wir nur, wenn eine psychische Erkrankung vorliegt – und eine konkrete Gefährdung. Ohne diese beiden Punkte gibt es keine Grundlage für eine Unterbringung. Was genau bedeutet eine akute psychiatrische Einweisung? Das heißt: Es liegt eine psychische Ausnahmesituation vor – eine schwere Krise, in der jemand sich selbst oder andere gefährdet. Dann kann eine sofortige Aufnahme in die Klinik notwendig sein, entweder freiwillig oder durch gesetzliche Regelung. Aber auch hier gilt: Es muss eine medizinisch nachweisbare Krankheit dahinterstehen. Was passiert, wenn eine Person nach einem Polizeieinsatz zu Ihnen kommt? Erst einmal die medizinische Diagnostik. Liegt vielleicht eine körperliche Ursache vor – wie eine Hirnblutung, ein Schlaganfall oder eine Intoxikation? Erst wenn das ausgeschlossen ist, prüfen wir die psychische Verfassung. Zeigt die Person Wahnvorstellungen, Halluzinationen, schwere Desorientierung? Oder ist sie schlicht unter dem Einfluss gewisser Substanzen und in Rage? Diese Unterscheidung ist zentral. Lesen Sie auch: Hausarzt aus Spenge in seiner Praxis von Patienten krankenhausreif geschlagen Wer entscheidet, ob jemand bleibt oder wieder gehen darf? Zunächst wir, als ärztliches Team. Ist eine akute Gefährdung erkennbar, dürfen wir kurzfristig handeln und beantragen eine sofortige Unterbringung. Diese kann das Ordnungsamt dann genehmigen oder ablehnen. Innerhalb kürzester Zeit muss dann aber das Gericht eingeschaltet werden. Eine weitere Behandlung gegen den Willen ist nur mit richterlicher Genehmigung möglich. Es handelt sich also nicht um einen rechtsfreien Raum, sondern um ein eng geregeltes Verfahren. Welche rechtlichen Grundlagen spielen dabei eine Rolle? Das Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz NRW, das Betreuungsrecht, aber auch das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Niemand darf einfach so eingewiesen werden – auch nicht mit Betreuer oder Vorsorgevollmacht. Es muss immer eine ärztlich festgestellte Erkrankung und ein Gefährdungspotenzial vorliegen. Wie oft kommt es zu solchen akuten Fällen? In den allermeisten Fällen beruhigen sich die Menschen nach kurzer Zeit wieder. Fixierungen oder Zwangsmedikationen sind selten, vielleicht ein- bis zweimal im Monat. Meistens genügt es, das Gespräch zu suchen, Schutz zu bieten und Ruhe zu ermöglichen. Welche Rolle spielen Persönlichkeitsstörungen oder Suchtverhalten bei der Entscheidung? Viele Menschen, die auffällig werden, haben keine klassische psychische Erkrankung, sondern destruktive Verhaltensmuster, wie beispielsweise Impulsivität, Dissozialität oder Cholerik. Diese sind medizinisch beschreibbar, aber nicht unbedingt behandelbar – zumindest nicht akut. Und auch nicht zwangsweise. .responsive23-QN2mSnh63jiDUSli-bar-grouped-vertical-betaeubungsmittel-und-rauschgift { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-QN2mSnh63jiDUSli-bar-grouped-vertical-betaeubungsmittel-und-rauschgift { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-QN2mSnh63jiDUSli-bar-grouped-vertical-betaeubungsmittel-und-rauschgift { padding-top: 111.11%; } } Gibt es Situationen, in denen Sie einen Patienten gerne länger behandeln würden, aber nicht dürfen? Ja, regelmäßig. Zum Beispiel suchtkranke Menschen, die nicht behandelt werden wollen – aber gefährdet sind, wieder rückfällig zu werden. Oder Personen mit Persönlichkeitsstörungen, bei denen wir keine