
Herford. „Wie viele Bundesländer gibt es in Deutschland? In welchem Bundesland leben wir? Wie heißt die Hauptstadt von Nordrhein-Westfalen?“ Diese Fragen stellt nicht etwa ein Lehrer im Unterricht seinen Schülerinnen und Schülern. Es ist Taekwondo-Trainer Erkan Durgun, der das von seinen Schützlingen während des körperlich intensiven Trainings in der Sporthalle der Grundschule Radewig wissen möchte.
Die richtigen Antworten kommen von den jungen Sportlerinnen und Sportlern, die jüngsten sind erst fünf Jahre alt, wie aus der Pistole geschossen. Erkan Durgun zeigt sich sehr zufrieden. „Ich liebe es, diese Fragen zu stellen. Ich lege großen Wert auf Allgemeinbildung“, sagt Durgun. Auch bei Fragen zur ursprünglichen Bedeutung der Wörter „Tae“ (Fuß), „Kwon“ (Faust) und „Do“ (der Weg) oder dem koreanischen Wort für Anzug zeigen sich die rund 20 Jungen und Mädchen auf der Höhe. Ansonsten ist es während des rund 90-minütigen Trainings vergleichsweise ruhig.
Für Erkan Durgun, selbst Träger des 4. Dan im Taekwondo, spielt Disziplin eine große Rolle. Diejenigen, die zu spät in der Halle sind, müssen erst einmal zehn Liegestütze machen, auch sonst gibt es klare Regeln: „Niemand darf lange Finger- oder Fußnägel haben oder Schmuck tragen. Vor jeder Übung müssen sich die Kämpfer verbeugen. Auch darf niemand das Training stören oder ohne meine Erlaubnis die Halle verlassen“, erklärt der erfahrene Taekwondo-Trainer.
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Respekt und Disziplin als wichtige Grundwerte
Der Anzug müsse sauber und gebügelt sein, „nur die Mädchen dürfen darunter ein Unterhemd tragen.“ Von seinen Schülerinnen und Schülern wird Durgun, der beruflich ein Weinhaus betreibt, „Meister“ genannt, was im Taekwondo eine übliche Anrede für den Trainer ist.
Respekt, Disziplin, Vertrauen - das sind Grundwerte, die der gebürtige Kurde, der seit 1987 in Deutschland lebt, seinen Schülern mit auf den Weg geben will, unabhängig von Herkunft oder dem sozialen Umfeld. Vor rund drei Jahren zog er nach Herford und gründete den Verein „Taekwondo Durgun“. In seinem vorherigen Wohnort Verl war er ebenfalls sehr erfolgreich und führte die „Verler Adler“ zu zahlreichen Titeln.
Besonders stolz ist Erkan Durgun darauf, dass mit dem 17-jährigen Aram ein junger Geflüchteter aus dem Irak, der zuvor in der Schule negativ auffiel, mit seiner Hilfe die Kurve gekriegt und seine Leistungen verbessert hat. „Mein Sohn hatte ihn mit zu uns gebracht. Aram war zusammen mit seinen Brüdern vor acht, neun Jahren aus dem Irak gekommen und war ein Problemjunge“, erinnert sich Durgun. Er habe ihn gefragt, wie es in der Schule läuft und warum er überhaupt zur Schule gehe, beziehungsweise, was es ihm für die Zukunft bringe, wenn er nur Ärger macht. „Ein wahrer Kämpfer schlägt nicht zu, wenn er provoziert wird, sondern geht weg“, unterstreicht Durgun seine Maxime.
Jugendliche sollen auch in der Schule vorankommen
Bevor Aram bei ihm mit dem Training anfing, habe er nur schlechte Noten gehabt und praktisch überall zwischen fünf und sechs gestanden. „Jetzt steht er zwischen eins und zwei“, sagt Durgun. „Ich war mit ihm beim Elternsprechtag, sein Klassenlehrer hat mir gesagt, dass er so etwas in 20 Jahren als Lehrer noch nicht erlebt hat.“
Auch Aram, der die zehnte Klasse an der Gesamtschule Friedenstal besucht, betont, wie sehr ihn das Training verändert habe. „Hier herrscht ganz viel Disziplin, Respekt und Ordnung, das hilft mir sehr. Vorher stand ich sehr schlecht in der Schule und bin auch häufiger nicht hingegangen“, berichtet der 17-Jährige und fügt hinzu: „Jetzt ist alles perfekt. Ich kann mein Abitur machen und möchte, wenn möglich, Architektur studieren.“
Ihm sei sehr wichtig, dass seine Schützlinge nicht nur im Sport, sondern auch in der Schule vorankommen, betont der Trainer. „Ich lasse mir die Zeugnisse zeigen. Der oder die mit dem besten Zeugnis bekommt von mir eine Medaille oder einen Pokal.“ Dahinter stehe auch der Integrationsgedanke. „Jeder, der hier in Deutschland lebt, hat die Möglichkeit, etwas aus sich zu machen. Diese Möglichkeit sollte man einfach nutzen.“
Sohn Ferris bei Deutscher U-21-Meisterschaft dabei
Diese Vorgaben scheinen zu fruchten, denn die von ihm in seinem Verein trainierten Taekwondo-Kämpfer sind sehr erfolgreich und haben schon reichlich Titel gesammelt, unter anderem mehrere deutsche Meistertitel. Zwischen drei und fünf Jahren Training brauche es, um gute Kämpfer herauszubringen, sagt Erkan Durgun.
Sein Sohn Ferris ist so ein guter Kämpfer. Der 16-Jährige nimmt am Wochenende an der Deutschen U-21-Meisterschaft in Wuppertal teil und geht mit guten Chancen ins Rennen. In den kommenden Monaten ist er bei zahlreichen Wettkämpfen, unter anderem in Slowenien, Spanien, Belgien und Österreich dabei, um Weltranglistenpunkte zu sammeln und sich für die WM im September zu qualifizieren.
Das Training findet jeweils dienstags und donnerstags von 17 bis 18.30 Uhr in der Sporthalle der Grundschule Radewig statt. Wer mit Erkan Durgun Kontakt aufnehmen möchte, kann das unter Tel. 0172 8936060 oder per E-Mail an info@taekwondo-durgun.de tun.