Franz Müntefering in Herford: Altwerden mit Humor und Lebensfreude

Herford. Praktizierender Sauerländer, 84 Jahre alt. Mehr als 30 Jahre lang Mitglied des Deutschen Bundestags, SPD-Vorsitzender, Bundesverkehrsminister, Ressortchef des Bundesarbeitsministeriums, nach seinem Ausscheiden aus Berlin Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenverbände und nun ein bundesweit bekannter Autor, der sich des Themas Altwerden annimmt: Franz Müntefering, der mit seinem Buch &bdquo;Nimm das Leben wie es ist. Aber lass es nicht so“ am Mittwochabend Gast im Lutherhaus ist, gibt seinen Herforder Zuhörern auch wichtige Hinweise zum Umgang mit der aktuellen politischen Situation. Seminar für die Senioren-Zeit &bdquo;Warum gibt es nicht zwischen dem 55. und 60. Lebensjahr Seniorenseminare?“, fragt Müntefering und verweist auf die für Ältere notwendige veränderte Ernährung und die Krankheiten, die sich einstellen. Auch die Wohnung müsse umgestaltet werden. &bdquo;Nageln sie ihre Teppiche an die Wand“, empfiehlt er den 140 Zuhörern angesichts der von Läufern und Flokatis ausgehenden Sturzgefahr. Rein statistisch stürzt jeder Über-80-Jährige im Jahr einmal. &bdquo;Ich habe auch schon dreimal auf der Nase gelegen, einmal bin ich vor eine Wand gelaufen, zweimal bin ich gestolpert“, erklärt der frühere Spitzenpolitiker, den erst seine Herzerkrankung samt OP dazu brachte, seine Schnetzel-Sammlung – wie er seine über Jahre zusammengetragene Loseblattsammlung aus Reimen, Gedichten und Geschichten nennt – zu einem Buch zu formen. Er habe nach der Herz-OP gewusst, dass es weitergeht. &bdquo;Ich wollte eine Nachspielzeit.“ Franz Müntefering rät seinen Zuhörern, die Drei-L-Regel zu befolgen: laufen, lernen, lachen. Unter Laufen versteht er jede Art von Sport und Bewegung, beim Lernen rät er dazu, sich auszutauschen und etwa die Kursangebote der Volkshochschulen zu nutzen. Auch Stammtische, die er und andere früher oft belächelt hätten, hätten mit ihren regelmäßigen Treffen eine wichtige Funktion – neben dem Austausch untereinander sind sie ein Gradmesser des gesundheitlichen Zustands der Teilnehmer. Kinder im Altersheim Das Problem: Heute sind die Stammtische eher rar, weil ja bereits die Dorfgaststätte für die Zusammenkunft fehlt. Aber auch &bdquo;mit 80 oder 90 gebe es Themen genug, um mit anderen Menschen zusammen zu sein“. Und er rät zum Lachen, zu einer positiven Lebenseinstellung und zitiert einen Witz einer Frau, die 100 wird und vom Bürgermeister gefragt wird, was ihr Sorgen bereitet. Die Antwort der Jubilarin: &bdquo;Ich habe jetzt beide Kinder im Altersheim. Was soll da noch groß passieren?“ Wichtig sei es, über Erlebnisse zu reden: Der Sauerländer erinnert an seinen ersten Schultag am 1. April 1946. Ihn habe es geärgert, dass aus seinem Schulbuch 10 oder 15 Seiten herausgerissen waren. Der einfache Grund: Es gab keine neuen Bücher. Die, die verteilt wurden, waren aus der NS-Zeit und die Seiten mit der braunen Ideologie entfernt worden. Oder an die Ankunft der Vertriebenen, die evangelisch waren, was im erzkatholischen Sauerland dazu führte, dass die Rechtgläubigen und die Zugezogenen morgens getrennt waren und nachmittags zusammen Fußball spielten. Er habe mit 16 eine erste Freundin gehabt, zu der er seiner Mutter aber nichts sagen wollte. Deren Kommentar: &bdquo;Na ja, ist gut. Aber hoffentlich ist sie nicht evangelisch.“ Die aktuelle Herausforderung Auch angesichts der aktuellen Herausforderungen stellt Müntefering fest: &bdquo;Es gibt Menschen, die haben eine Meinung, aber keine Ahnung. Es heißt dann immer, das habe da und da gestanden.“ Das sei aber kein Beweis. Letztlich erinnert er an die Vereinten Nationen, die die Gleichheit aller Menschen erklärt hat. &bdquo;Wir dürfen nicht in eine Position zurückfallen, in der wir uns als besser Menschen sehen“, mahnt er die Besucher. Letztlich rät er auch den Jungen: &bdquo;Nehmt euch Zeit und sprecht mit den Alten.“

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