Erneuerbare Energie: Biogasanlagen im Kreis Herford vor dem Aus?

Kreis Herford. Das Funktionsprinzip einer Biogasanlage ist einfach erklärt. Es ähnelt einem gigantischen Kuhmagen, in dem Mikroorganismen Pflanzenreste zersetzen und Methangas produzieren. Wenn es um die Zukunft der aktuell zehn Biogasanlagen im Kreis Herford geht, wird es für die Betreiber hingegen kompliziert. Ein Großteil der zumeist ab 2004 gebauten bundesdeutschen Anlagen wird - wenn die 20 Jahre abgelaufen sind - in den kommenden Jahren aus dem sogenannten EEG (Erneuerbaren Energie Gesetz) fallen. Das bedeutet, dass die bis dato feststehende Einspeisevergütung für den Strom wegfällt. Die lag je nach Baujahr und Anlagetyp bei knapp 20 Cent je eingespeister Kilowattstunde. Um dem Klimawandel entgegenzutreten, hatten damals Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) und Landwirtschaftsministerin Renate Künast (Grüne) ab der Jahrtausendwende den Bau durch das EEG forciert. Bis zu sieben Herforder Biogasanlagen stehen vor dem Aus Nun läuft nicht nur bei den ersten Anlagen die 20-Jahres-Frist ab, die bestehenden müssen in Kürze neue Auflagen erfüllen. Ihre Motoren müssen etwa - wie die Dieselmotoren von Autos - für die Einspritzung mit Ad Blue nachgerüstet werden. Das heißt, zur Emissionsreduzierung wird Harnstoff (Ad Blue) in den Motor eingespritzt. Die Nachrüstung ist teuer. Darüber hinaus gibt es eine neue Beschränkung, Mais als Futter für die Mikroorganismen zu nutzen. Wenn es nach den aktuellen Schätzungen des Fachverbandes Biogas geht, werden sich deshalb mittelfristig zwei Drittel der Biogasanlagen vom Netz verabschieden - bezogen auf Herford würde das bedeuten, dass sechs oder sieben Anlagen stillgelegt würden. Hintergrund der Schätzung des Fachverbandes ist eine Umfrage unter den Mitgliedern. Die Biogasanlagenbetreiber beziehen sich dabei nicht nur auf die anstehenden Nachrüstungen, sondern, auch auf die Ausschreibungen des Bundes. Biogasanlagen, die bereits 20 Jahre alt sind und aus dem EEG fallen können zwar an einer Ausschreibung zum Weiterbetrieb teilnehmen. Doch ausgeschrieben wurden über das Umweltbundesamt für den zukünftigen Betrieb rund 240 Megawatt. Das ist angesichts der Zahl der deutschlandweit 9.600 Biogasanlagen wohl eine überschaubare Menge. Die Ausschreibung war denn auch dreimal überzeichnet. Lesen Sie auch: Warum im Ökostrom oft nur wenig öko drin ist Rückzug aus erneuerbaren Energien für Westfalen-Weser? Sogar finanzstarke Betreiber, wie Westfalen-Weser-Energie, die in Kirchlengern eine Biogasanlage laufen haben, ziehen wegen der unklaren Situation offenbar sogar in Erwägung, sich aus dem Geschäft mit der erneuerbaren Energie zurückzuziehen. Eine Unternehmenssprecherin in Paderborn bestätigt entsprechende NW-Informationen: &bdquo;Die Biogasanlage in Kirchlengern ist 2008 ans Netz gegangen. Die EEG-Förderung läuft über eine Erstlaufzeit von 20 Jahren plus dem Inbetriebnahmejahr. Auch nach der Erstlaufzeit darf die Anlage weiterbetrieben werden. Derzeit prüfen wir die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Weiterbetrieb der Biogasanlage über das Jahr 2028 hinaus. Dabei ist auch ein eventueller Verkauf Gegenstand der Prüfung. Eine Entscheidung ist noch nicht getroffen.