Nach Übernahme von Herforder Modeunternehmen: Woran lag es, dass Ahlers gescheitert ist?

Herford. In Elverdissen ist im vergangenen Jahr viel passiert: Nach der Ahlers-Insolvenz hatte die Röther-Gruppe Teile des Herforder Unternehmens übernommen. Dieses neue Modeunternehmen in Herford heißt nun &bdquo;R. Brand Group“. Im Interview stellen der Geschäftsführer Raphael Heinold und die Finanzchefin Anna-Lea Schulte-Angels ihre Pläne für die Zukunft des Unternehmens vor und äußert sich auch zu der Personalplanung. Bei der R. Brand Group sind seit der Übernahme etwa sieben Monate vergangen. Können Sie uns erklären, was gerade am Standort passiert? RAPHAEL HEINOLD: Wir sind im Sommer zunächst durch die Restrukturierung gegangen. Seit letzten Herbst und Winter sind wir in einer Phase, in der wir uns in neuen Teams zusammenfinden. Im Moment richten wir parallel dazu den Standort her: Wir bauen um, um es für die Mitarbeiter schöner zu gestalten und besser zusammenarbeiten zu können. Wir wollen eine neue Kultur und ein neues Miteinander etablieren, dies soll hierdurch gefördert und befeuert werden. Neue Kultur, anderer Umgang – was kann man sich konkret darunter vorstellen? ANNA-LENA SCHULTE-ANGELS: Früher hat jede Marke für sich gearbeitet, wir möchten aber gemeinsam als eine Gruppe enger zusammenarbeiten. Am Standort ist ganz viel Expertise und Erfahrung vorhanden, die wir noch besser nutzen können. Wir müssen stärker in den Austausch kommen und die Bereiche noch enger miteinander verzahnen. Deswegen bauen wir um und öffnen Räume. Bleibt der Standort Herford bestehen oder könnte sich das ändern? SCHULTE-ANGELS: Das stand nie zur Diskussion. Wir haben hier vor Ort sehr gute und erfahrene Menschen. Daher haben wir auch ein größeres Budget für die Modernisierung des Standortes zur Verfügung gestellt. Das macht man nicht für zwei oder drei Jahre, nur um dann den Standort zu verlassen. Unser Investor hat auch die anderen Standorte, die er übernommen hat, erhalten. HEINOLD: Wir haben einen sehr realistischen und aus der Branche kommenden Investor, der das Unternehmen langfristig vorantreiben möchte. Wir bauen lieber ein solides Fundament und nehmen die Mitarbeiter, die bei uns sind, gut mit. Diese Zeit haben wir, denn unser Investor plant langfristig mit uns. Wo sehen Sie im Moment den größten Handlungsbedarf bei den Modemarken? HEINOLD: Das betrifft zum einen die Kollektionsinhalte. Grundsätzlich werden sich alle Marken modernisieren müssen, um stärker am Konsumenten und am Markt ausgerichtet zu sein. Mit nur zwei Kollektionen im Jahr in der Vergangenheit konnte das Unternehmen schwer auf Markteinflüsse reagieren. Aber das ist das, was zählt. Weg vom einzelnen Produkt, hin zum begehrlichen Look einer Marke. Stärker am Markt und am Konsumenten orientieren – wie soll das in der Praxis aussehen? HEINOLD: In der Vergangenheit hat sich das Unternehmen stark an den Handelspartnern ausgerichtet: Was braucht unser Handelspartner? [Anm. d. Red. gemeint sind damit beispielsweise große Kaufhäuser] Wir wollen auch wissen: Was braucht der Konsument, wen wollen wir anziehen? Und für welchen Moment im Leben. Wir begleiten von der Arbeit bis ins Wochenende. Das stellen wir mehr in den Fokus. Woran lag es, dass Ahlers gescheitert ist? HEINOLD: Bei Partnerschaften macht man Geschäfte, die für beide Seiten profitabel sind, das war hier bei den Handelspartnern nicht immer der Fall. Das Unternehmen hat viel verkauft, aber nicht gut genug darauf geachtet, ob das noch ein gutes Geschäft ist. Der Handel hat die Phase der Schwäche wahrgenommen und nach immer mehr Discount gefragt. SCHULTE-ANGELS: Das waren die internen Faktoren. Dann kam extern dazu, dass Galeria und Peek & Cloppenburg Insolvenz angemeldet haben. Das Schiff, was nicht mehr mit Volldampf