Tasten voller Träume: Herforder Talent spielt sich ins Pantheon

Herford. &bdquo;Wenn mir am Ende meines Masterstudiums 2022 jemand gesagt hätte, dass ich drei Jahre später auf Konzerte in Westminster Abbey, St. Paul’s Cathedral in London, Temple protestant de l’Oratoire du Louvre in Paris oder im Pantheon in Rom zurückblicken kann, hätte ich das selbst nicht geglaubt“, sagt die 1995 im ukrainischen Luzk geborene Organistin Dariia Lytvishko, die sich nach gut sieben Jahren an der Marienkirche dazu entschlossen hat, den Sprung in die Selbstständigkeit als freiberufliche Konzertorganistin zu wagen. Dabei war die Orgel nicht einmal das Instrument ihrer Wahl. &bdquo;In der Ukraine gibt es nur wenige Orgeln und keine mit Westeuropa vergleichbare Orgelkultur“, sagt sie. Sie begann ein Klavierstudium in der Ukraine, kam mit der Dozentin nicht zurecht und zog nach Deutschland. 2014 wurde sie als Gaststudentin im Fach Klavier an der Hochschule für Kirchenmusik in Herford angenommen und hatte dort den ersten Kontakt mit Kirchenmusik und dem Instrument, das sie bis heute fasziniert: &bdquo;Jede Orgel ist einzigartig, hat einen eigenen Klang, ist eine Art Persönlichkeit, die es vor jedem Konzert kennenzulernen gilt“, sagt sie. Einbürgerung in Herford und berufliche Entwicklung Vor jedem Konzert kalkuliere sie etwa einen Tag ein, um sich mit der jeweiligen Orgel vertraut zu machen, einen weiteren zum Üben des ausgewählten Programms. &bdquo;Manchen Organisten fliegt das alles zu. Ich muss viel üben, oft bis kurz vor dem Konzert“, verrät sie. Ihre Musikerinnen-Arbeitstage seien mit Pausen manchmal bis zu elf Stunden lang, auch weil sie jede Minute zum Üben nutze – in der Marienkirche oder immer noch in der Musikhochschule. &bdquo;Sowohl der Hochschule als auch der Kirchengemeinde bin ich unendlich dankbar für die Möglichkeiten, die sie mir geboten haben und bieten“, sagt sie. Ein emotionaler, für immer mit Herford verbundener Moment werde für sie der Tag ihrer Einbürgerung im Oktober 2024 bleiben. &bdquo;Die Stadt Herford tut wirklich viel, um Menschen bei der Einbürgerung zu unterstützen, nachgeworfen bekommt man sie aber nicht“, sagt sie. Für Studierende sei das noch komplizierter. Zwischendurch habe sie vor der Wahl schnelle Einbürgerung oder Studienabschluss gestanden und sich für den Master-Abschluss entschieden. Auch deswegen habe es bis zur Einbürgerung zehn Jahre gedauert. Lesen Sie auch: Radiogottesdienst aus der Herforder Marienkirche - So bereitet sich die Gemeinde vor Musikalische Erfolge und Zukunftspläne Von Anfang an habe sie neben dem Studium arbeiten müssen, weil sie dem Ausländeramt ein Mindesteinkommen nachweisen musste. Ihre erste Stelle war die Kirchengemeinde Laar, wo sie als Organistin und Leiterin des Posaunenchors tätig war. Der deutsche Pass sei nicht nur ein Ende von zehn Jahren ungewisser Zukunft in Deutschland, sondern erleichtere das Reisen und bringe Freiheiten wie die freie Wohnortwahl in der EU. &bdquo;Es ist wirklich schade, wie viel an so einem Papier und damit an der Frage hängt, ob ein Mensch zur richtigen Zeit am richtigen Ort geboren wurde“, sagt sie: &bdquo;Was der,richtige Ort’ sei, kann sich ja schnell ändern.“ Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an Ein Beitrag geteilt von Dariia Lytvishko | Organist (@dariialytvishko) Wie es dazu kam, dass sie nach drei Jahren auf Konzerte in Kanada, Monaco, Schweiz, Finnland, Norwegen, Spanien, Rumänien, Ukraine, Belgien, Frankreich, Italien und in vielen Orten Deutschlands zurückblicken kann, sei ihr selbst unerklärlich. Gegen Ende des Masterstudiums habe sie auf Instagram ein Orgel-Video mit schrill roten Haaren und rotem Rüschenkleid geteilt. &bdquo;Danach kamen die ersten Konzerteinladungen, und es ging immer weiter.“ Seit Beginn des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine 2022 spielte sie mehr als 40 Benefizkonzerte, teils mit ihrer Kollegin Olga Zhukova und teils ebenfalls international. Auch das habe sie bekannt gemacht. Lesen Sie auch: Chefdirigent Jonathan Bloxham über die Zukunft der NWD in Herford PR-Arbeit gehört zum Job Bis heute inszeniert sie sich auf Fotos gern in unterschiedlichsten Outfits vor den Orgeln, bedient so die Sozialen Medien. &bdquo;Das gehört mit zum Beruf, ebenso wie die Planung meiner Konzertreisen mit dem ganzen Drumherum“, sagt sie. Bei der Auswahl der Musik für ihre Programme ist sie offen für Populäres. &bdquo;Es darf auch mal Filmmusik aus Harry Potter sein. Wenn ich zu einem bestimmten Anlass oder zu einem Festival mit einem bestimmten Thema eingeladen werde, richte ich mich natürlich danach“, sagt sie. Ohnehin werden die Programme mit den jeweiligen Veranstaltenden abgesprochen. Im Moment bereitet sie sich auf Bach-Konzerte in Polen, Tschechien und Spanien vor. Im November 2024 spielte sie ihre Debüt-CD ein, die bei Naxos, einem international führenden Label für klassische Musik erschienen ist. Dort hat sie inzwischen einen Plattenvertrag über fünf CDs unterschrieben. &bdquo;Im Bereich der klassischen Musik sind solche Aufnahmen wichtig für die Vita und werden bei Konzerten immer noch gern gekauft“, sagt sie. Auch interessant: Seltene Kunstwerke von Lyonel Feininger in Herford ausgestellt Abschied an Ostern Zuletzt war Lytvishko Organistin an der Emmaus-Kirchengemeinde, Leiterin der von ihr aufgebauten Kinder- und Jugendchöre an der Marienkirche, Assistentin des Leiters der Marienkantorei, Harald Sieger, und Chorleiterin des &bdquo;Quartett-Vereins“ Bad Oeynhausen. &bdquo;Das alles hinter mir zu lassen, fällt mir schwer“, sagt sie, aber Ende vergangenen Jahres habe sie gemerkt, dass das alles plus ihre Konzerte zu viel sei. So sei der Entschluss gereift, es als selbstständige Musikerin zu versuchen: &bdquo;Zurück zur Kirche kann ich ja immer noch.“ Sie plane nicht länger als ein Jahr im Voraus. Zu oft habe sie mit ihren 29 Jahren die Erfahrung machen müssen, dass von einem Tag auf den anderen alles anders werden könne. Daher sei &bdquo;Never say never – sag niemals nie“ zu ihrem Motto geworden. &bdquo;Der 10-Uhr-Gottesdienst am Ostersonntag wird mein Verabschiedungsgottesdienst in der Marienkirche sein. Abends um 18 Uhr gestalte ich dann noch einmal die Taizé-Andacht mit“, sagt Lytvishko. Vorher arbeitet sie als musikalische Leiterin am Projekt &bdquo;Songlines_Herford II“, das am 12. und 13. April im Stadttheater präsentiert wird. Auch bei &bdquo;Songlines III“ im Oktober ist die dabei. Sie wird zunächst weiter in Herford wohnen und vielleicht hin und wieder als Vertretung an einer der hiesigen Orgeln zu erleben sein.

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