Herford. Wer seine Mitmenschen dabei beobachtet, wie sie ihr Frühstücksei öffnen, der wird über die Vielzahl der Möglichkeiten wohl staunen: An den Frühstückstischen wird gehämmert und geköpft, sanft angeschlagen, vorsichtig gerollt und behutsam das Eiweiß eingeritzt. Was sagt das über den Charakter der handelnden Personen aus? Hier einige - nicht ganz ernst gemeinte - Deutungsversuche passend zum Osterfest.
Die Entschlossenen
Dieser Typus fackelt nicht lange: Er - oder auch sie - nimmt das Messer, peilt eine Schnittlinie im oberen Drittel an und köpft das Ei. Üblicherweise steht es dabei noch im Eierbecher. Der Schwung kommt aus dem Handgelenk. Gelingt's, ist die Schnittkante glatt und eben.
Auch wenn Kritiker es gerne anders sehen: Wer köpft, ist kein brutaler Typ, der nur mit Gewalt zum Ziel gelangt und kurzen Prozess mit allem und jedem macht. Ei-Köpfer sind gradlinig, legen Wert auf Ästhetik, reden weder um den heißen Brei, noch pellen sie lange Eier. Und sie sind schwungvolle Typen, die durchziehen. Denn sonst würde das Köpfen mit dem Messer nicht klappen.
Pressesprecherin Gerda-Marie Kleine vom Lions-Clubs Herford-Radewiga gehört zu denen, die das Ei mit dem Messer köpfen: "Wenn wir zu viert am Frühstückstisch sitzen, sind zwei dabei, die es wie ich mit dem Messer öffnen und zwei, die auf das Ei klopfen und die gesprungene Schale stückchenweise abziehen. Auch Bürgermeister Tim Kähler macht es "so, wie es sich gehört: Mit dem Messer Zweidrittel aufschlagen, dann wird der Kopf seitlich weggebrochen".
Sinan Pekcanli vom Cerdo Eiscafé ist eher der entschlossene Typ, wenn es darum geht, sein Frühstücksei zu verzehren. Gleiches gilt für den Kunden Bernd Heise. Die Herforder köpfen das Ei mit einem geraden Schnitt im oberen Drittel.
Die Freundlichen
Die mit am weitesten verbreitete Spezies schlägt dem Ei vorsichtig mit dem Löffel den Kopf an, alternativ mit dem Messer, falls die Schale zu hart ist. Das klingt rabiat, ist bei genauerer Betrachtung aber eine eher vorsichtige Vorgehensweise. Dieser Typus nähert sich der Sache bedächtig: Nach dem Klopfen, kontrolliert er mit kurzem Blick, ob er ausreichend Schaden angerichtet hat, greift dann an der passenden Stelle zu und zieht das Ei soweit aus, dass er an sein Inneres gelangt.
Diese Sorte Mensch macht keine halben Sachen, auch wenn sie keine keine Hau-ab-die-Rübe-Type ist. Sie ist freundlich beim Anklopfen, weiß dennoch, was sie will und gelangt dann konsequent ans Ziel. Schließlich ist der Anklopfer auch feinsinnig: Er erspart sich das Knirsch-Geräusch, das ein Messer beim Köpfen verursacht und damit nicht weit entfernt vom Zahnarzt-Erlebnis liegt.
Selcan Pekcanli vom Cerdo Eiscafé schlägt ihr Frühstücksei behutsam mit dem Löffel auf, bis sie die gebrochene Schale soweit abpellen kann und das Innere zum Vorschein kommt.
Die Unkonventionellen
Statt dem Ei den Schädel einzuschlagen, klopft diese Spezies das Ei auf den Tisch, begutachtet kurz die Bruchstelle, greift zu und pellt die Schale ab. Nur auf den ersten Blick ist das Vorgehen dem Anklopfen mit dem Löffel ähnlich. Denn während das Anklopfen ebenso wie das Köpfen vom Knigge, dem führenden Benimm-Regelwerk, gedeckt ist, gilt das Aufschlagen auf dem Tisch als nicht so fein.
