So sieht es hinter den Mauern der Herforder Flüchtlingsunterkunft aus

Kreis Herford. Sie kommen aus dem Libanon, Irak, Angola, Syrien, Nigeria, Sri Lanka, der Türkei: 723 Menschen aus 41 verschiedenen Kulturen, darunter 136 Kinder und Jugendliche, leben derzeit in der Zentralen Flüchtlingsunterbringung (ZUE). Esther Klaer leitet die Einrichtung der Bezirksregierung Detmold seit zwei Jahren. Sie bemüht sich um Transparenz, hat Anwohnergespräche im Vierteljahres-Rhythmus eingeführt, möchte auf die so unterschiedlichen Welten aufmerksam machen, sensibilisieren. Zur Interkulturellen Woche ist die Flüchtlingsunterbringung für alle geöffnet. Die "Neue Westfälische" hat einen Blick hinter die Mauern geworfen. Die ehemalige Kaserne ist seit 2015 eine Unterkunft für Menschen, die ihre Heimat verlassen haben. Wie viele Männer, Frauen und Kinder hier auf Zeit leben, schwankt. Kriege, wirtschaftliche Krisen oder Naturkatastrophen bringen Menschen dazu, zu flüchten. Doch nicht alle, die in Herford ankommen, können in Deutschland bleiben. "Alle befinden sich hier im Asylverfahren", sagt Klaer. Die Verweildauer ist lang: Bis zu 24 Monate bei alleinreisenden Männern, und auch Familien müssen bis zu sechs Monate auf einen positiven oder negativen Bescheid warten, so die Leiterin. Wird Asyl gegeben, geht es für die Menschen von Herford aus in eine NRW-Kommune. In Herford bleibt niemand. "Herford ist nicht mehr in der Aufnahmepflicht, da die ZUE auf die Kommune angerechnet wird", teilt Esther Klaer mit. ZUE ist vollständig ausgelastet Das Kolping-Bildungswerk Paderborn kümmert sich im Auftrag der Bezirksregierung Detmold um die geflüchteten Menschen. Die Mitarbeiter haben gemeinsam mit den Bewohnern den Tag der offenen Tür am Samstag vorbereitet. "Fast 100 Mitarbeitende - gut 50 Prozent haben selbst einen Migrationshintergrund - sind von uns für die Leute da, wir verteilen die Zimmer, organisieren die An- und Abreise und Bildungsangebote, aber auch Freizeitaktivitäten", sagt der stellvertretende Leiter vom Betreuungsverband, Thomas Selin. Tanzen steht bei vielen der Bewohnerinnen und Bewohner hoch im Kurs. Dort, wo normalerweise ein Billardtisch steht und Fernsehen geschaut werden kann, zeigen Jugendliche und Erwachsene Tänze aus ihrer Heimat. Musik verbindet - da stehen die unterschiedlichsten Kulturen gemeinsam auf der Bühne. Bei der Unterbringung versucht die Leiterin hingegen dafür zu sorgen, dass sich manche Kulturkreise nicht vermischen. "Um Konfliktpotenzial von vorneherein zu vermeiden", sagt Klaer. Doch nicht immer sei das möglich. Derzeit ist die ZUE mit knapp 730 Bewohnern vollständig ausgelastet. Das liege daran, dass aus baulichen Gründen nicht alle Plätze belegt werden können. Zudem gibt es viele vulnerable Personen, Menschen, die zum Beispiel eine onkologische Behandlung benötigen. "Und die müssen besonders geschützt werden." Zwei Lehrerinnen unterrichten die Kinder Die Häuser sind daher unterschiedlich belegt. Alleinreisende Männer bleiben ebenso unter sich wie Familien und alleinreisende Frauen, so Klaer. Bis zu acht Personen leben in einem Zimmer. Doppelstockbetten, Spinde, Stühle und ein Tisch - es ist spartanisch eingerichtet. Der Betreuungsverband kocht frisch in einer Kantine - in der es am Tag der offenen Tür Kuchen und Kaffee gibt - zudem gibt es auch eine Bewohnerküche. 136 Kinder und Jugendliche leben hier. 98 davon sind im schulpflichtigem Alter. Eine Herforder Schule dürfen sie nicht besuchen. Zwei Lehrerinnen bieten vor Ort Unterricht an, es gibt auch eine Kinderbetreuung und eine psychologische Beratung. In einer Sprechstunde der Bezirksregierung können Bewohner täglich ihre Sorgen loswerden, ein Infopunkt ist rund um die Uhr besetzt und auch eine Sanitärstation ist hier integriert. Der Krankenpfleger Mario Ohl hat die Leitung inne und versorgt gemeinsam mit der medizinischen Fachangestellten Veronika Neu und einer weiteren Kollegin die Menschen. "Man kann unsere Behandlungsräume am ehesten mit einer Arztpraxis vergleichen", sagt Ohl, der die Herausforderung, die der Job mit sich bringt, schätzt. Mit dem Bewohner gilt es herauszufinden, welches medizinische Problem vorliegt - und zwar oft ohne dieselbe Sprache zu sprechen. Sanitätsstation ist für die Akutversorgung zuständig Die Akutversorgung leiste das Team vor Ort. Wenn sich jemand etwa beim Fußball den Fuß umknickt oder über Kopfschmerzen klagt, so Ohl, der in der Unfallchirurgie mehr als 1.000 Menschen gepflegt hat und Erkrankungen erkennen kann. Hat ein Bewohner aber ein Loch im Zahn, muss er zum Zahnarzt. "Wir haben super Ärzte, mit denen wir zusammenarbeiten", sagt der Krankenpfleger, der betont, dass es keine Bevorzugung für Flüchtlinge gibt. "Wir machen wie jeder andere auch ganz normal einen Termin." Damit geht er auf die polarisierende Aussage von CDU-Parteichef Friedrich Merz ein. Er hat mit einer Aussage über Migranten, die sich beim Arzt die Zähne machen ließen, für Kritik gesorgt. Die Notversorgung werde geleistet, "aber kein Flüchtling kann sich kostenlos die Zähne aufhellen lassen", so Ohl. Die Sorgen der direkten Anwohner nehme die ZUE Ernst. Um schnell und unkompliziert ins Gespräch zu kommen, lädt Klaer alle drei Monate zu Treffen ein. "Vieles lässt sich auf dem kurzen Weg klären", sagt die Leiterin, die bei den Treffen nicht nur ins Gespräch kommen möchte, sondern auch aufklären will. Denn nicht für jedes Problem mit Migranten seien die Bewohner der ZUE verantwortlich. Weg vom Schubladendenken ist daher ein großes Themenfeld. Aber auch die Bewohner selbst werden sensibilisiert. In einem Projekt sammeln sie rund um die Saarstraße wilden Müll. Auch ist Bezirksbeamte Mario Meyer für alle Seiten als Ansprechpartner vor Ort.

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