klassische Krankheit feststellen können. So schwer es fällt: Wenn keine akute Gefahr und keine Krankheit vorliegen, haben wir keine rechtliche Grundlage. Viele Menschen fragen sich: Wie kann es sein, dass jemand nach einem Gewaltausbruch sofort wieder entlassen wird? Das liegt daran, dass nicht jedes auffällige Verhalten krankhaft ist. Wer im Rausch randaliert, zeigt zwar ein extremes Verhalten – aber ist deshalb nicht automatisch psychisch krank. Diese Zustände sind oft vorübergehend. Sobald der Rausch vorbei ist und keine akute Gefährdung mehr besteht, müssen wir entlassen. Auch wenn wir wissen: Ein Risiko bleibt ohne konsequente Suchttherapie und langfristige Abstinenz. Wie wird eine Gefährdung eigentlich festgestellt? Gibt es da spezielle Instrumente, die bei einer Einschätzung zum Einsatz kommen? Wir erheben einen psychopathologischen Befund. Dazu gehören Orientierung, Bewusstsein, Denkprozesse, Halluzinationen und mehr. Wir führen intensive Gespräche und beobachten das Verhalten. Aber es gibt keinen Blutwert oder CT-Befund, der zeigt: Diese Person ist gefährlich. Es bleibt eine ärztliche Einschätzung. Haben Sie ein Beispiel, das zeigt, wie komplex eine Entscheidung darüber sein kann, ob jemand entlassen werden darf? Ein gutes Beispiel ist die klassische Kneipenschlägerei. Nehmen wir zwei Männer, die in eine solche Auseinandersetzung geraten. Beide werden von der Polizei in die Klinik gebracht. Der erste Mann ist Familienvater, beruflich fest im Leben, unauffällig im Vorfeld. Der Abend war vielleicht überladen mit Alkohol, Stress, Gruppendynamik. Am nächsten Tag ist er nüchtern und ruhig. Er ist orientiert, kann klar sagen, wie es zur Eskalation kam. In so einem Fall ist es meist eindeutig: Es liegt weder eine psychische Erkrankung noch eine bleibende Gefährdung vor. Der Mann kann gehen. Auch interessant: Nach Angriff auf Hausarzt in Spenge: Täter zweimal untersucht Der andere ist chronisch alkoholabhängig, hat eine Geschichte von gewalttätigem Verhalten im Rausch, keine Therapieabsicht, keine Abstinenzmotivation. Er lebt in instabilen sozialen Verhältnissen. Auch er ist am nächsten Tag nüchtern – und verhält sich oberflächlich ruhig. Aber wir wissen: Die Wahrscheinlichkeit, dass er in den nächsten Tagen wieder trinkt, ist hoch. Und damit auch das Risiko einer erneuten Gewalttat. Der Erste kann entlassen werden. Beim Zweiten sagen wir: Ein neuer Vorfall ist wahrscheinlich. Aber wenn er aktuell ruhig ist und keine Gefährdung mehr besteht – können wir trotzdem nichts tun. Gibt es strukturelle Engpässe, die Entlassungen beeinflussen? Nein. Wenn jemand gefährlich ist und eine Erkrankung vorliegt, bleibt die Person – ganz gleich, wie voll es ist. Das ist gesetzlich geregelt. Natürlich gibt es Personalmangel, wie überall. Aber Entlassungen aus Kapazitätsgründen gibt es bei uns nicht. Was wünschen Sie sich von Politik, Medien und Gesellschaft? Mehr Aufklärung. Ein Drittel der Bevölkerung erlebt im Leben eine psychische Erkrankung. Das sind keine Straftäter, sondern Menschen, die leiden. Ich wünsche mir mehr Mitgefühl – und weniger Stigmatisierung. Gleichzeitig ist es wichtig, dass das System nicht ausgenutzt wird. Nicht jede Verhaltensauffälligkeit ist eine Krankheit – und psychische Erkrankung ist keine Ausrede für Gewalt. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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