Derjenige, der trotzdem so vorgeht, vor allem in einem unpassenden Umfeld, dem sind die Anstandsregeln egal, der muss niemandem etwas beweisen. Er findet meist auch in neuen, ihm unbekannten Situationen schnelle Lösungen. Sprich: Sein Vorgehen deutet auf einen kreativen und unkonventionellen Geist. Das zeigt sich auch bei der Kontaktanbahnung: Die verläuft bei diesem Typus unkompliziert.
Die Praktischen

Kennen Sie den Eierschalen-Sollbruchstellenverursacher? Dabei handelt es sich um einen Metallstab mit Metallkugel und einer Art Metall-Hut oder -Glocke. Ein Vertreter dieser Spezies setzt dem Ei im Becher den Hut auf, schiebt dann die Kugel am Stab hoch und - lässt sie fallen. Ein lautes Klack verrät, dass die Schale des Eis gebrochen ist, und zwar genau dort, wo der Ei-Hungrige es braucht, und das auch noch mit exakt gerader Kante.
Wer einen Eierschalen-Sollbruchstellenverursacher benutzt, mag die logische Konsequenz, mit der die Schale an nahezu immer der gleichen Stelle bricht. Er muss zudem nicht selbst tätig werden und erhält ein berechenbares Ergebnis. Zwei Typen nutzen das Gerät: die Bequemen, die ansonsten zwei linke Hände haben. Und die technisch Versierten, denen Sie ohne Bedenken ihre defekte Waschmaschine anvertrauen können: Sie werden sie instandgesetzt zurückbekommen. Auf die eine oder andere Art sind beide Typen also sehr praktisch veranlagt.
NW-Redakteur i. R. Hartmut Braun hat ein Haushaltgerät mit ähnlichem Effekt, das er in Frankreich auf dem Flohmarkt gekauft hat: Den ringförmigen Eierköpfer setzt er auf das Ei. Über einen mit Griffen zu betätigen Mechanimus fährt das Gerät Zähne aus, die die Eierschale durchstechen. Am Ende streut Braun ein paar Körnchen Fleur de Sel auf das Eigelb.
Die Sinnlichen
Die Überschrift beschreibt eine sehr seltene Spezies: Das nicht ganz weich gekochte Ei klopft der Betreffende mit dem Löffel auf, pellt dann etwas mehr als das obere Drittel ab, um danach mit einem Stückchen Schale das Eiweiß rundum - etwas oberhalb der Schalenkante - einzuritzen. Danach hebt er den Eiweißdeckel ab. Zu sehen ist das intakte Eigelb, das seine Form auch dann behält, wenn es sich wie eine Basilika-Kuppel über dem Eiweiß erhebt.
Vertreter dieser Art sind besonders empfindsame Typen. Denn für sie kommt die Vorfreude auf den Genuss schon fast dem gustatorischen Erleben gleich. In ihrer Gesellschaft steigt auch die Lebensqualität der Mitmenschen deutlich: Denn diese Spezies genießt das Leben mit all ihren Sinnen und sorgt dafür, dass die schönen Dinge im Alltag Raum erhalten.
Die Beeindruckenden
Eine spezielle Art, das Ei zu öffnen, sorgt für Staunen: Ihre Vertreter schlagen gerade so fest mit dem Messer gegen die Eierschale, dass sie das Ei nicht köpfen, sondern nur die Schale rundherum entlang einer geraden Linie brechen, ähnlich wie das sonst nur der Eierschalen-Sollbuchstellenverursacher schafft. Dadurch können sie anschließend einfach den Schalen-Hut abnehmen - und blicken auf ein komplett intaktes Ei.
Vertreter dieser Spezies lieben den großen Auftritt und genießen sicher auch die Bewunderung ihrer Mitfrühstücker. Und eines steht außer Frage: Wer diese Messer-Technik beherrscht, ist zweifelsfrei geschickt und kreativ.
Tanja Kliewe-Meyer, Designerin des Labels "Like a Bird", die ihren "Store 13" an der Elisabethstraße betreibt, gehört dieser äußerst seltenen Spezies an.