Missbrauch oder Falschbezichtigung? Überraschende Wende in Herforder Prozess

Herford/Bielefeld. Für die III. Große Strafkammer des Bielefelder Landgerichts ist es nichts Ungewöhnliches, sich mit Verdachtsfällen schwerer Sexualstraftaten zu befassen – handelt es sich doch um eine Jugendschutzkammer. Ungewöhnlich ist es jedoch, wenn ein mutmaßliches Tatopfer seine zuvor bei Gericht getätigte Aussage im Nachgang widerruft – nur um diesen Widerruf in einer erneuten Vernehmung ebenfalls zu widerrufen. Das Landgericht hat nun einen 39-jährigen Mann aus Herford vom Verdacht des schweren sexuellen Missbrauchs freigesprochen. Es waren schwere Vorwürfe, die Gabriela T. (Namen aller Betroffenen geändert) gegen den Angeklagten – den Ex-Freund ihrer Mutter – erhob: Kaloyan U. soll das damals zwölf Jahre alte Mädchen im Frühjahr 2021 bei zwei Gelegenheiten in der gemeinsam bewohnten Wohnung in Herford schwer sexuell missbraucht haben.Zum Prozessauftakt am 9. Januar hatte der von Rechtsanwalt Christian Thüner verteidigte U. die Vorwürfe vehement bestritten. Überraschende Wendungen im Verfahren Doch wiederholte Gabriela T. in der Verhandlung weitgehend, was sie bereits im Ermittlungsverfahren zu Protokoll gegeben hatte. Der Vorsitzende Richter Carsten Nabel sah im Anschluss an die Aussage der Jugendlichen den dringenden Tatverdacht gegen den Angeklagten erhärtet und ließ Kaloyan U., der sich bis dahin auf freiem Fuß befunden hatte, am Ende der Sitzung verhaften. Seither saß der 39-Jährige, der nach Aussage seines Verteidigers die vorgeworfenen Taten vom ersten Gespräch an bestritten hatte – in Untersuchungshaft. Lesen Sie auch: Herforder wegen Kindesmissbrauch und Körperverletzung vor Gericht &bdquo;Dieses Verfahren ist reich an Überraschungen“, sagte Richter Nabel nun zu Beginn des zweiten Verhandlungstags – denn mittlerweile hatte sich eine wesentliche Änderung ergeben: Mitarbeiterinnen des Herforder Jugendamts gegenüber hatte Gabriela T. ihre zuvor bei Gericht gemachten Angaben widerrufen. Sie sei, so sagten die Sozialarbeiterinnen nun vor Gericht aus, &bdquo;authentisch erschrocken“ darüber gewesen, dass sich Kaloyan U. ihretwegen in Haft befinde. Sie habe, so soll die 16-Jährige beim Jugendamt angegeben haben, lediglich erreichen wollen, dass das Gericht dem Angeklagten eine etwaige Rückkehr in die Wohnung der Familie verbietet und ihre Mutter wieder eine Beziehung mit dem leiblichen Vater von Gabriela T. eingehe. Komplexe Familienverhältnisse und Widersprüche Doch hatte sich die Mutter der Jugendlichen bereits von dem Angeklagten getrennt, als die nun im Raum stehenden Vorwürfe ruchbar wurden. Und der leibliche Vater von Gabriela habe die Familie noch vor der Geburt des Mädchens sitzen lassen. So schilderte es zumindest ihre Mutter nun gegenüber dem Gericht. Auch habe sie keinen Kontakt zu dem Mann, da er mittlerweile wieder in seiner bulgarischen Heimat lebe. Gabriela wiederum soll bei anderer Gelegenheit angegeben haben, dass ihr leiblicher Vater bereits tot sei. Somit musste die Jugendliche nun abermals vor dem Landgericht aussagen – und widerrief ihren Widerruf. Da sie die Gründe hierfür jedoch nicht zur Zufriedenheit der Kammer darzulegen vermochte, mochte diese auf die Aussagen der 16-Jährigen keine Verurteilung stützen. Das Gericht sprach Kaloyan U. frei, der Haftbefehl wurde aufgehoben. Zwar machte der Vorsitzende Richter Carsten Nabel in der Urteilsbegründung keinen Hehl daraus, dass Zweifel an der Unschuld des Angeklagten bestehen blieben. Die Aussage von Gabriela am ersten Verhandlungstag sei wirklich gut gewesen, so Nabel. Doch besitze die Jugendliche die Fähigkeit, bei offiziellen Stellen die Unwahrheit zu sagen: &bdquo;Man weiß nur nie bei welchen“. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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