Mit vielen Fotos: Herford restauriert sein Goggomobil TA 250 aus dem Jahr 1971

Kreis Herford. Als im Jahre 1955 das Goggomobil der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, hatten Geschäftsleitung und Ingenieure des niederbayerischen Familienunternehmens wieder den richtigen Riecher gehabt. Wie schon beim vier Jahre zuvor vorgestellten Motorroller, war auch der Kleinstwagen das richtige Produkt, zur rechten Zeit. Und noch ein ganzes Jahrzehnt sollte die erfolgreiche Metamorphose vom Landmaschinenhersteller zum Automobilproduzenten andauern, ehe die Dingolfinger Werksanlagen von den Bayrischen Motorenwerken übernommen und zum größten BMW-Standort in ganz Europa ausgebaut wurden. Bereits 1863 produzierte ein gewisser Maurus Glas Landmaschinen im industriellen Stil und legte damit den Grundstein für eine Unternehmerdynastie, die über vier Generationen deutsche Wirtschaftsgeschichte schreiben sollte. Nachdem sich jedoch fast ein Jahrhundert lang alles um landwirtschaftliche Maschinen gedreht hatte, widmeten sich Enkel und Urenkel des Gründers dem Fahrzeugbau. Denn während direkt nach dem Zweiten Weltkrieg zunächst noch langlebige Sämaschinen den Unternehmensalltag prägten, war eine Sättigung des Marktes abzusehen und eine Ergänzung bzw. Umstellung der Produktpalette angeraten. Vom Motorroller zum wetterfesten Kleinwagen Da das sogenannte Wirtschaftswunder in Deutschland in den 1950er Jahren so richtig Fahrt in kam, strebten die Bundesbürger nach individueller Mobilität. Reichte zunächst das Fahrrad, wurden zusehends motorisierte Zweiräder angeschafft und schließlich durch überdachte, mehrspurige Fahrzeuge ersetzt. Wobei zwischen Motorrad und Automobil die Lücke in Anschaffungs- und Unterhaltungskosten recht groß ausfiel, weshalb sich eine ganze Reihe von Konstrukteuren Gedanken über preiswerte Alternativen zu einem vollwertigen Auto machten. Zunächst war dies der Motorroller, der gegenüber Moped und Motorrad den Vorteil bot, dass Fahrer und Sozius zumindest von unten gegen Spritzwasser ein wenig geschützt waren. Für Liebhaber: Oldtimer-Treffen im Kreis Herford: Hier können Auto-Klassiker bewundert werden Ab Mitte 1951 bot die Firma Glas ein solches, blechverkleidetes Zweirad an. Mit zugekauften Motoren der Firma ILO aus Pinneberg bestückt, entstanden in den folgenden fünf Jahren rund 50.000 Exemplare des &bdquo;Goggo“-Rollers, dessen Benennung auf den Kosenamen eines Angehörigen der 5. Generation der Fabrikantenfamilie zurückging. Doch so praktisch sich der Motorroller gegenüber dem Straßendreck auch zeigte, den von oben nahenden Niederschlägen waren die Passagiere nach wie vor schutzlos ausgesetzt. Weshalb eine ganze Reihe von Mitbewerbern daran ging, einen Roller mit zusätzlichem Rad (oder auch Rädern) und Abdeckhaube wetterfest zu machen. Das Erfolgsrezept des Goggomobils Es entstanden zum Teil recht abenteuerliche Konstruktionen, die oft schon im Entwicklungsstadium wieder ad acta gelegt wurden. Und die wenigen, in nennenswerten Stückzahlen gefertigten Modelle à la Messerschmitt-Kabinenroller, Heinkel-Kabine oder BMW-Isetta waren zwar wetterfest, wirkten aber schon aufgrund ihres Aussehens wie Notlösungen. Unter Federführung von Hans Glas Sohn Andreas ging man auch in Dingolfing daran, ein solches Fahrzeug zu konstruieren. Neben dem – aufgrund des damals gültigen Führerscheins der Klasse IV – auf 250 ccm beschränkten Antrieb und dem geforderten Wetterschutz, wirkte das kleine Fahrzeug mit seinen vier Rädern allerdings wie ein richtiges Automobil. Genau darin sehen Automobil-Historiker auch das Erfolgsrezept des auf den Namen &bdquo;Goggomobil“ getauften Gefährtes, das mit über 280.000 Exemplaren und einer vierzehnjährigen Bauzeit alle seine Mitbewerber überflügeln sollte. Doch es waren gewiss eine Reihe von Gründen, die für diese Langlebigkeit verantwortlich zeichneten. Zum einen die Werbung, die mit Slogans wie &bdquo;Goggomobil fahren, heißt Geld sparen“ oder &bdquo;Der ideale Zweitwagen für die Hausfrau“ die Vorzüge des Goggos ins rechte Licht rückten. Zum anderen aber vor allem die Hubraumklasse, denn es gab nach wie vor zahlreiche Inhaber der alten Fahrerlaubnis, die zum Teil bis an ihr Lebensende nichts anderes fuhren als solch ein &bdquo;Viertelliter-Auto“. Die Leidenschaft für das Goggomobil So ging es auch dem Vater von Reinhard Deppendorf, der uns in dieser Folge an seiner Oldtimer-Leidenschaft teilhaben lässt. Seit 1971 befindet sich das vorgestellte Goggomobil TA 250 im Besitz der Familie und wurde