Schulden und große Investitionen: So steht’s um die Finanzen der Stadt Herford

Herford. Die besten Schulden seien natürlich immer die, die man nicht habe, räumt Bürgermeister Tim Kähler gleich zu Beginn des Pressegesprächs in seinem Büro im Rathaus ein. Neben dem Bürgermeister sitzt der Stadtkämmerer Jochen Strieckmann, der eine Menge Zahlen und Diagramme mitgebracht hat. Grund des Treffens: die jüngst veröffentlichten Zahlen des Statistischen Landesamtes NRW. Geht man die dort am 26. Juli veröffentlichten Zahlen für die Stadt Herford durch, so ist eine Gesamtschuldenzahl von knapp 335 Millionen Euro für das Jahr 2022 aufgeführt. Teilt man diese Zahl durch Herfords Einwohnerzahl, so ergibt das eine Pro-Kopf-Verschuldung von knapp 5.000 Euro pro Bürger. Damit ist Herford Spitzenreiter in OWL. Dieser Zahl widersprechen Bürgermeister und Kämmerer jedoch vehement: &bdquo;So gerechnet ergibt das ein falsches Bild“, sagt Kähler. Warum die Schuldensumme abweicht Die Zahlen aus der Stadtkämmerei weisen statt der 335 Millionen Euro des Statistischen Landesamtes IT NRW lediglich eine Schuldensumme von rund 258 Millionen Euro aus. &bdquo;Wir haben zum Teil Verbindlichkeiten rausgerechnet, die wir für unsere Beteiligungsgesellschaften aufgenommen und natürlich an diese weitergegeben haben“, so Kähler. Da die Stadt Herford im Vergleich zu anderen Kommunen außergewöhnlich viele Beteiligungen habe, sei es um so wichtiger, diese Schulden aus der Gesamtsumme herauszurechnen. &bdquo;Im Grunde sind das die Schulden zum Beispiel der Stadtwerke, der Stadtentwicklungsgesellschaft SEH oder der WWS“, so Kähler. Die Stadt nehme die Kredite nur deshalb auf, weil sie bessere Konditionen bei den Banken bekomme. &bdquo;Würden wir unsere Gesamtschuldenlast für das Jahr 2022 zugrunde legen, kämen wir auf eine Pro-Kopf-Verschuldung von rund 3.800 Euro in Herford“, rechnet Strieckmann vor. Vermögen müsse gegengerechnet werden, so Kähler Allerdings ist Kähler auch hiermit nicht einverstanden: &bdquo;Es ergibt doch grundsätzlich ein falsches Bild, wenn ich mir nur die Schulen anschaue und dabei nicht das Vermögen gegenrechne“, so der Bürgermeister. Ja, die Verschuldung sei in den letzten Jahren mehr geworden – das zeigen auch die Zahlen, die Strieckmann mitgebracht hat: Zum 31. Dezember 2018 lag die Schuldensumme bei gut 200 Millionen Euro. Das Vermögen der Stadt wurde damals mit knapp 259 Millionen angegeben. Für 2022 liegen die Zahlen nun bei 258 Millionen Schulden und bei 359 Millionen Vermögen. &bdquo;Daran ist zu sehen, dass parallel immer mehr Vermögen aufgebaut worden ist“, so Kähler. Zu den Vermögenswerten der Stadt gehörten zum Beispiel der Bildungscampus, Investitionen in die städtische Wohnungsgesellschaft WWS oder in die Stadtwerke. &bdquo;Wichtig ist, dass eine Stadt immer Vermögen in der Hinterhand hat, das im Notfall auch schnell wieder in liquide Mittel umgewandelt werden kann“, erklärt der Bürgermeister. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Stadt auch in Notsituationen finanziell handlungsfähig bleibe. &bdquo;Auch Investitionen in Schulen oder Straßen und Wege bauen letztendlich Vermögen auf. Das kann allerdings nicht schnell wieder veräußert werden.“ Herausforderungen sieht Kähler vor allem im Bereich Soziales Dass die Stadt Herford handlungsfähig bleibe, sei vor allem deshalb so wichtig, weil &bdquo;ohne Frage noch weitere große Herausforderungen auf uns zukommen“, so Kähler. Und diese sind aus seiner Sicht vor allem im Bereich Soziales zu erwarten. &bdquo;Wir müssen zum Beispiel die Energie- und Wärmewende in unserer Stadt so gestalten, dass sowohl Bürger als auch Unternehmen Planungssicherheit haben.“ Eine weitere Frage werde sein, was Wohnen in Zukunft kosten werde. &bdquo;Gerade bei Menschen mit geringem Einkommen wird zunehmend die Frage aufkommen, wie sie sich die Miete und vor allem auch die Nebenkosten noch leisten können. Bei diesen Problemen, die mehr werden, wird die Stadt nicht kneifen dürfen. Schließlich geht es hier um Fragen der Daseinsvorsorge“, so der Bürgermeister. Ein weiteres herausforderndes Themenfeld sei die Verkehrswende. &bdquo;Wir sind hier mit der Stadtverkehrsgesellschaft auf einem guten Weg. Wir müssen aber gewährleisten, dass wir Mobilität für alle bereitstellen. Die Antwort kann am Ende nicht sein, dass das Monatsticket 100 Euro kostet und dass wir nur für die Reicheren Mobilität organisieren.“ In diesen Fragen sei eine Art &bdquo;Umbau-Solidarität“ gefragt, so Kähler weiter. &bdquo;Diese Herausforderungen werden wir nur meistern, wenn wir einen grundlegenden gesellschaftlichen Konsens haben, dass stärkere Schultern stärker tragen und schwächere eben weniger. Nur so können wir alle mitnehmen.“ Im zweiten Halbjahr wird übers OWL-Forum entschieden Eine weitere Frage werde aus Sicht des Bürgermeisters bald geklärt werden – nämlich, ob sich die Stadt Herford ein OWL-Forum und somit eine weitere große Investition in dem Bereich Kultur leisten will. &bdquo;Nicht sofort, aber mittelbar wird sich eine solche Investition auszahlen“, so die Einschätzung des Stadtkämmerers, der insbesondere auf weiche Standortfaktoren und somit auf eine Steigerung der Attraktivität der Stadt Herford verweist. &bdquo;Und eines kann ich versprechen“, so der Bürgermeister. &bdquo;Wir machen das alles sehr überlegt, was die Finanzen angeht.“ Die massiven Investitionsbedarfe im Kulturbereich gebe es schon seit langer Zeit in Herford. &bdquo;Bislang hat sich die Politik aber einfach immer entschieden, gar nichts zu tun. Jetzt haben wir von Verwaltungsseite aber alle Grundlagen geschaffen, um eine Entscheidung zu ermöglichen“, sagt Kähler. In diesem zweiten Halbjahr werde über das OWL-Forum entschieden. &bdquo;Kneifen gilt jetzt nicht mehr.“

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