OWL Crime - mit Podcast

Bankraub mit Blasenschwäche: Die kriminelle Karriere der Opa-Bande aus OWL

14 Banküberfälle, rund 1,4 Millionen Euro Beute: Im Herbst 2004 schreiben Herforder und Iserlohner Ermittler mit drei Festnahmen Kriminalgeschichte. Wie die Verbrecher-Rentner unentdeckt blieb, ist Thema in der aktuellen Podcast-Folge.

Die Mitglieder der Opa-Bande tragen immer Sturmhauben, sind schwer bewaffnet und schlagen, wenn sie nicht schnell genug an die Beute kommen, auch auf ihre Opfer ein. Die Ermittler wissen schnell, dass sie es mit Serientätern zu tun haben. | © Polizei Herford

18.05.2023 | 28.02.2024, 15:24

Herford. Die drei Männer gehen brutal vor. Mit vorgehaltenen Maschinenpistolen und bewaffnet mit Handgranaten stürmen die vermummten Räuber in die Banken, oft mit einem Vorschlaghammer oder einer Spaltaxt, mit denen sie die Sicherheitsscheiben zertrümmern. Wenn es ihnen nicht schnell genug geht, schlagen sie ihre Opfer. 14 Banküberfälle seit dem Jahr 1988 gehen auf das Konto des Trios. Ihre Beute: rund 1,4 Millionen Euro.

Für die Ermittler der Kreispolizei Herford und Iserlohn, die ihnen auf den Fersen sind, steht schnell fest, dass sie es mit Serientätern zu tun haben – aber die Beamten ahnen zunächst noch nicht, dass sie mit ihren Ermittlungen bundesdeutsche Kriminalgeschichte schreiben werden. Und es bei den Tätern neben Banküberfällen auch um Bandscheiben- oder Blasenprobleme geht.

Brutales Vorgehen: Die Männer bedrohen zwei Opfer mit Waffen. Aber sie schlagen auch zu, wenn es ihnen nicht schnell genug geht. - © Jobst Lüdeking
Brutales Vorgehen: Die Männer bedrohen zwei Opfer mit Waffen. Aber sie schlagen auch zu, wenn es ihnen nicht schnell genug geht. | © Jobst Lüdeking

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Innerhalb von 16 Jahren raubt die Opa-Bande in Westfalen und Niedersachsen 14 Banken aus

Von der Kamera erfasst: Zwei der Mitglieder der Opa-Bande bei ihrer Flucht aus der Bank in Herford. - © Polizei Herford
Von der Kamera erfasst: Zwei der Mitglieder der Opa-Bande bei ihrer Flucht aus der Bank in Herford. | © Polizei Herford

Wegen ihres Alters fielen die Rentner zunächst aus dem Fahndungsraster

Mit Maschinenpistolen und Vorschlaghammer führen die betagten Kriminellen ihre Raubzüge durch

2002 hatte das Trio seinen Beutezug in Löhne begonnen und danach in Herford, Bad Oeynhausen, Bad Salzuflen, Bad Pyrmont,Schwerte, Hemer, Fröndenberg und Unna fortgesetzt.

Das Alter der Bankräuber wirkt sich schließlich auf die Länge der Haftstrafen aus.

Von den Männern, die sie verfolgen und im November 2004 festnehmen, sind zwei damals 73 und 72 und einer 63 Jahre alt. Als Opa-Bande, als womöglich Deutschlands älteste Bankräuber, wird das Trio bundesweit weit bekannt.

Offiziell gibt es 400 Euro Rente für den Kriminellen

Nach außen hin wirken die Bankräuber seriös: Einer von ihnen lebt auf einem Bauernhof in der Nähe von Bielefeld, der andere betreibt eine Motorradwerkstatt in Iserlohn, in der er wohnt und offiziell von 400 Euro Rente lebt. Der Dritte hat – weil er kaum Rente bekommt - sein Geld auf dem Konto gebunkert. Die Senioren leben bescheiden, geben möglichst kein Geld aus, protzten nicht. Einer der Männer fährt einen alten Opel, der andere Fahrrad.

Nette ältere Herren, die Stoff für eine Krimi-Komödie liefern könnten? Mitnichten: Die Männer, so der damalige Iserlohner Polizeidirektor Ulrich Biermann, seien alles andere als „liebenswerte Opis" gewesen: „Wenn jemand im Kassenraum eine Pistole demonstrativ durchlädt, braucht der nicht mehr viel zu sagen." Und jeder von ihnen bringt es auf eine zweistellige Zahl von Gefängnis-Jahren: Der 72-Jährige hat vier Jahrzehnte abgesessen, sein 73-jähriger Komplize 16 Jahre und der „Benjamin" der Truppe hat von seinen 63 Lenzen schon zehn als Haftstrafe verbüßt. Kennengelernt hatten sich zwei von ihnen in der Justizvollzugsanstalt Detmold. Und auch in ihrem verbrecherischen Metier kannten sich die Männer aus.

Wie die Täter auf Banken in Herford und OWL kommen

Der damals 72-jährige Räuber hatte bis 1989 im Kreis Herford gelebt, war dann aber nach einem Bankraub zu zehn Jahren Haft verurteilt worden. Bereits damals war er mit dem 63-Jährigen auf Raubzug gewesen. Beide hatten eine Bank in Rietberg-Bokel ausgeraubt. Zuvor war eine Filiale im lippischen Asemissen heimgesucht worden. Durch den früheren Herforder hatte die Bande Ostwestfalen mit seinen ländlichen Filialen in den Blick genommen.