seinerzeit exakt aus diesem Grund angeschafft. Wobei es nicht der erste Goggo im Hause Deppendorf war. Als jedoch bekannt wurde, dass BMW die Produktion des 1966 mit der Firma Glas übernommenen Kleinwagens einstellen würde, wollte sich der Klasse-IV-Fahrer noch für möglichst lange Zeit ein adäquates Fortbewegungsmittel sichern. Fündig wurde er im benachbarten Bünde, wo zuvor schon der Roller bei einer Glas- bzw. Goggo-Vertretung erworben werden konnte. Die Wiederbelebung des Schmuckstücks Das Autohaus Becker, später Renault- und BMW-Händler an der Wasserbreite in Bünde, hatte noch drei Neuwagen am Lager, von denen einer dann in den Besitz der Deppendorfs wechseln sollte. Jedoch währte die Freude nicht allzu lang, denn nach nur 6.000 gefahrenen Kilometern setzte im April 1971 die unsanfte Begegnung mit einem VW-Bulli dem Kleinwagenleben ein frühes Ende. Da der heutige Besitzer sich zu diesem Zeitpunkt jedoch schon in der Lehre zum KFZ-Mechaniker befand, wurde der reichlich verformte Unfallwagen nicht etwa der Verwertung übergeben, sondern – wegen der noch neuwertigen Antriebstechnik – auf die eigene Hofstelle in Schwarzenmoor geschleppt. Schon bald gesellte sich eine weitere Goggo-Limousine dazu, die zwar bereits 1957 gebaut worden war, aber mit einer sehr gut erhaltenen Karosserie daherkam. Allerdings war bei diesem Wägelchen die Kurbelwelle des Zweizylinder-Zweitakters defekt, wodurch sich beide Exemplare perfekt ergänzten. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford Eine ganze Reihe Schrauber-Stunden später und um viele Erfahrungen reicher präsentierte der heute 69jährige Reinhard seinem Vater sein &bdquo;neues altes Gefährt“, der damit dann noch weitere zehn Jahre mit satten 14 Pferdestärken im Alltagsverkehr mitschwamm. Nicht immer pannenfrei, wie sich der heutige Besitzer schmunzelnd erinnert. Von Pannen und Pechsträhnen Einmal riss während einer Fahrt zur Schwester nach Diebrock der Gaszug und Vater Willi dachte schon ans Abschleppen. Der Filius erkannte jedoch schnell, was geschehen war und fixierte das verbliebene Ende mit so viel Vorspannung am Luftfiltergehäuse, dass der Motor dauerhaft auf annähernd Vollgas lief. Mit lautem Heulen und abenteuerlichen Schaltgeräuschen fand der Goggo unter den irritierten Blicken der Passanten so den Weg zurück nach Schwarzenmoor. Doch schließlich erreichten sowohl der Vater, als auch der Kleinwagen das Ende ihres gemeinsamen automobilen Lebens und das Fahrzeug verschwand abgemeldet für mehr als zwei Jahrzehnte in der letzten Ecke der hauseigenen Scheune. Obwohl Reinhard Deppendorf vor der Rente bereits lange Zeit als Kraft- und Busfahrer gearbeitet hatte, waren die Fähigkeiten des Lehrberufes noch sehr präsent und so wagte er sich im Jahre 2003 an die Wiederbelebung seines heutigen Schmuckstückes. Neben Arbeiten an der Mechanik erwarteten den ambitionierten Restaurator aber auch – ganz Goggo-typisch – eine Reihe von weggerosteten Blechpartien. So sind zum Beispiel die unteren zwanzig Zentimeter der Türen ersetzt und eigenhändig eingeschweißt worden. Ein Jahr später erstrahlte der kleine Hecktriebler dann wieder im alten Glanz und wurde seither zu so manchem Oldtimer-Treffen chauffiert. Die Freude am Goggomobil Natürlich blieben auch bei späteren Fahrten und einer Gesamtlaufleistung von mittlerweile mehr als 111.0000 Kilometern kleine Pannen nicht gänzlich aus. So verabschiedete sich während einer Ausfahrt in Melle eines der beiden, für die frühen Modelle typischen, Auspuffrohre. Ein kräftiger &bdquo;Abgasduft“ drang daraufhin bis in den Innenraum und konnte nur durch die Schiebefenster annähernd vertrieben werden. Darüber sieht der Oldtimer-Enthusiast allerdings gern hinweg, überwiegt doch die Freude mit dem automobilen Zwerg auf Tour gehen zu können. So steht – wie schon vor zehn Jahren – nun der 70. Geburtstag des Goggomobils, der in Dingolfing ganz groß gefeiert wird, als nächstes Highlight im Terminkalender. Weitere Oldtimer-Geschichten: 50 PS und 1,1-Liter-Motor: Ein Bünder und sein Opel Kadett aus den 1970ern Kunterbunter VW Käfer: 21-Jährige belebt Oldtimer-Szene im Kreis Herford Vom Wirtschaftswunder zum Sammlerstück: Bünder restauriert Mercedes &bdquo;Ponton“ Oldtimer-Legende BMW E24: Engeraner ist unterwegs wie einst der &bdquo;Bulle von Tölz“ Zeitreise auf zwei Rädern: Wie eine Vespa aus dem Jahr 1960 das Herz eines Bünders bewegt Verschollen: Hiddenhauser Oldtimer-Fan gibt Suche nach 50 Jahre altem DKW Cabriolet nicht auf Alte Werbung zum Goggomobil:

Meistgelesen