
Oerlinghausen. Wie kocht man ein Frühstücksei auf die passende Härte. Nach Gefühl? Nach Wecker? Mit elektrischem Eierkocher? „Nein“, sagt Rupprecht Gabriel, „so lange, bis es piept im Topf oder eine schöne Melodie zu hören ist.“ Gabriel ist der Erfinder des Piep-Eis. Das ist ein kleiner Haushaltshelfer, der das Eierkochen mit Musik verbindet.
Vor 25 Jahren entwickelte der promovierte Oerlinghauser Elektroingenieur ein mit Elektronik gefülltes, künstliches Ei, das mit normalen Hühnereiern in kochendes Wasser gelegt wird und das sich akustisch meldet, wenn die gewünschte Härte erreicht ist. Seither gibt es wohl nur wenige Erfindungen auf der Welt, die Menschen so zum Lächeln bringen wie ein Piep-Ei. Millionenfach wurde die Eieruhr aus Oerlinghausen seither durch die eigens im Jahr 2000 gegründete Firma Brainstream verkauft.
Mal waren sie zu hart, mal zu weich, immer unpassend
Er sei früher genervt gewesen, sagt Rupprecht Gabriel, von Frühstückseiern, die ihm „nicht immer gelungen“ seien. „Mal waren sie zu hart, mal zu weich, aber nie so, wie ich sie wollte“, erinnert er sich. Und da der heute 74-jährige Techniktüftler schon immer ein Faible für ausgefallene Ideen hatte, entwickelte er ein neues Eier-Koch-Konzept. Mit viel Kreativität, einer gehörigen Portion Humor und viel Elektrotechnik-Wissen entwarf er das Kunststoff-Ei.
Im eigenen Garten an der Berliner Straße liefen die ersten Testversuche. „Die Nachbarn fanden es ganz lustig und haben mich ermutigt, weiterzumachen“, sagt er zurückblickend. Schließlich klappte die Technik perfekt. Das „Piep-Ei“ war geboren. Anfangs genügte ein kurzes akustisches Piep-Signal als Hinweis, dass das Ei fertig war – im gewünschten Zustand.
Als Techniker beschreibt er die Funktion so: „Ich habe in der Kunststoffschale des Eis einen batteriebetriebenen Mechanismus eingebaut, der auf einem thermischen Modell basiert. Das Piep-Ei misst die Wassertemperatur und berechnet über eine Differentialgleichung die Innentemperatur des zu garenden Hühnereis. Das Eigelb gerinnt bei einer bestimmten Temperatur. Ist diese Temperatur im Innern des Eies erreicht, spielt Piep-Ei bei dem gewünschten Härtegrad sekundengenau eine Melodie.“
„Eigentlich wollte ich die Piep-Eier gar nicht selbst produzieren und vertreiben“, erinnert sich Gabriel an die Zeit vor einem Vierteljahrhundert zurück, „sondern nur das Patent verkaufen.“ Aber anfangs interessierten sich kein Händler und kein Weiterverkäufer für die technische Spielerei. Um Aufmerksamkeit zu erzielen, mietete er im Jahre 2001 auf der Messe „Ambiente“ in Frankfurt einen kleinen Messestand. „Die Folge war ein Riesenandrang, aber kein Verkauf. Von den 5.000 produzierten Piep-Eiern haben wir keine 1.000 abgesetzt“, sagt er.
Printmedien verhelfen dem Piep-Ei zum Durchbruch
Eine völlig neue PR-Strategie jedoch brachte den Durchbruch. „Ich habe den Medienvertretern von Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen ein kleines Set mit einem Mini-Kocher, einer Dose, einem Hühnerei und dem Elektronik-Ei geschickt. Dazu eine Kochanleitung.“ Damit konnte jeder selber das Eierkochen ausprobieren. Das Resultat war grandios. Fast alle Medienvertreter berichteten darüber, und auf einen Schlag war das Piep-Ei in aller Munde. Vor allem in kleineren Geschenkeläden avancierte das Ei zum Nummer-eins-Produkt.
Den Siegeszug des Piep-Eis im Handel verdankt Rupprecht Gabriel wohl auch seinem Sinn für verschiedene Eierdesigns. Individuelle Exemplare entwickelte das Unternehmen Brainstream, das heute von Sohn Markus Gabriel geleitet wird. Zu den Klassikern auf dem Markt zählt das „Goldene Piep-Ei“, das den gewünschten Härtegrad mit drei Melodien meldet: „Killing me softly“ für weiche Eier, „Ich wollt ich wär’ ein Huhn“ für mittelweiche, „Triumphmarsch“ für hartgekochte Eier.
Ein Top-Seller ist das „Küken-Piep-Ei“ mit einem aufgedruckten wuscheligen Hühnerküken. Bei Weicheiern ertönt: „Old MacDonald had a Farm“, bei mittelweichen: „Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad“ und bei harten Eiern: „Der Hahn ist tot“. Fans klassischer Musik lieben das „Beethoven Piep-Ei“ mit „Ode an die Freude“, „Für Elise“ und „Sinfonie No. 5“. Neben dem Eier-Geschäft bietet Brainstream weitere humorvolle Haushaltshelfer: einen Mikrowellenreiniger der „Angry Mama“ heißt, oder einen Wecker für bissfeste Nudeln mit dem Namen „Al Dente“.
Beim jüngsten Coup geht es um sicheren Transport
Und das ideenreiche Geschäft läuft munter weiter. Trotz längst erreichten Renteneintritts denkt Gabriel noch nicht an den Ruhestand. Vor sechs Jahren erst hat er eine neue Firma in Merseburg gegründet, die er zumeist vom Oerlinghauser Homeoffice aus steuert. Cargo Guard heißt das Unternehmen. Es biete einen sicheren Transport für Güter im Handel, in der Industrie und für Logistik-Dienstleister an. Satellitengestützt wird dort durch neue Technologien der Weg der Waren auf Straßen und Schienen verfolgt.
Rupprecht Gabriel kann sich noch nicht vorstellen, sein Arbeitspensum zu reduzieren. „Die Arbeit hält einen geistig fit“, meint er. Es lohne sich allemal, aktiv zu bleiben, so seine Einstellung. Seine Lebensleistung ist beeindruckend, er hält diverse Patente im Bereich Antriebstechnik, Mikroelektronik und Leistungselektronik, und er wurde für seine Arbeit mit mehreren nationalen und internationalen Auszeichnungen geehrt.