“ Ähnlich wie Westfalen Weser geht es dabei landwirtschaftlichen Betrieben. Auf Gut Böckel in Rödinghausen läuft derzeit eine der neun Biogasanlagen im Kreisgebiet. Zwei jeweils 550 KW (das sind jeweils mehr als 700 PS) leistende Motoren, produzieren hier Strom und Wärme. Biogas soll klimaschädliche Emissionen reduzieren Bis 2030 kann die Anlage noch unter bisherigen EEG-Konditionen Strom erzeugen, aber bereits 2029 müssten beide Motoren mit Ad Blue nachgerüstet werden, erklärt Eigentümer Börries von Oeynhausen-Leffers. Pro Motor würde das nach den bisherigen Schätzungen rund 60.000 bis 70.000 Euro kosten. Die Kosten für den Harnstoff seien dabei nicht enthalten. &bdquo;Eine Umrüstung beider Motoren macht unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen keinen Sinn“, stellt er fest. Sehr wahrscheinlich werde dann einer der Motoren stillgelegt. Der Landwirt rechnet ebenfalls damit, dass mit Ende der 20-jährigen Laufzeit viele Anlagen vom Netz gehen werden. Für die Zukunft zu planen, sei schwer. &bdquo;Die politischen Rahmenbedingungen sind derzeit zu undurchsichtig“, ergänzt von Oeynhausen-Leffers auf die Frage nach Alternativen. So gibt es die technische Möglichkeit, das Biogas aufzubereiten und ins Erdgasnetz einzuspeisen. Es könnte dann von den Haushalten zum Heizen und Kochen verwendet werden. XXEs ist ein Verfahren, das die Stadtwerke im lippischen Detmold nutzen. Ihr Gas stammt aus einer Biogasanlage im nahen Horn. Bei der Energie- und Wasserversorgung Bünde, kurz EWB, gebe es durchaus Interesse, ebenfalls Biogas einzusetzen und damit klimaschädliche Emissionen zu reduzieren. Im Endeffekt stelle sich aber hier aber auch die Frage der Wirtschaftlichkeit der Anlage, so der Landwirt. Wenn es bei der derzeitigen Regelung bleibt, &bdquo;werden wir die Anlage nach Ende der 20 Jahre stilllegen“, kündigt von Oeynhausen-Leffers an. Lesen Sie auch: Darum darf eine Bad Oeynhausener Biogasanlage nicht noch mehr Energie produzieren Biogasanlagen erzeugen Strom und Wärme Er erinnert daran, dass in den meisten Biogasanlagen - wie auch bei ihm - nicht nur Strom erzeugt wird, sondern über Nahwärmeleitungen die Abwärme genutzt wird, um damit Gebäude zu heizen. Übersehen werde auch die Flexibilität der Anlagen - in ihr sieht er einen Pluspunkt für einen möglichen zukünftigen Weiterbetrieb: Anders als Sonnen- und Windenergie, für die Akkus oder Pumpkraftwerke erreichtet werden müssten, lässt sich Biogas ohne größeren technischen Aufwand täglich für einen begrenzten Zeitraum speichern. Die Motoren der Anlagen könnten dann anlaufen und Energie ins Netz einspeisen, wenn Sonne- und Windstrom nicht zur Verfügung stehen. Bisher leisten die bestehenden Biogasanlgen, so Zahlen der Bundesanstalt für Landwirtschaft in Bonn, durchaus einen nennenswerten Beitrag bei der deutschen Energieerzeugung. Nach Zahlen aus dem Jahr 2021 werden bisher durch Biogas 12,2 Prozent des erneuerbaren Stroms in Deutschland produziert und fast zehn Prozent der erneuerbaren Wärme bereitgestellt. Die 9.600 Biogasanlagen liefern mehr als 5.600 Megawatt. Ausreichend für rund neun Millionen Haushalte, die erzeugte Wärme reicht für 2,5 Millionen Haushalte. So funktioniert eine Biogasanlage Pflanzenmasse von den Feldern, vor allem kleingehäckselter Mais, wird von Mikroorganismen verdaut. Die Kleinstlebewesen setzen dabei Methan frei. Das Gas gelangt über Rohrleitungen zu einem Motor, der das Methan – ähnlich wie ein Automotor Benzin oder Diesel – als Treibstoff nutzt. Wenn er läuft, treibt er einen Stromgenerator an. Der Strom wird ins Netz eingespeist, die Abwärme des Motors kann über Wärmetauscher in einem Nahwärmenetz zum Heizen von Häusern genutzt werden. Die Gärreste werden wieder als Dünger auf dem Acker ausgebracht - pflanzenbaulich entsteht damit ein Kreislauf, in dem etwa auf den Zukauf von größeren Mineraldüngermengen verzichtet werden kann. Mehr zum Thema: Wie Wildpflanzen Mais in Biogasanlagen ersetzen könnten

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