Leber wächst wieder an

Kampf gegen Krebs: 80-Jährige aus Bünde mit faustgroßem Tumor in Leber

Das Interdisziplinäre Tumor-Team der Kreiskliniken Herford-Bünde arbeitet Hand in Hand, um die Patientin bestmöglich zu versorgen. Die Leber besitzt eine erstaunliche Regenerationsfähigkeit und wächst wieder an.

Heidelinde Strukmeier mit (von links) Alexander Petrovitch, Thorsten Pohle und Andreas Krieg. | © Kreiskliniken Herford-Bünde

30.09.2024 | 30.09.2024, 16:20

Kreis Herford. Heidelinde Strukmeier habe schon immer sehr aufmerksam in ihren Körper hineingehört. „Dieses plötzlich auftretende Sodbrennen kam mir komisch vor“, erzählt sie heute. Die 80-Jährige macht daraufhin einen Termin bei ihrem Hausarzt, der CT-Aufnahmen anordnet. Diese geben die Gewissheit darüber, dass das erste Bauchgefühl die Bünderin nicht getäuscht hat. Die Aufnahmen zeigen einen faustgroßen Tumor in der Leber.

Dann geht alles ganz schnell. Wenige Tage später wird Strukmeier im Klinikum Herford stationär aufgenommen. Thorsten Pohle, Chefarzt der Medizinischen Klinik I, sichert die Diagnose. Darauf folgt das sogenannte Tumorboard, eine interdisziplinäre Fallkonferenz, die für die Planung der Behandlung von Patienten mit einer Krebserkrankung einberufen wird.

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Anschließend wird der Therapieweg im interdisziplinären Leberzentrum der Kreiskliniken gemeinsam mit der Patientin besprochen. „Ich bin über jeden einzelnen Behandlungsschritt informiert worden und fühlte mich zu jeder Zeit mit einbezogen“, sagt Strukmeier. „So wusste ich auch, was mich erwarten würde. Ich konnte mich besser auf die Therapie einlassen und sie mitgehen.“

Tumorwachstum wird gestoppt, gesundes Lebergewebe gezüchtet

Der Tumor hatte sich in der rechten Leberhälfte der Patientin so weit ausgebreitet, dass eine Entfernung durch eine Operation aufgrund einer zu kleinen, verbleibenden Restleber unmöglich war. In einem Zweischrittverfahren wurde durch Alexander Petrovitch, Chefarzt der Klinik für diagnostische und interventionelle Radiologie und Neuroradiologie, die Leber für eine kurative Operation und vollständige Tumorentfernung konditioniert.

Im ersten Schritt wurden durch eine transarterielle Chemoembolisation (TACE) die Gefäße des Tumors verödet, um diesen am weiteren Wachsen zu hindern. In einem zweiten Schritt haben die Mediziner durch eine Pfortader-Embolisation die tumortragende, rechte Leber verödet und gleichzeitig das Wachstum des kleinen linken Leberlappens angeregt.

„Wir haben die gesunde Seite der Leber sozusagen animiert, zu wachsen, um diesen Teil so groß werden zu lassen, dass die Patientin über genügend gesunde Leber verfügt“, erklärt der Chefarzt. Das sei für die anschließende Operation wichtig. „Etwa fünf Gramm gesundes Lebergewebe pro Kilogramm Körpergewicht sind ausreichend, um alle lebensnotwendigen Funktionen aufrechtzuerhalten“, erklärt Alexander Petrovitch weiter.

Spezialist für Leberchirurgie entfernt Tumor vollständig

Nach der geplanten Operation wächst die verbleibende Restleber so lange weiter, bis sie das Ausgangsvolumen der ursprünglichen Leber erreicht hat. „Eigentlich ganz schön schlau von unserem Körper“, so Petrovitch.

Im Anschluss an die radiologischen Behandlungsverfahren wurde die Patientin von Andreas Krieg, Direktor der Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Thoraxchirurgie und Proktologie, operiert. Der ausgewiesene Spezialist für Leberchirurgie entfernte den Tumor vollständig unter Mitnahme von drei Vierteln der Leber.

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Nach der Transplantation ist dies einer der größten Lebereingriffe, der nur in sehr spezialisierten und universitären Zentren durchgeführt werden kann, die über die notwendige Erfahrung verfügen. „Durch die portalvenöse Embolisation haben wir das Wachstum des verbleibenden Lebergewebes gezielt stimuliert, um ausreichend Restlebergewebe zu sichern. Dabei machen wir uns die erstaunliche Regenerationsfähigkeit der Leber zunutze – eine Eigenschaft, die schon in der griechischen Mythologie thematisiert wird, etwa in der Sage von Prometheus, dessen Leber sich nach dem täglichen Angriff des Adlers immer wieder erneuerte. Moderne Medizin und alte Mythen treffen hier auf eindrucksvolle Weise aufeinander“, erklärt Krieg.

„Heilung braucht nicht nur Technik, sondern auch Vertrauen“

Eine speziell für die Planung von Leberoperationen entwickelte Software, die der Universitätsklinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie, Thoraxchirurgie und Proktologie zur Verfügung steht, ermöglichte eine detaillierte Vorplanung der Therapiestrategie. Insbesondere hilft sie Chirurgen, komplexe Eingriffe präzise zu planen und Risiken zu minimieren, indem sie auf der Grundlage von CT- oder MRT-Daten detaillierte 3D-Modelle der Leber erstellt.

So betont Krieg: „An einem universitären Standort verbinden wir modernste interdisziplinäre Medizin mit individueller Behandlung. Jede Patientin und jeder Patient erhält eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Therapie, die durch den ständigen Austausch zwischen Forschung und Praxis auf dem neuesten Stand ist. Bei aller medizinischen Kompetenz steht aber bei uns der Mensch immer im Mittelpunkt – denn echte Heilung braucht nicht nur Technik und Wissen, sondern auch Mitgefühl und Vertrauen.“

Bünderin kann nach zwölf Tagen das Klinikum verlassen

Strukmeier erholte sich schnell von dieser großen Operation. Bereits zwölf Tage nach dem Eingriff konnte sie entlassen werden. „Ich habe schnell wieder an Gewicht zugenommen. Meine Leber hatte einige Wochen nach dem Eingriff auch schon wieder ihre normale Größe. Heute bin ich wieder die Alte, meine Energie ist komplett zurückgekehrt. Das muss man aber auch selbst wollen“, sagt sie.

Im Klinikum Herford fühlte sich Strukmeier rundum gut versorgt: „Dass man sich wohlfühlt, das gehört nun mal zum gesund werden dazu. Die Qualität der Medizin spielt aber eine ebenso große Rolle. Man muss nicht in andere Städte fahren, um eine großartige medizinische Behandlung zu erfahren. Die hat man auch direkt hier im Kreis Herford.“