„Critical Mass“: Radfahrer kämpfen für Fahrradstraße in Herford

Herford. Eine Gruppe von Radfahrern trifft sich in den Sommermonaten einmal alle vier Wochen am Herforder Bahnhof. Immer am ersten Freitag im Monat, jeweils ab 17 Uhr fährt sie durch die Stadt, um Erfahrungen mit Radwegen und Radverbindungen in Herford zu machen – und einfach Spaß zu haben. Dieses Mal war sie auch auf der Vlothoer Straße unterwegs, um zu demonstrieren, dass sie an der Fahrradstraße festhält. &bdquo;Critical Mass“ (kritische Masse) heißen die von &bdquo;Aufbruch Fahrrad“ organisierten Fahrten, an denen jeder teilnehmen kann, letztmalig in diesem Jahr am ersten Freitag im Oktober. &bdquo;Aufbruch Fahrrad“ ist ein Projekt zur Stärkung des Radverkehrs in NRW und hat unter anderem rund 200.000 Unterschriften für ein Fußgänger- und Fahrradgesetz in NRW gesammelt. Radler wollen die Fahrradstraße nicht aufgeben Die Gruppe fährt, sobald 16 Leute mitfahren, auf der Straße, sagt Hartmut Fischer vom &bdquo;Aufbruch Fahrrad“. Dabei sei auch erkennbar, wie schnell die Radfahrer an einer Einmündung oder Kreuzung vorbei seien. Lange Wartezeiten für Autofahrer? Fehlanzeige, so die Mitfahrenden. Fortlaufend seien sie zudem im Gespräch mit den Fahrradbeauftragten im Kreis, weil die Radwege nicht so sind, wie sie eigentlich sein sollten, ergänzt Klaus Hesse. Am Beispiel Vlothoer Straße machten die Radfahrer deutlich, warum sie die Fahrradstraße auf dem Stiftberg nicht aufgeben wollen: Auf dem Campus sollen sich nach dem Willen der Stadt noch mehr Bildungseinrichtungen ansiedeln. Die Wohnbebauung auf dem Hammersmith-Areal werde rund 1.000 Menschen Wohnraum geben. Mehr Menschen bedeute auch mehr Radfahrer. Erst wenn die in die Berechnungen zur Nutzung der Straße einflössen, könne die Stadt auch stichhaltig Angaben dazu machen, ob die Fahrradstraße auf dem Stiftberg sinnvoll sei, so der Tenor. Wie berichtet, ist die Vlothoer Straße – zunächst im Verkehrsversuch – mit dem Ziel zur Fahrradstraße gemacht worden, den Radverkehr signifikant zu steigern. CDU und SPD halten die Fahrradstraße für gescheitert Das funktioniert nach Ansicht der Gruppe aber nicht, wenn es sich – wie bei der Vlothoer Straße – um eine nur für einen Straßenabschnitt getroffene Einzellösung handelt, die keinen Anschluss an die Innenstadt hat. Zudem müsse die Fahrbahn verbessert werden. Im Mai hatten CDU und SPD die Fahrradstraße auf dem Stiftberg für gescheitert erklärt. Zugleich beschlossen sie, dass der Verkehrsversuch zunächst bis zum 30. Juni 2025 fortgesetzt werden soll. Die Politiker wollten der Verwaltung damit Zeit geben, die Radwegeverbindungen auf dem Stiftberg neu zu planen – bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Individualverkehrs, sprich: des Autoverkehrs. Der Beschluss umfasst auch den Hinweis, dass für die Verkehrslösungen &bdquo;möglichst“ alle Alleebäume erhalten bleiben sollen. Mit anderen Worten: Ist dies nicht möglich, werden Bäume gefällt. Der Verkehrsausschuss hat damit ein Fass neu aufgemacht, das vor fünf Jahren unter den Bürgerinnen und Bürgern für massive Proteste gesorgt hat. Auch damals war das Fällen der Bäume ein Thema gewesen. Lesen Sie auch: Geplante Fahrradstraße auf der Vlothoer Straße steht vor dem Aus Sorgen der Anlieger im Umfeld haben sich zerstreut Für die Gruppe von &bdquo;Aufbruch Fahrrad“ ist das keine Option. Als es in den vergangenen Wochen so heiß war, sei der Kühleffekt der Alleebäume auf der Vlothoer Straße deutlich spürbar gewesen, sagt Harald Korten, der ebenfalls in der Gruppe mitfährt. Korten plädiert dafür, auf zusätzliche Radwege zu verzichten. Nicht nur zwecks Erhalts der Bäume: &bdquo;Das ist auch eine Kostenfrage.“ Im Vorfeld der Einrichtung der Fahrradstraße habe es große Sorgen bei Anwohnern der umliegenden Straßen gegeben, dass sich der Verkehr dorthin verlagern würde. Sie hatten angenommen, dass Autofahrern die Fahrt über die Vlothoer Straße zu langsam ist, wenn Fahrradfahrer nebeneinander herfahren dürfen und sie selbst dahinter bleiben müssen. Fischer zufolge, der selbst am Stiftskamp wohnt, hat sich das nicht bestätigt. Andere berichten davon, dass auch die ärgsten Kritiker inzwischen zurückrudern, weil sie die Erfahrungen machen, dass sich die Fahrradstraße nicht negativ auf Autofahrer auswirkt. Weder hätten die Autofahrer den Eindruck, auf der Vlothoer Straße zu langsam voranzukommen, noch wichen sie auf umliegende Straßen aus. &bdquo;Es gibt keine Verkehrsbehinderung für sie.“ Wie sich das Potenzial des Radverkehrs heben lässt Auch die Kinder auf dem Weg von und zur Schule seien, anders als im Vorhinein befürchtet, auf der Fahrradstraße nicht gefährdet. Im Verkehrsausschuss im Mai hatte Ausschussvorsitzender Hans-Henning Warnecke (CDU) gesagt, dass die Vlothoer Straße als Fahrradstraße nicht geeignet sei: Über sie verkehrten zu viele Fahrzeuge, auch Buslinien, als dass ein sicheres Miteinander möglich sei. Die Erfahrungen der Radfahrer sind andere. Zur Zukunft des Radverkehrs empfiehlt Fischer das ADAC-Mobilitätsmagazin (Magazin des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs) &bdquo;Radwelt“ Heft 3/24: Darin gehe es um den Verkehr der Zukunft &bdquo;und viele weitere interessante Themen. Sehr lesenswert“, so Fischer. Unter anderem berichtet der ADFC darin von einer Studie zum Potenzial des Radverkehrs für den Klimaschutz, die er selbst in Auftrag gegeben hat. Das Ergebnis: Wird die Infrastruktur fürs Rad in drei Stufen ausgebaut, lässt sich der Radverkehr in Deutschland verdreifachen. So könnten 19 Millionen Tonnen CO2 im Jahr im Verkehrssektor eingespart werden.

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