Die letzte Serie von Banküberfällen begann im Kreis Herford. Am 10. Januar 2002 überfielen sie die Sparkasse in Löhne, dann die in Herford-Eickum (7. November 2002) und Bad Oeynhausen (25. November 2002). In Löhne startete auch ein weiterer Raubzug im Jahr 2003, diesmal am 13. Januar. Es folgten zum Winter hin wieder Bad Oeynhausen (28. Oktober), die Sparkasse in Bad Salzuflen-Wüsten und eine Volksbank im niedersächsischen Bad Pyrmont. Kurz danach schlugen die Täter noch in Unna und Hagen zu.

Wie sehr die betagten Männer ihre Opfer leiden lassen, zeigt sich bei den Befragungen der Bankmitarbeiter und -kunden im späteren Gerichtsverfahren. Die beschreiben das Trio als aggressiv. „Die haben die ganze Zeit geschrien, aber dabei hätten wir ihnen das Geld auch gegeben, wenn sie weniger aggressiv gewesen wären. Das Gefühl der Angst hält bis heute vor", erzählt eine Kassiererin einer Sparkasse in Schwerte. „Die wussten genau, was sie wollten."

Raubzüge minutiös geplant

Ein jüngerer Kollege der Frau: „Ich hörte, wie einer rief: „Wenn das nicht schneller geht, schieße ich der Frau in den Bauch". Immer das gleiche Vorgehen, der gleiche Habitus der Räuber – für die Ermittler steht schnell fest, dass sie es mit Serientätern zu tun haben. Aufgrund der bisherigen Erkenntnisse steht fest, dass es sich bei dem Trio um schwer bewaffnete Intensivtäter handelt, die äußerst gewaltbereit gegenüber den Angestellten der Geldinstitute sowie den Kunden verhielten", skizziert es ein Ermittler.

Doch die Altersgruppe der Über-60-Jährigen haben die Beamten, die sich ab 2003 Ermittlungsgruppe „OPA" nennen, zunächst nicht im Blick. Erst später per Rasterfahndung – und wohl auch wegen eines Tipps eines Bekannten der Männer aus dem Knast - erweitert die EK "OPA" die Altersgruppe der möglichen Tatverdächtigen und stößt schließlich auf das Trio. Die Männer werden observiert, ihre Telefone angezapft, Wanzen in Autos und Kameras im Umfeld angebracht. Fest steht, dass die Täter es auf ländliche Filialen abgesehen haben.

Dort hat die Polizei längere Anfahrtswege. Fest steht auch, dass die Täter immer im Herbst und Winter kurz vor Schalterschluss zuschlagen, wenn es bereits dunkel ist. Auch das erleichtert ihnen das Entkommen. Die Männer, so stellen die Polizisten fest, planen ihre Beutezüge minutiös. Erschreckend: Auch gegenüber möglichen Polizeibeamten wollen sie rücksichtslos von Schusswaffen und Handgranaten Gebrauch machen, so die Abhörergebnisse.

Sie wollen bis Menden und kommen bis Wickede

Die Ermittler wollen warten und sie auf frischer Tat fassen. Schließlich bereiten sich die drei Senioren im Herbst 2004 auf einen neuen Überfall, diesmal auf eine Bank im sauerländischen Menden, vor – doch sie kommen nur bis Wickede bei Soest. Ein Spezialeinsatzkommando der Polizei stoppt die drei schwer bewaffneten Gangster Ende November. Festnahme, einen Tag später werden ihnen die Haftbefehle verkündet. Es geht für sie – mal wieder - in Untersuchungshaft.

Die Herforder und Iserlohner Ermittler nehmen nun die Wohnungen und das Umfeld des Trios in den Blick. Bei Durchsuchungen werden noch rund 400.000 Euro aus der Beute gefunden. „Wir vermuten, dass sich um eine Art Altersvorsorge handelt", erklärt Thomas Marx, damals Chef der Zentralen Kriminalitätsbekämpfung (ZKB) der Herforder Polizei. Und so war das Hauptmotiv für die Überfälle – wie sich später herausstellte - wohl tatsächlich der Geldbedarf wegen der geringen Rentenansprüche.

Schließlich beginnt im Jahr 2005 der Prozess vor dem Landgericht Hagen - und die im Umgang mit der Justiz geübten Kriminellen legen Geständnisse ab. "Es ist unglaublich, wie einfach es ist, eine Bank zu überfallen", sagt der 72-Jährige vor dem Landgericht Hagen. Klar wird im Prozess auch, dass das Trio längst nicht so agil ist, wie es die Bilder der Überwachungskameras auf den Banken vermuten lassen. Der 73-Jährige rutscht beim Überfall in Löhne aus, schafft es nur mit Hilfe seiner Komplizen bis zum Fluchtwagen. Und auch seine Blasenschwäche wird ihm von seinen Mittätern immer wieder vorgehalten. Dazu kommen Probleme mit Bandscheiben, den Knien oder beim Treppensteigen. Das Treppensteigen ist ein so großes Problem, dass die Männer sogar davon absehen, eine zunächst ausgewählte Bank zu überfallen, weil der 74-Jährige sonst zu viele Stufen bewältigen müsste.

Haftstrafen für die Opa-Bande

Schließlich gibt es das Urteil. Das Gericht hätte, wie damals spekuliert wurde, durchaus 15 Jahre Haft und anschließende Sicherungsverwahrung verhängen können. Stattdessen werden die beiden ältesten Räuber zu je neun Jahren und der damals 64-Jährige zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt. "Man wird einem älteren Angeklagten die Hoffnung ermöglichen müssen, die Entlassung noch zu erleben", sagt der Vorsitzende Richter Horst-Werner Herkenberg in der Urteilsbegründung. Allerdings könne es auch keinen übermäßigen Altersrabatt bei der Haftstrafe geben: "Es handelt sich nicht um Kindereien älterer Herren, die man mit Augenzwinkern begleiten könnte."