Alte Heerstraße in Herford wird teilweise wieder für alle Autofahrer freigegeben

Herford. Erst als Matthias Moning am Dienstagabend auf dem Weg nach Hause ist, geht ihm auf, was der Verkehrsausschuss gerade beschlossen hat. Am Mittwochmorgen trifft er den Bezirksbeamten der Polizei und fragt ihn, ob er die Situation richtig einschätze. Ja, das tue er, entgegnet der Mann. Was des einen Freud, ist des anderen Leid. Das sagt schon ein altes Sprichwort. Es geht um die Anlieger-frei-Regelung auf der Alten Heerstraße. Andreas Schröder darf in Kürze - wie viele andere Autofahrer auch - wieder über die Alte Heerstraße zwischen Falkendiek und Schwarzenmoor pendeln. Zuletzt war die Straße nur für Anlieger freigegeben, und zwar schon ab der Mindener Straße. Das hatte Schröder mit einem Bürgerantrag ändern wollen, damit die beiden Ortsteile wieder miteinander verbunden sind. Der Verkehrsausschusses folgte mehrheitlich seinem Anliegen. Autofahrer auf der Alten Heerstraße brauchen demnach künftig zwischen Mindener Straße und der Abzweigung Hilligenböke, von der wiederum die Höhenstraße in Richtung Autobahn abzweigt, keine Anlieger mehr zu sein. Schröder hat diese Entscheidung sicherlich gefreut. Matthias Moning gefällt sie gar nicht. Nicht mehr alle Anlieger dürfen über die Alte Heerstraße nach Löhne fahren Der Herforder hat seinen Wohnsitz an der Alten Heerstraße direkt vor der Abzweigung der Hilligenböke, hinter der das Schild "Anlieger frei" künftig stehen wird. Und das bedeutet, das er die Alte Heerstraße künftig nicht mehr nach Löhne und Bad Oeynhausen befahren darf. Denn er ist kein Anlieger des Bereichs, der nur für Anlieger frei gegeben ist. Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) bestätigt das mit einer Erklärung auf seiner Homepage: "Eine gesetzliche Definition des Begriffs ,Anlieger' existiert nicht. Die Rechtsprechung hat jedoch die Bedeutung nach dem allgemeinen Sprachgebrauch und der Verkehrssitte ermittelt: Anlieger ist, wer ein an der Straße anliegendes Grundstück bewohnt oder zu einer Erledigung aufsuchen muss." Thema war das in der Sitzung jedenfalls nicht. Deutlich wurden da aber die Nöte der Anlieger der Alten Heerstraße: Viele Autofahrer nutzen die Straße regelwidrig schon jetzt als Abkürzung zur Autobahn. Und sie fahren zu schnell. Ein Problem sind zudem die Motorradfahrer, wie neben Moning auch die Anwohner Günter Stork und Claus Marzoll beim Ortstermin am Tag nach der Ausschusssitzung sagen. Die offene Topografie trägt den Motorenlärm weit in die Landschaft hinein Sie fahren demnach zu schnell, oft in Cliquen und dann auf der schönen Strecke auch hin und her. Zudem führen sie im Kreis über Höhenstraße, Amselstraße und Hilligenböke. Die Topographie mit der offenen Landschaft trage den Motorenlärm so weit, dass er in einem Kilometer Entfernung als störend empfunden werde. 33 Unterschriften haben die Anlieger gesammelt, um die Öffnung der Alten Heerstraße für Nicht-Anlieger zu verhindern. Denn mehr Verkehr bedeutet auch mehr Auto- und Motorradfahrer, die zu schnell fahren. Seit die Alte Heerstraße im Sommer 2022 zur Fahrradstraße wurde, sei der Verkehr kaum geringer und nicht langsamer geworden, hatten sie in ihrem Schreiben an die Verkehrspolitiker kritisiert. "Dafür gibt es seitdem mehr nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmer, die die Strecke auch nutzen (Fahrradfahrer, Fußgänger, Reiter)." Ein gefahrloses Miteinander sei schon jetzt ohne Kontrollen, Messungen, eindeutige Beschilderung zur Tempobeschränkung nicht gewährleistet. Deshalb sei eine Freigabe der Straße für den allgemeinen motorisierten Verkehr aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht zu verantworten. Nicht überall ist der Blick auf den entgegenkommenden Verkehr möglich Tatsächlich ermöglicht die leicht hügelige Topografie nicht überall einen Blick auf den entgegenkommenden Verkehr - oder Radfahrer, die in gleicher Richtung unterwegs sind wie die Autofahrer. Hinzu kommt, dass die Anlieger bei einer Freigabe der Straße mit rund 100 Fahrzeugen allein am Morgen rechnen. Derzeit seien es ungefähr zehn die Stunde, von denen vielleicht zwei Tempo 30 einhielten, so Moning. Da viele Autofahrer auf dem Weg zur Arbeit gegen die Uhr führen, seien sie oft mit 70 bis 90 Kilometer die Stunde unterwegs, heißt es in dem Schreiben der Anlieger. Zudem hatten sie selbst Testfahrten unternommen und festgestellt, dass sie für die Strecke über B61 und Senderstraße nahezu gleich lang brauchten wie - unter Einhaltung von Tempo 30 - über die Alte Heerstraße und Höhenstraße. Und sie schreiben: "Zu guter Letzt: Aus der aktuellen Mobilitätsanalyse der Stadt geht hervor, dass das zweithäufigste Ziel der Herforder Radfahrer Bad Oeynhausen ist. Das allein sollte Grund genug sein, für deren Sicherheit zu sorgen." Die Verwaltung hatte die Anliegerstraße in voller Länge beibehalten wollen. Dagegen stimmten sieben Ausschussmitglieder - und überstimmten damit fünf andere. Zuvor hatten sich die Grünen und die Linken gegen die Änderungsregelung ausgesprochen. Den Befürwortern war bewusst, dass ein Teil der Autofahrer sämtliche Verkehrsregeln auf der Straße ignoriert.

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