Blaulicht-Gespräch: NRW-Innenminister Reul zu Besuch im Kreis Herford

Hiddenhausen. Der Freihof in Hiddenhausen am Samstag gegen 11.45 Uhr: Für spät kommende Gäste ist es nicht einfach, einen Platz zu finden – etwas mehr als 100 Zuhörer fasst der beinahe voll besetzte Saal des Hotels, den die Hiddenhauser CDU für ihr Blaulicht-Gespräch mit NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) reserviert hat. Für den bekennenden Rheinländer Reul ist der Termin vor den Parteifreunden im knapp 200 Kilometer von Düsseldorf entfernten Westfalen ein Heimspiel. In knapp 60 Minuten schafft es der Polit-Profi, einen innenpolitischen Parforceritt hinzulegen – über den Ukraine-Krieg, den Rechtsstaat, die Vorratsdatenspeicherung, Kinderpornografie, politischen Extremismus, Clankriminalität bis zur Arbeit von Polizei und Rettungskräften. "Regeln legt Parlament fest" Der russische Überfall auf die Ukraine stelle die Regelungen und Verabredungen in Frage, die die Politiker nach dem Zweiten Weltkrieg für ein friedliches Zusammenleben in Europa getroffen haben, beginnt Reul seine Ausführungen. Dieselbe Idee eines regel-basierten friedlichen Zusammenlebens in einem Land &bdquo;nennt sich demokratischer Rechtsstaat. Es sind Verabredungen, dass nicht alles drunter und rüber geht“. Und die Regeln legten die Menschen fest, die die Bürger in die Parlamente wählen. An die Regeln müsse sich jeder halten – das gelte für Extremisten von rechts oder links aber auch für Islamisten oder Clans, die die Familie über den Rechtsstaat setzten. Drei Jahrzehnte nicht gekümmert Um das Thema Clankriminalität, um ein Beispiel zu nennen, so Reul, habe sich über 30 Jahre niemand gekümmert. Aus Angst, so die Menschen zu stigmatisieren. Wenn aber im Ruhrgebiet ein Großteil von Straftaten auf Mitglieder von 112 Familien zurückgehe, sei das schon ein Vorgang, der thematisiert werden müsse. Viele Bürger hätten Beobachtungen zum Vorgehen von Clan-Mitgliedern schon lange vorher gemacht. Wenn staatliche Institutionen dann aber nicht handelten, sorge das für Zweifel an der staatlichen Ordnung. Bei den Durchsuchungen gehe es unter anderem um ganz einfache Dinge wie das Einhalten von Steuergesetzen beim Tabakverkauf oder illegale Beschäftigung. Er glaube nicht an eine schnelle Lösung des Problems, es habe ja immerhin auch "30 Jahre gebraucht, bis sich die Clan-Kriminalität entwickelt hat". Eine große Gefahr sehe er - anders als noch vor Jahren - mittlerweile im Rechtsextremismus. Die Verbreitung der kruden Ideen über das Internet, die dann mit tausenden zustimmenden Likes versehen werden, lasse Täter glauben, dass sie recht hätten. Das führe dann zu Taten wie dem Mord an dem hessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke. "Heute müssen sie (die Polizei, d. Red.) mitbekommen, was im Netz passiert", so Reuls Schlussfolgerung aus der Entwicklung. "Die Polizei muss vor die Lage kommen." Das bedeute, dass die Ermittler nicht erst dann reagieren, wenn eine Straftat passiert ist, sondern schon eher aktiv werden könnten. Daten aus den USA Das zeige auch das Beispiel Castrop-Rauxel: Ein Islamist soll einen Anschlag mit dem Gift Ricin geplant haben. Der Hinweis auf den Mann kam über US-Sicherheitsbehörden. Auch die Suche nach Tätern im Bereich der Kinderpornografie sei erschwert. So kennen Ermittler die IP-Adressen der Computer mutmaßlicher Täter. Sie dürfen aber nicht - was technisch kein Problem wäre - über die IP-Adresse die richtige Wohnanschrift des Verdächtigen feststellen. Trotzdem gibt sich Reul zuversichtlich, wenn es um eine Lösung geht. "Ich bin optimistisch, wir kriegen das hin. Wenn auch vielleicht nicht so, wie ich mir das erhoffe." Gleichzeitig macht der NRW-Innenminister klar, dass die Polizei künftig deutlich digitaler werden wird. Minister rechnet mit Klage gegen Software Nach den in Teilen erfolgreichen Klagen gegen die Ermittlungssoftware der Länderpolizeien in Hessen und Hamburg vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe rechnet auch Reul damit, dass es Klagen und Verfahren in Zusammenhang mit dem in NRW genutzten Programm geben wird. Was den Innenminister, der gerade die neue Kriminalstatistik 2022 vorstellte, besorgt, "ist die steigende Kriminalität bei Kindern und Jugendlichen". Möglicherweise sei das durch die zwei Jahre Corona forciert worden. Die steigende Gewalt sei ein anderes Problem. Früher sei sich gekloppt worden, heute werde auf am Boden liegende Opfer noch weiter eingetreten. Entscheidend sei aber auch, dass die Beamten bei ihrer Arbeit gesellschaftliche Rückendeckung erfahren, erklärt der NRW-Innenminister. Das gelte aber auch für Rettungskräfte wie Feuerwehr oder Sanitäter.

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