Bewohnerinnen des Herforder Frauenhauses drücken Gefühle künstlerisch aus

Herford. Bewegende Worte haben Bewohnerinnen des Herforder Frauenhauses zu neun Gasbetonsteinen aufgeschrieben, die sie in einem Projekt künstlerisch bearbeitet haben. Es ist Teil eines Aufbruchs in ein neues Leben nach traumatischen Gewalterfahrungen. Die Texte sind mehr als bloße Erläuterungen. Sie bringen Gefühle eindringlich zum Ausdruck und runden die Arbeiten ab. Die behauenen Steine mit der Botschaft "Nein zu Gewalt" sind jetzt im Erdgeschoss der Stadtbibliothek am Linnenbauerplatz zu sehen. "Frei durchs Leben" heißt etwa der Stein einer 25-Jährigen, die ein Loch hindurchgebrochen und ein offenes Vorhängeschloss und einen Vogel hineingemeißelt hat: "Ich möchte durch das freie Loch hindurchschauen. Die kleinen Löcher stehen für jedes kleine Stolpern, fürs Hinfallen und wieder Aufstehen. Die Rückseite des Loches beschreibt die Kanten meines Lebens - hart und spitz. Aber dennoch ist es ein Ausweg. Das Schloss beschreibt mich in der jetzigen Situation: Ich bin frei! Und niemand hat den Schlüssel außer mir. Der Vogel ist für mich das Symbol der Freiheit." Zusammen mit den Kindern sicher aufblühen Zu "Mein Traum" schreibt eine 38-Jährige: "Die Blumen sollen Veilchen darstellen. Sie symbolisieren meinen Sohn, meine Tochter und mich. Ich möchte mit ihnen sicher aufblühen und im selben Blumentopf leben." Von "Zusammenhalt" schreibt eine 26-jährige Mutter: "Ich habe drei Hände gemeißelt, diese sollen für den Zusammenhalt zwischen mir und meinen Kindern stehen. Die Zeit, die wir durchlebt haben, hat uns für immer zusammengeschweißt und wenn wir zusammenhalten, werden wir es gemeinsam schaffen. Das Herz auf der rechten Seite des Steines ist in Heilung. Viele Brocken sind jedoch in ihm, diese sollen verdeutlichen, dass ich noch einiges zu meistern habe und dies alles nicht so einfach ist." Abstand nehmen, um klarer zu sehen Nicht immer ist es ein Schlussstein unter eine leidvolle Geschichte. So ist eine 41-Jährige, die noch unbeholfen "Gewalt nein Danke" in den Stein gehauen hatte, während des Projektes aus dem Frauenhaus zurück in ihr gewalttätiges Umfeld gegangen. Nun ist der Stein ein Sinnbild für oft erlebte traurige Realität. Die Ausstellung haben jetzt Bewohnerinnen, die sechs hauptamtlichen Mitarbeiterinnen der Einrichtung, ehrenamtliche Mitglieder des Trägervereins, die Leiterin des Gestaltungsprojekts, Gabriele Kasper, Bibliothekschefin Petra Beck und die Präsidentin der Soroptimistinnen Bad Oeynhausen/Wittekindsland als Unterstützerin in einer kleinen Feierstunde eröffnet. "Die Bewohnerinnen des Frauenhauses haben sich vier Monate mit dem Material auseinandergesetzt und ein Gefühl für den Stein bekommen", beschreibt Mitarbeiterin Carolina Erk das Projekt. "Es war sehr ergreifend mit anzusehen, wie sie sich von ihren Gefühlen leiten ließen." Es sei ein Prozess gewesen, der sich durch Ratlosigkeit, Trauer, Wut und schlechte Erinnerungen bis hin zu Freude, Stolz und Stärke erstreckte. Der Hinweis der Kursleiterin "Manchmal muss man Abstand nehmen, um wieder klarer zu sehen" lasse sich sowohl auf das Kunstwerk als auch auf das Leben beziehen. Das Frauenhaus ist voll belegt Das Herforder Frauenhaus ist derzeit wie fast immer mit neun Frauen und zehn Kindern voll belegt. Sie können aus Herford kommen, wenn die Bedrohung durch den oder die Peiniger nicht zu groß ist. Oft kommen sie auch aus entfernteren Regionen. Jeweils ein Drittel der Frauen wird durch die Polizei vermittelt, kommt auf eigene Initiative oder aus anderen Häusern. Das Alter der Frauen liegt oft zwischen 18 und 35 Jahren. Der Absprung aus der häuslichen Umgebung ist meist schwer wegen Kindern, die mitgenommen werden müssen, und wegen finanzieller und manchmal emotionaler Abhängigkeit. Ein Drittel der Frauen schafft es nicht, den Teufelskreis im ersten Anlauf zu durchbrechen und kehrt nach Hause zurück. "Die Frauen haben oft schon seit ihrer Kindheit jahrelang Gewalt erlebt", sagt Mitarbeiterin Nadine Heine, die wie alle Kolleginnen eine Ausbildung zur Traumapädagogin absolviert hat. Die Qual reicht von psychischer Gewalt über brutale Schläge und Messerstiche bis hin zu Vergewaltigungen. Das Frauenhaus ist für sie telefonisch rund um die Uhr erreichbar. Frauen bleiben meist mehrere Monate im Frauenhaus Selten bleiben Frauen nur wenige Tage unter dem sicheren Dach, meist sind es viele Monate. "Es braucht Zeit, bis sich die Frauen stabilisiert haben", weiß Heine. Der Bedarf an sicheren Plätzen ist in Herford wie in ganz Deutschland weit größer als das Angebot. Heine wünscht sich aber für Herford kein sehr viel größeres Frauenhaus sondern eher ein zweite Einrichtung im Kreis. "Die Qualität muss gut sein", weiß sie. Krisenintervention, ärztliche Beratung, Unterstützung bei Behörden und traumapädagogische Beratung führen zu einer Stabilisierung, bevor sich die Frauen in eine Therapie begeben können. In Zeiten von Wohnungsnot ist es umso schwieriger, den Frauen eine Wohnung zu verschaffen. Das Frauenhaus mit seinen Mitarbeiterinnen wird finanziert durch Zuschüsse von Land und Kreis und durch Spenden.

Meistgelesen