Lost Places in Herford: Exklusiver Einblick in die frühere Hammersmith-Kaserne

Herford. Lost Places, so genannte verlassene Orte, sind für so manchen Mitbürger wahre Anziehungspunkte. Aufgegebene Industriehallen, alte Bunker oder leer stehende Schwimmbäder, wo die Fliesen von der Wand platzen - sie faszinieren: In Herford ist solch ein Ort hinter einer Menge Stacheldraht verborgen - und liegt auf dem Stiftberg. Von außen ist nur zu erahnen, wie sich das Leben auf dem einstigen Hammersmith-Areal der Briten abgespielt haben muss. Die Stadt hat die mehr als 76.000 Quadratmeter gekauft und will hier ein neues Wohnquartier entwickeln. Vorab hat sich die &bdquo;Neue Westfälische“ auf dem Gelände umgeschaut. Thomas Dickenbrok ist der Herr über die Schlüssel. Mit dem Marketingleiter der Stadtentwicklungsgesellschaft geht es über das weitläufige Areal. Dickenbrok selbst ist begeistert von den Räumen und ihrem teils morbiden Charme. Er verrät mit einem Grinsen: &bdquo;Ich bin Horrorfan.“ In der alten Sporthalle kommt der Boden hoch, in der damaligen Küche liegen verstreut Porzellanscherben herum und die dunklen Vorhänge in den einstigen Zimmern der Soldaten haben auch schon bessere Zeiten erlebt. &bdquo;Es wirkt fast so, als wäre es gerade eben erst verlassen worden“, sagt Dickenbrok. 1.000 bis 1.200 Menschen sollen hier ein neues Zuhause finden Der Lastenaufzug zur Küche steht offen, die Haushaltsgeräte fehlen allerdings, in einer Ecke stapeln sich weiße Teller. &bdquo;Strom und Wasser funktionieren noch“, sagt Dickenbrok. Die Briten lebten hier autark. &bdquo;Hier war England, nicht Deutschland.“ So ist der kurze Hinweis über dem Lichtschalter selbstverständlich in englischer Sprache verfasst: &bdquo;Would you please switch me off bevor you leave“ steht dort heute noch. Bitte das Licht ausmachen, bevor du den Raum verlässt - einen Sinn fürs Stromsparen hatten also auch die Briten. 2015 sind die letzten Soldaten feierlich aus Herford abgezogen. Seitdem entwickelt die Stadt Herford das Bildungscampus-Areal. Gleich neben der noch leer stehenden und eingezäunten Hammersmith-Kaserne liegen etwa die &bdquo;Drei Geschwister“. Auch hier wohnten einst Soldaten. Mittlerweile sind die Gebäude kernsaniert und Studierende der Hochschule für Finanzen NRW leben hier in Wohngemeinschaften zusammen. Für das Hammersmith-Areal hat die Stadt ebenfalls Pläne. 450 Wohneinheiten, ein Supermarkt, ein Parkhaus, ein Versorgungszentrum sowie ein Kindergarten sollen hier entstehen. Ein richtiges neues Quartier also. Mindestens 1.000 bis 1.200 Menschen sollen zukünftig hier ein neues Zuhause finden. Dafür hat die Stadt das Areal kurz vor Weihnachten von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) gekauft. Die Kita wird wohl mit als erstes entstehen. Derzeit laufen nach Angaben von Dickenbrok die Prüfungen für die Bebauung und die Möglichkeiten von Förderungen. &bdquo;Wenn das in den kommenden Monaten positiv abgeschlossen ist, wird dieser mit als erstes realisiert.