Kriminelle Großfamilien: Das steckt hinter der Bluttat in Herford

Herford. Der Gehweg der Unterführung am Herforder Bahnhof ist mit rot-weißem Flatterband abgesperrt, auf dem Bürgersteig ist Blut zu sehen. Die Polizei ist am Freitagmorgen mit zahlreichen Kräften vor Ort, sucht das ebenfalls abgesperrte Areal zwischen Niederstraße und Auf der Freiheit über Stunden nach Hinweisen ab. Gegen Mittag kommt ein Mantrailer-Hund zum Einsatz - der besonders gut menschliche Spuren erschnüffelt – von einem Kapitalverbrechen ist zunächst sogar die Rede, später gehen die Ermittler von gefährlicher Körperverletzung aus. Ein 50-jähriger Mann ist gegen 5.30 Uhr hier angegriffen und schwer verletzt worden. Er erleidet Kopfverletzungen und wird mit einem Rettungswagen zur Behandlung ins Klinikum gebracht. Es gibt konkrete Hinweise auf die Täter, aber offenbar noch keine Festnahmen. Nach Informationen der Neuen Westfälischen geht es bei der Tat erneut um die Auseinandersetzung zweier verfeindeter Großfamilien und ihrer Entourage. Es ist eine Feindschaft, die die Polizisten in und um Herford, die Staatsanwaltschaft Bielefeld, zwei Mordkommissionen und die Gerichte seit rund acht Jahren beschäftigt. Und – so wie am Freitag - wieder und wieder für schwerst- oder lebensgefährlich Verletzte sorgt. So soll der Angriff nach unbestätigten Meldungen wiederum die Rache dafür sein, dass eine Person aus dem Umfeld des 50-Jährigen den Audi RS 8 eines Mitglieds der gegnerischen Familie beschädigt haben soll. Messerklinge in den Kopf gerammt Gut verwertbare Angaben zu den Motiven sowie den Hintergründen und damit ein klares Bild gibt es, wie die Fälle aus der Vergangenheit zeigen, selten – die Ermittler müssen sich meist durch einen Dschungel von Beschuldigungen, Gegenbeschuldigungen und Lügen vorkämpfen. Vor dem aktuellen Angriff war zuletzt 2020 eine Mordkommission (MK) nach einer öffentlichen Auseinandersetzung an der Diebrocker Straße gebildet worden. Die 14-köpfige MK &bdquo;Frieda“ hatte versucht, eine Messerattacke auf einen 18-jährigen Autofahrer aufzuklären. 2020 war die Polizei von einem normalen Verkehrsunfall ausgegangen. Der 18-jährige Bad Oeynhausener war mit seinem Wagen von der Straße abgekommen und schließlich gegen eine Mauer gefahren. Just in der Nähe seiner Kontrahenten. Später hieß es von Mitgliedern der verfeindeten Familie, er habe versucht, einen ihrer Angehörigen zu überfahren. Der Fahrer wurde attackiert, erlitt schwerste Gesichtsverletzungen. Unter anderem wurde ihm ein Messer in den Kopf gerammt, die Klingenspitze blieb in seinem Schädel stecken und brach ab. Weitere Informationen zur Tat am Freitag lesen Sie hier Alles begann mit einem großen Drogendeal Zu den Fahrzeuginsassen an der Diebrocker Straße gehörte 2020 auch eine Person, die bereits bei der Messerstecherei am Herforder Marktkauf 2017 dabei war. Zwei Jahre zuvor, 2015, soll die Familienfehde ihren Anfang genommen haben. Damals ging es um Drogenhandel im großen Stil. Bei einer Rauschgiftübergabe in der Nordstadt nahm ein Spezialeinsatzkommando drei Brüder aus einer der Familien fest. Sie hatten mit Hilfe einer Verwandten aus Aachen insgesamt zwei Kilo Kokain im Schwarzmarktwert von 140.000 Euro sowie 30 Kilo Marihuana nach Herford und Bad Salzuflen geschmuggelt. Der Haupttäter erhielt siebeneinhalb Jahre Haft, sein Bruder fünfeinhalb Jahre, das dritte Mitglied der Großfamilie wurde freigesprochen, kam auf freien Fuß. Der Ermittlungserfolg und die spätere Verurteilung der Brüder fußt auf den Aussagen eines Dealers, der nicht nur die Familienmitglieder aus der Nordstadt, sondern auch weitere Abnehmer und Rauschgifthändler in und um Herford auffliegen ließ. Der geständige Mann erhielt zweieinhalb Jahre Haft. Appell des Richters verhallt Im März 2017 eskalierte dann die Situation am Herforder Marktkauf, als zwei Gruppen Jugendlicher aus den verfeindeten Lagern aufeinandertrafen. Es gab zwei lebensgefährlich Verletzte durch Stichwunden. &bdquo;Es ist mir unverständlich, dass es so weit kommen musste“, hatte damals der Richter an die Adresse der Eltern gerichtet gesagt. Er verstehe es nicht, dass es Erziehungsberechtigte zuließen, dass Kinder bewaffnet herumliefen. Noch während des Prozesses in Bielefeld kam es wiederum zu Angriffen auf ein Taxi und dessen Fahrer am Bahnhof. Auch scheint ein Lernvermögen bei einigen Beteiligten der Messerstecher nicht vorhanden zu sein. Eines der Opfer wurde später wegen Drogenhandels verurteilt. In einem anderen Fall waren Mitglieder der verfeindeten Familien an Massenschlägereien im Sommer 2019 an der Steinstraße und später am Westring beteiligt. Auch das 50-jährige Opfer des aktuellen Angriffs ist nach NW-Informationen für die Polizei kein Unbekannter.

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