Steigende Preise, Krieg und Corona: So schaffen es Unternehmen im Kreis Herford durch die Krisen

Kreis Herford. Die letzten drei Jahre waren für die Wirtschaft krisengebeutelt. Wegen der Corona-Pandemie und den weltweiten Lockdowns sind ganze Wirtschaftszweige wie Kartenhäuser zusammengefallen. Maßstäbe, die jahrelang selbstverständlich waren, waren es plötzlich nicht mehr. Im Februar greift Russland die Ukraine an, die Energiepreise explodieren, die Inflationsrate schraubt sich hoch. Unwägbarkeiten nehmen zu, die Märkte werden immer hektischer. Wie bestehen Unternehmen aus der Region in diesen Zeiten? Neben der Qualität eines Produktes wird die Bonität des Unternehmens in dieser krisenhaften Welt immer ausschlaggebender. "Es ist ein wichtiges Kriterium", sagt Dirk Markus aus der Geschäftsleitung von Creditreform Herford/Minden. Creditreform hat vor zehn Jahren das Bonitätszertifikat "Crefo Zert" entwickelt. "Seit den Krisen steigen die Anfragen." "Man kann zwar nicht zu 100 Prozent in die Glaskugel schauen", sagt Markus. "Doch das Zertifikat ist ein Instrument, um die wirtschaftliche Lebensfähigkeit eines Unternehmens einzuschätzen." Der Hauptgrund für Pleiten sind nach Einschätzung der Creditreform nämlich, dass die eigenen Rechnungen nicht bezahlt werden. Früher haben sich Unternehmer darüber kaum Sorgen gemacht, die Aussage "ich kenne doch meine Kunden" hat Markus oft gehört: "Doch das gilt nicht mehr." Die "Neue Westfälische" hat mit drei Unternehmen in der Region über die Krisen gesprochen. Die Geschäftsführer erzählen, wie sie sich auf einem Markt, der immer unsicherer wird, behaupten. Wemhöner Surface Technologies GmbH & Co. KG Das Herforder Unternehmen hat es geschafft, sich innerhalb von drei Generationen zum Weltmarktführer für Maschinen- und Anlagenbau zu entwickeln. Aus der Werrestadt hinaus exportiert Wemhöner seine Produkte nach Europa, Nord- und Südamerika bis nach Australien. Den enorm wichtigen chinesischen Markt bedient Wemhöner mit den beiden Produktionsstätten in der Provinz Jiangsu. Die Tochtergesellschaften in China seien unabhängig am Markt unterwegs, sagt Heiner Wemhöner, geschäftsführender Gesellschafter. 95 Prozent der Produkte exportiert Wemhöner. "Die Exportquote war bisher eine Sicherheit." Wenn es in Asien mal schlechter lief, lief es in Südamerika besser. Das Problem jetzt: "Es läuft nirgends mehr gut", sagt Wemhöner und nennt die hohen Energiepreise. "Es ist erkennbar, dass die Wirtschaft in eine Wirtschaftskrise kommt." Wemhöner erinnert sich noch zu gut an die Finanzkrise zurück. "Da war hier Totenstille. Wir hatten drei Monate Kurzarbeit. Das hatten wir noch nie." Durch die Anfänge der Corona-Zeit ist Wemhöner gut gekommen. "Wir hatten großes Glück, dass unsere Kunden die Möbelindustrie ist." Die Branche hat von Corona erheblich profitiert. "Das haben wir auch gespürt. 2021 hatten wir den höchsten Auftragsstand jemals." Bis ins Frühjahr 2024 ist das Unternehmen voll ausgelastet - zu spüren sei, dass sich der Auftragseingang nun deutlich reduziert habe. Die Zurückhaltung der Konsumenten sei wahrnehmbar. Energie benötige Wemhöner zum Heizen und fürs Licht, aber nicht für die Produktion. Stahl werde zugekauft. Die Produktionsunternehmen lassen sich den Energieanstieg bezahlen. Die Preiserhöhung sei nicht zu erahnen gewesen. "Es hat sich dramatisch verändert. Das mussten wir nun lernen", sagt Wemhöner und weiter: "Es ist eine Kettenreaktion." Demnach musste das Familienunternehmen wiederum mit ihren Kunden Nachverhandlungen führen. Der Betrieb sieht sich dennoch gut aufgestellt und wenn man Heiner Wemhöner auf den Fachkräftemangel anspricht, lacht er nur: "Den hat der, der nicht ausbildet." Wichtig sei es, in den Nachwuchs zu investieren, ihn wertzuschätzen und die jungen Leute zu begleiten. "Netzwerken ist extrem wichtig", sagt Wemhöner. "Das ist ein Prozess, der über Jahre läuft." Auch der eigene Biss, Hartnäckigkeit und weiter Denken sei für den Unternehmer wichtig: "Man kann nur mit neuen, guten Ideen vorne bleiben." Und mit Mitarbeitern, die diese Attribute teilen. Wemhöner: "Wir haben einfach ein tolles Team." Cosmed GmbH & Co. KG Vorausschauend handeln, das kommt dem Löhner Unternehmen Cosmed jetzt zugute. Denn auch in der Kunststoffindustrie schlagen die Energiepreise zu. "Wir haben für 2023 schon große Kontingente Energie zugekauft. Zwar nicht zum günstigsten, aber einem noch erträglichen Preis", sagt der Geschäftsführer Dieter Sabrotzky. Dabei gehe es um den Hauptenergieträger Strom. "Gas spielt bei uns Dank der Wärmerückgewinnung kaum eine Rolle." Das Unternehmen liegt nah an der A30. Alles was an Dachflächen möglich war, ist mit Fotovoltaik bestückt. Sabrotzky: "Aber das macht nur zehn Prozent des gesamten Energiebedarfs aus." Mit den stetig steigenden Kosten habe Cosmed zu kämpfen: "Das haben wir so nicht gekannt", sagt der zweite Geschäftsführer Jens Maschmeier. Einen Teil der Mehrkosten habe über gestiegene Artikelpreise an die Kunden weitergegeben werden müssen. "Es ist ein Grenzgang." Der Krieg in der Ukraine habe zudem zu einer schwierigen Versorgungslage bei Materialien geführt. "In Mariupol war die größte Stahlproduktion weltweit", sagen die Geschäftsführer. Die sei zerstört worden und damit auch die Grundlage für viele Werkzeuge. Sabrotzky und Maschmeier sagen aber auch: "Wir haben gut zu tun, wir klagen auf hohem Niveau." Das Zertifikat von Creditreform sei gerade in Krisenzeiten ein guter "Entscheidungsfaktor" und wichtiger denn je. Es zeigt an, wie sicher der Fortbestand eines Betriebes ist. Es könne auch darüber entscheiden, wer den Auftrag bekommt und wer nicht. Sabrozky glaubt, dass die große Insolvenzwelle noch bevor steht. "Auch wir müssen unsere Partner im Blick behalten." Nach eigenen Angaben hat Cosmed keine staatlichen Hilfen in Anspruch genommen. "Der wichtigste Faktor liegt in der Vergangenheit", sagen sie und sprechen damit die jahrelang aufgebaute Finanzkraft an. Investitionen seien auch in Krisen wichtig. 2022 habe Cosmed den Maschinenpark massiv erneuert. Maschmeier: "Damit haben wir in die Zukunft investiert. Denn irgendwann ist jede Krise zu Ende." Stadler Edelstahl GmbH & Co. "Die Industrie ist wie die Mafia", sagt der Geschäftsführer von Stadler Edelstahl, Dirk Obenhaus. Er macht das Beispiel mit Schleifscheiben auf. Die brauche Stadler zu Tausenden im Jahr. Mit den Krisen sind die Preise angezogen - und zwar deutlich. Das hätten Lieferanten ausgenutzt. "Mit der Konsequenz, dass wir unseren Einkauf umgestellt und uns nach anderen Lieferanten umgeschaut haben." Für Obenhaus, der Stadler Edelstahl als Manufaktur und nicht als Unternehmen der breiten Masse versteht, sei es wichtig: "Auch in der Krise weiter am Ball zu bleiben." Klar habe es ihm Angst gemacht, dass es zu einem Materialengpass kommen könnte, doch es helfe nicht, den Kopf in den Sand zu stecken. Der Herforder Betrieb vertreibt Arbeitsplatten und Rückwände aus Edelstahl für die Küchenindustrie. Service wird groß geschrieben, mit E-Commerce kann Obenhaus nichts anfangen. Daher seien die Mitarbeiter ein hohes Gut, die man schätzen müsse. "Wenn ich nichts investiere, kann nichts raus kommen." Da es schwer sei, an neue Mitarbeiter zu kommen, gibt der Chef auch Quereinsteigern eine Chance. Das kann sich bezahlt machen, wie er aus eigener Erfahrung berichten kann. Derzeit merke der Betrieb eine Beruhigung des Marktes. Bis Anfang Februar 2023 hat Stadler noch Aufträge im Vorlauf. Vor Kurzarbeit habe der Chef keine Angst. Er glaubt an eine Zeitenwende und findet es richtig, dass das Wort des Bundeskanzlers zum Wort des Jahres gekürt wurde. Obenhaus: "Es passt. Es wird weitergehen, anders, aber es wird weitergehen." Auch Stadler Edelstahl hat sich von Creditreform prüfen lassen und das Siegel "Crefo Zert" bekommen. "Es zeigt, dass wir sauber und fair arbeiten." Und ist auch für die Auswahl ihrer Kunden ein gutes Werkzeug.

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