Beratung und Hilfe bei Prostitution und Menschenhandel im Kreis Herford

Kreis Herford. Sie setzen zwar unterschiedliche Schwerpunkte in ihrer Arbeit, dennoch haben sie bei ihren Klientinnen nicht selten Überschneidungen - die beiden Fachstellen &bdquo;Nadeschda“ - für Betroffene von Menschenhandel - und &bdquo;Theodora“ - für Prostituierte und solche mit einem Ausstiegswunsch. Jetzt berichteten Corinna Dammeyer, Sozialarbeiterin und Mitbegründerin von Nadeschda und Katharina Hontscha, Mitarbeiterin bei Theodora im Sozialausschuss der Stadt Herford über ihre Arbeit. Beide Fachstellen sind für ganz Ostwestfalen-Lippe die Anlaufstellen für Betroffene. 108 Frauen hat Nadeschda im Jahr 2022 - dem letzten vollständigen Erfassungsjahr - beraten, im Jahr davor waren es 79. &bdquo;Wir zählen auch immer die Kinder mit, die die Frauen entweder mitbringen oder im Zeitraum der Beratung bekommen - das waren 2022 27 Kinder und 23 im Jahr davor“, berichtet Corinna Dammeyer. Exemplarisch erzählt sie die nicht selten traumatisierende Geschichte, die die Mehrzahl der Klientinnen von Nadeschda erleben: &bdquo;Eine nigerianische Frau wird in ihrem Heimatland angesprochen und gefragt, ob sie nach Europa will. Sie lässt sich darauf ein und wird von Schleppern - meist über Italien - nach Deutschland gebracht. Die Versprechen, die ihr im Vorfeld gemacht wurden, werden nicht eingehalten. Sie landet in der Prostitution. Sie spricht die Sprache nicht und hat Angst vor der Polizei. Solche Frauen kommen zu uns.“ Lediglich zehn Prozent werden von der Polizei vermittelt Ein Drittel der Frauen, die von Menschenhandel betroffen waren, kamen 2022 aus Nigeria, weitere aus Ghana, Angola, Gambia, Guinea und auch zehn Prozent aus Deutschland. Meist sind sie zwischen 18 und 35 Jahre alt. &bdquo;Nur lediglich zehn Prozent werden durch die Polizei an uns vermittelt“, so Dammeyer. Die charakteristischen Merkmale von Tatbestand &bdquo;Menschenhandel“ seien klar festgelegt: &bdquo;Das sind sexuelle Ausbeutung, Arbeitsausbeutung, Ausbeutung zu strafbarem Handeln, zum Beispiel fällt Drogenhandel darunter, Ausbeutung zur Betteltätigkeit sowie Rechtswidrige Organentnahme. Zukünftig sollen noch Leihmutterschaft und Zwangsheirat dazu kommen.“ Um die Frauen, die zu Nadeschda kommen, zu schützen, werden OWL-weit drei eigene Schutzwohnungen mit jeweils zwei Zimmern vorgehalten. Ansonsten arbeitet Nadeschda mit Frauenhäusern in ganz OWL zusammen sowie mit der ZUE Herford, mit den Kommunen, die Kommunale Unterkünfte haben, mit Wohngruppen für Minderjährige, die über Jugendämter vermittelt werden, sowie mit Mutter-Kind-Einrichtungen. &bdquo;Wenn die Frauen soweit sind, unterstützen wir sie auch, selbst Wohnungen anzumieten. Doch das ist nicht einfach, wenn bekannt wird, dass einmal Prostitution ein Thema war. Dann haben Vermieter nicht selten Befürchtungen, in der Wohnung könnte Prostitution stattfinden“, so Dammeyer. Aufsuchende Arbeit ist bei der Prostituierten-Beratung unerlässlich Von ähnlicher Problematik berichtet auch Katharina Hontscha von der Beratungsstelle Theodora für Frauen in der Prostitution und für Prostituierte mit Ausstiegswunsch. &bdquo;Auch wir haben aufgrund von Vorbehalten der Vermieter Schwierigkeiten, Mietwohnungen für Frauen zu finden, die den Ausstieg geschafft haben.“ Die aufsuchende Arbeit sei ein wesentlicher Schwerpunkt der Arbeit von Theodora. &bdquo;Ohne dass wir an die Orte gehen, an denen die Frauen arbeiten, wird die Zielgruppe mit Informationen und Hilfeangeboten nicht erreicht. Das liegt daran, dass viele Prostituierte aufgrund ihrer geringen Sprachkenntnisse und fehlenden Wissens über das deutsche Sozialsystem gar nicht in der Lage sind, nach Beratungsangeboten zu suchen“, so Hontscha. Im Jahr 2022 nahmen Mitarbeiterinnen von Theodora Kontakt zu 512 Prostituierten auf, die vornehmlich aus Rumänien, Bulgarien, Thailand und Polen stammten. Von Januar bis Dezember 2022 wurden 139 Frauen intensiv und individuell beraten und betreut. Dazu kam die Betreuung von 37 Kindern dieser Klientinnen. Die Beratung für Frauen in der Prostitution ist häufig von Gesundheitsthemen geprägt. &bdquo;Allerdings sind im Jahr 2022 47 Prozent unserer Klientinnen ausgestiegen und 11 Prozent hatten einen Ausstiegswunsch“, so Hontscha. Beide Vertreterinnen der Fachstellen betonten den dringenden Bedarf an Dolmetscherinnen. &bdquo;Wir würden gerne einen Dolmetscherinnen-Pool aufbauen und erhoffen uns dabei auch die Unterstützung von den Kommunen“, so Dammeyer. Verständigung und Kommunikation sei ein immens wichtiger Bestandteil der Arbeit von Nadeschda und Theodora. &bdquo;Wir sind auf der Suche nach Frauen, die möglichst Muttersprachlerinnen sind. Aber sie müssten das, was übersetzt wird, auch ertragen können. Dafür würden sie allerdings auch von uns geschult.“

Meistgelesen