“ In der überdimensional großen Reithalle haben die Briten für den Kriegsfall geübt Klar ist schon jetzt, wo. Dickenbrok führt zu einem eher flacheren Backsteinbau an der äußersten Ecke des Geländes an Mozartstraße und Stiftskamp. &bdquo;Hier haben die Briten einst ihre Premiumpferde untergestellt“, sagt der Marketingleiter und führt herein. Ein großes, blaugestrichenes Tor öffnet den Blick auf einzelne Ställe mit halbhohen Holztüren. &bdquo;Hier soll die Kita entstehen“, sagt Dickenbrok und führt auf die andere Seite des Gebäudes. Zu sehen ist, wie sich die Natur das von Menschen Erbaute zurückerobert. Die mannshohen Sprossenfenster sind umrahmt von dornigen Kletterpflanzen. &bdquo;Sieht schon toll aus.“ Fast verwunschen. Reiter werden vor allem durch den Anblick eines weiteren Gebäudeteils in schiere Begeisterung verfallen. Die Reithalle der Briten ist für eine normale Reitanlage überdimensional gebaut. Wie lang genau die Halle ist, kann Dickenbrok nicht schätzen. Aber sie ist riesig. &bdquo;Hier haben die Soldaten für den Kriegsfall geübt, aber auch Turniere haben hier stattgefunden.“ Der Sand liegt noch und an den Wänden zeugen Malereien rund ums Pferd und den Reitern von der einstigen Bestimmung. An die Reithalle schließen sich die alten Pferdeställe an. &bdquo;Hier konnten Kutschen hineinfahren, die Tiere direkt versorgt werden“, sagt er. Gegenüber hatten die Panzer und Militärfahrzeuge in großen Fahrzeughallen Platz. Auf die Backsteinbauten mit dem besonderen Charme hat nicht nur der stellvertretende Bürgermeister Werner Seeger ein Auge geworfen: &bdquo;Das ist eines der interessantesten und schönsten Gebiete, die wir in Herford haben“, sagt Seeger zum Areal. Auch Baudezernent Peter Maria Böhm wünscht sich, die Optik der alten Pferdeställe zu belassen: &bdquo;In Großstädten würden sie sich die Finger danach lecken.“ Boden der Sporthalle ist teils aufgebrochen Ein Pluspunkt des Areals ist das Gefälle. Das Gelände weist von den &bdquo;Drei Geschwistern“ bis zu den Pferdeställen einen Höhenunterschied von 15 Metern auf. &bdquo;Es kann terrassenförmig richtig toll bebaut werden“, sagt Dickenbrok. Eine Mischung aus großen und kleineren Wohnungen, aus Eigentum und Mieten, Lofts, aber auch seniorengerechten Wohnungen, Doppel- und Reihenhäusern sowie zwei- und dreigeschossige Gebäude könnten hier entstehen. Dafür werden die alten Kasernen weichen müssen. Die Flure der damaligen Wohnräume versprühen heute einen eigentümlichen, teils gruseligen Charme. Blauer Teppichboden dämpft die Schritte, die Vorhänge hängen noch, lassen kaum Sonnenlicht hinein. Ein kurzer Rundgang reicht, um die Fantasie spielen zu lassen. Hier geht es lieber schnell wieder raus, rein in die damalige Sport- und Versammlungshalle der britischen Streitkräfte. &bdquo;Wenn der Boden nicht hochkommen würde, könnte man meinen, man wäre in einer Schulsporthalle“, sagt Dickenbrok und lacht. Zumindest in einer, die noch keine Modernisierung erfahren hat. &bdquo;Leider ist hier alles raus, was als Deko herhalten könnte.“ Anfragen bekommt die Stadtentwicklungsgesellschaft dennoch immer mal wieder. &bdquo;Jemand hat uns gefragt, ob man den Hallenboden nutzen könnte, um daraus Tische herzustellen“, nennt Dickenbrok ein Beispiel, der aber nicht verrät, ob die Anfrage fruchten wird. Wer sich selbst ein Bild von dem Lost Place machen möchte: Thomas Dickenbrok führt im Frühjahr bei verschiedenen Touren Interessierte über das Gelände. Dabei gibt er nicht nur viel Hintergrundwissen mit und zeigt die verborgen Plätze: &bdquo;Es gibt sogar eine extra Lost-Places-Fototour.“

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