unterwegs war, bekam dann dadurch richtig starken Gegenwind. Das Unternehmen hat versucht überall mitzuspielen, im Großhandel, im Einzelhandel und mit eigenen Onlineshops bzw. auf sehr vielen Online-Marktplätzen. Jetzt sind wir deutlich agiler unterwegs, weil wir uns auf unseren Kern konzertieren – Großhandel für die vier Marken. [Anm. der Red. New P.C. für Pierre Cardin, New Pioneer, New Baldessarini und der New Pionier Berufsbekleidung] Was steht bei der Umstrukturierung noch im Fokus? HEINOLD: Der Fokus liegt unter anderem auf Preis-Leistung. Wir glauben, dass der Kunde Preissteigerungen nicht endlos mitmachen wird. Deswegen haben wir in dieser Saison ein attraktives Verhältnis bei allen Kollektionen geschaffen. Das hat funktioniert, da wir zum Teil neue Partnerschaften eingegangen sind. Wir arbeiten mit anderen Produktionsstätten zusammen, die uns bessere Preise beim Material und in der Beschaffung anbieten können. Wir haben aber keinen billigeren Wareneinsatz. Wo wird das dann alles produziert? HEINOLD: Unsere eigene Produktion liegt in Sri Lanka, diese werden wir auch weiter betreiben. Über eine andere Kapazitätsauslastung bekommen wir selbst dort andere Preise. Wir produzieren nach wie vor in Asien, in der Türkei und haben einen Denim-Lieferanten in der Ukraine. Wir beschäftigen uns auch stärker mit Bangladesch als aufstrebenden Markt. Dort kommen sehr gute Produkte in guter Qualität her. Aber es gibt ja auch immer wieder Kritik wegen der Produktionsstätten. HEINOLD: Ja, wobei das Ereignis vor zehn Jahren [Anm. der Red. Der Einsturz der Rana-Plaza-Textilfabrik, mit mehr als 1.000 Toten], dafür gesorgt hat, dass die Arbeitsbedingungen extrem kontrolliert werden. So etwas ist heute sicherlich nicht mehr möglich. Ahlers hatte damals schon sehr hohe Standards und die haben wir beibehalten. Wir schauen uns sehr genau an, wo wir hingehen und produzieren lassen. SCHULTE-ANGELS: Unsere Lieferanten müssen extrem hohe Auflagen erfüllen und wir beschäftigen zusätzlich interne Prüfer, die zertifiziert sind. Herr Heinold, Sie haben schon Erfahrungen bei S.Oliver, Esprit, Levis – wie können Sie die in Herford einsetzen? HEINOLD: Das waren Stationen, bei denen der Rhythmus deutlich schneller war. Bei zwölf Kollektionen pro Jahr ist mal eine gut, mal eine schlecht. Also weiß man sofort, wie man reagieren kann. In Herford werden wir daran in Zukunft arbeiten. Wir nehmen uns vor, statt zwei Kollektionen im Jahr, vier zu verkaufen, um das Ganze zu entzerren. Zudem weiß ich, wie man sich genau am Kunden orientiert. Bei Ahlers sah von außen alles gut aus. Trotzdem ist das Unternehmen letztes Frühjahr kollabiert. Das Geschäftsmodell war ein älteres: Diese zwei Kollektionen sind das eine Extrem, zwölf Kollektionen das andere, was auch nicht mehr richtig ist. Das braucht kein Händler. Die Wahrheit liegt dazwischen. Die Anzahl der Mitarbeiter in Herford wurde stark reduziert, soll diese für 2024 und 2025 so bestehen bleiben? HEINOLD: Wir haben sogar wieder ein paar Mitarbeiter eingestellt. Grundsätzlich soll die Mitarbeitergröße erstmal so bestehen bleiben. Aktuell sind bei uns 195 Mitarbeiter beschäftigt. Wir werden uns im Jahr 2024 weiterhin stabilisieren und vorbereiten müssen, um in den nächsten Jahren nachhaltig zu wachsen. Wir sind auf einem guten Weg, wenn wir diesen konsequent verfolgen, brauchen wir bald auch wieder mehr Mitarbeiter. Zum Thema: Alles zur Ahlers-Insolvenz Ahlers: Neuer CEO für Herforder R. Brand Group GmbH war vorher bei namhaften Marken Nach Übernahme durch Röther-Gruppe: Abschied von Ahlers, aber nicht von Herford Röther übernimmt Teile von Herforder Ahlers-Gruppe: Was planen die neuen Eigentümer? Die Ahlers AG in Herford: Das Ende eines Familienunternehmens

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