Zahlreiche Anmeldungen: Einzige Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie eröffnet im Kreis Herford

Kreis Herford. Seit Dezember 2023 klafft eine Versorgungslücke im Kreis Herford - dann nämlich schloss die einzige aktive Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie im Kreisgebiet. Das war die Praxis von Hans-Jürgen Preising am Herforder Steintorwall. Doch nach einem halben Jahr ist bald Schluss mit der Lücke in der Gesundheitsversorgung. Zum 1. Juli eröffnen Silja Burghaus und Julia Kelly-Smith ihre neue Praxis am Oetinghauser Weg 85 in Herford. Die beiden Fachärztinnen haben auch die Patienten aus der Praxis Preising übernommen, die regelmäßig Medikation benötigen. &bdquo;Wir haben noch nicht mit der Terminvergabe begonnen und haben schon weit über 500 Anmeldungen von Einzelpatienten“, sagt Julia Kelly-Smith. Derzeit werden die beeindruckenden Praxisräume, die sich in der ehemaligen Teppichfabrik Huchzermeyer befinden und sich auf insgesamt 320 Quadratmeter erstrecken, noch hergerichtet. Hohe Decken, ein industriell anmutendes und dennoch gemütliches und modernes Flair sind allerdings schon jetzt deutlich zu erkennen. &bdquo;Freundlichkeit und eine angenehme Atmosphäre - das ist es, was sich die Patienten wünschen, die sich nicht selten in einer Ausnahmesituation befinden, wenn sie in unsere Praxis kommen“, sagt Burghaus. Lückenschluss im Kreis Herford mit Förderung Nicht zuletzt deshalb setzen Burghaus und Kelly-Smith auch auf ein gemischtes Team aus Jung und Alt. &bdquo;Das haben wir ganz bewusst ausgewählt, um eine gute Mischung aus Erfahrung und Zugang zur jüngeren Generation bieten zu können.“ Die Mitarbeiter - darunter neben den beiden Fachärztinnen noch zwei Sozialarbeiterinnen und zwei Psychologinnen - sind zwischen 23 und 52 Jahre alt. Silja Burghaus und Julia Kelly-Smith haben schon vor den Planungen für ihre eigene Praxis zusammengearbeitet - in der Bielefelder Praxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie Bär in Bielefeld. Fachlich und menschlich habe zwischen den beiden Ärztinnen alles gepasst und so kam es zu der gemeinsamen Verwirklichung. Diese gestaltete sich einfacher, da die neue Praxis vom Kreis Herford gefördert wurde. Im Rahmen der Niederlassungsförderung bekamen beide Fachärztinnen je 25.000 Euro vom Kreis. &bdquo;Das Geld hat und natürlich sehr geholfen und die Förderung hat auf jeden Fall dazu beigetragen, dass wir hier im Kreis Herford eröffnen“, so Burghaus. Wegen des nachgewiesenen Versorgungsbedarfes entschied der Kreis Herford sich in diesem Fall zum ersten Mal dazu, eine Facharztpraxis zu fördern. Von ADHS, über Depressionen bis hin zu Essstörungen Um falschen Vorstellungen vorzubeugen, mit denen sie immer wieder konfrontiert werden, erklärt Silja Burghaus die Ausrichtung der neuen Praxis: &bdquo;Wir machen hier keine Psychotherapie, sondern vorrangig Diagnostik und können - anders als Psychologinnen und Psychologen - Medikamente verschreiben. Nach zwei bis vier Besuchen schauen wir, was weiterhin benötigt wird und sinnvoll ist. Das kann eine Familienberatung sein oder auch ein Schulwechsel.“ Zu allen möglichen Beratungs- und Hilfsangeboten sind die Ärztinnen vernetzt und übergeben dann an die passende Stelle. Das Hauptkrankheitsbild, mit denen die Ärztinnen zu tun haben, ist ADHS oder ADS. &bdquo;Letzteres steht für Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, das H in ersterem steht zusätzlich für Hyperaktivität“, erklärt Kelly-Smith. Aber auch Essstörungen, Zwänge oder Depressionen in verschiedenen Ausprägungen können am Ende die Diagnose sein. Nicht selten komme es auch vor, dass es nicht sofort eine Diagnose gebe, sagt Silja Burghaus. Ein Beispiel: &bdquo;Kommt zum Beispiel eine Familie mit einem Jungen, der impulsiv und extrem aktiv ist, wenn er mit der Mutter zu Hause alleine ist, in der Schule oder wenn der Vater mit ihm zusammen ist, ist aber alles ganz normal - dann hat der Junge kein ADHS. Dann ist das ein pädagogisches Problem.“ Und so manches Kind brauche einfach nur Zeit. Bis heute mit Nachwirkungen der Pandemie zu tun Doch woher kommt der offensichtlich extrem hohe Bedarf in diesem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie? Gab es früher nicht so viele Auffälligkeiten? &bdquo;Nein“, sagt Burghaus. &bdquo;Früher wurde nicht so gut hingeguckt. Auffällige Kinder wurden in der Schule einfach vor die Tür geschickt, wenn sie störten.“ Hinzu komme aber heute der extreme Medienkonsum bei vielen Kindern und Jugendlichen. &bdquo;Manchmal reden wir hier von zehn Stunden und mehr am Stück und Sport und Aktivität fallen hinten runter.“ Auch Corona und die Nachwirkungen der Pandemie beschäftigten noch viele Familien. &bdquo;Bei manchen Jugendlichen musste wirklich Überzeugungsarbeit geleistet werden, damit sie ihre Masken wieder absetzten - das waren Angstpatienten, bis hin zur Sozialphobie, und auch Schulvermeidung ist bis heute ein Problem“, berichtet Burghaus. Viele Familien seien in der Lockdown-Zeit völlig überlastet gewesen. &bdquo;Da ist das System Familie dann gekippt und alles aus dem Gleichgewicht geraten.“ Anmeldungen sind schon jetzt auf der Website der Praxis möglich unter www.kjpp-praxis-herford.de. Die Terminvergabe startet dann mit der Eröffnung am 1. Juli. Aber eines ist schon klar und könne leider nicht geändert werden, so die Ärztinnen: &bdquo;Es wird selbstverständlich zu Wartezeiten kommen.“

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